DIRTY HARRY II - Calahan (Magnum Force) - Ted Post
"Sie sind ein guter Mann. Ein guter Mann kennt immer seine Grenzen"
Clint Eastwood als Harry Callahan in Magnum Force.
Die Frage lautet, ob man immer ein "guter Mann" sein möchte, wenn man eine Wahl hat? Grenzüberschreitung ist übrigens einer der Gründe, warum es zu Kriegen kommt.
Dass Amerika ein "gespaltenes Land" sei, das ist keine neue Erkenntnis und vor allem kein Ergebnis der aktuellen Lage, um diese Besprechung ein wenig politisch zu beginnen. Es gab in den USA immer schon zwei Lager, seit der Gründung der Nation. Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Norden und Süden, Demokraten und Republikaner, Waffengegner und Waffenbefürworter, die Gegensätze liessen sich unendlich fortsetzen. Im Dualismus ließen sich noch viele weitere Beispiele finden.
Ich erwähne das, weil nach der Betrachtung von MAGNUM FORCE einem schlagartig bewusst wird, dass das Land immer schon so war, wie heute. Die Kunst imitiert die Realität (und umgekehrt), das ist eine Binsenweisheit. In der Rezeption lässt der Film einem keine Wahl, als politisch Stellung zu beziehen, denn er ist politisch, durch und durch. Kehren Sie das Zitat oben um, dann wissen Sie, was ich meine. Dass DIRTY HARRY für erhebliche Kontroversen sorgte wundert nicht.
MAGNUM FORCE, so der Originaltitel, ist die Fortsetzung des Hits DIRTY HARRY von Don Siegel, der Clint Eastwood endgültig und auch in den Vereinigten Staaten zum Star machte.
Nach der Betrachtung von MAGNUM FORCE wird einem bewusst, dass alles das, was in den Medien über die USA berichtet wird, in dieser Form schon immer existiert hat.
"Wenn die richtigen Leute getroffen werden, ist gegen den Gebrauch der Waffe nichts zu sagen"
Clint Eastwood als Harry Callahan in Magnum Force.
Genau wegen solcher provokanter und polemisierender Aussagen wurden die Filme der Dirty Harry Reihe kritisiert. Denn es fragt sich wer die "richtigen Leute" sind und wie "Gebrauch" definiert wird. Dass sowohl DIRTY HARRY als auch die Fortsetzung Hits wurden, braucht nicht näher erklärt werden. DEATH WISH mit Charles Bronson, WER GEWALT SÄT von Sam Peckinpah, MAN ON FIRE von Tony Scott oder jüngst THE EQUALIZER von Antoine Fuqua: Immer dann, wenn Law & Order in Verruf gerät und Selbstjustiz scheinbar die Probleme löst, immer dann, wenn Filme reaktionär sind, werden sie zumeist ein grosser Erfolg. Über die Ursachen wäre nachzudenken, plakativ abgetan werden sollten die Gründe nicht.
Ich musste mehrmals bei der Betrachtung schmunzeln. Ein Film mit diesem Inhalt wäre in heutiger Zeit gar nicht erst erschienen oder produziert worden. In Zeiten des Neoliberalismus, der "MeToo" Debatten und einer scheinbar aufgeklärten Gesellschaft hätte man ihn zerrissen, er wäre noch vor erscheinen zum Politikum geworden. Der Shitstorm in den sozialen Medien wäre grenzenlos. Es gab aber Zeiten, in denen all diese Errungenschaften des jungen Milleniums keine Rolle spielten, den Menschen nicht gewahr waren und weder Hollywood noch die Autoren scherten.
MAGNUM FORCE ist politisch unkorrekt. Reaktionäre Filme, bitte verstehen Sie mich nicht falsch, es ist immer noch Unterhaltung, haben mich schon seit jeher fasziniert. Das liegt darin begründet, als dass Filme dieser Art stets einen anarchischen und visionären Unterton in sich tragen, der einen zum Lachen bringt.
Bestes Beispiel dafür ist eine Szene zu Beginn des Films, in der der von Eastwood gespielte Charakter als Pilot verkleidet eine von Kriminellen gekaperte Linienmaschine besteigt, diese überrumpelt und beide erschiesst. Als er das Flugzeug verlässt, trifft er auf seinen Vorgesetzten, der ihn nicht ausstehen kann, und sagt beiläufig im Vorbeigehen:"Was machen Sie denn hier?". Die Aussage dieser Szene könnte klarer nicht sein, siehe zweites Zitat.
Was einen aber zum Lachen bringt, ist das Ergebnis des Vergleiches mit dem, was die Autoren nicht explizit formulieren und dadurch noch klarer vor Auge führen: Zähe Verhandlungen mit den Geiselnehmern mit ungewissem Ende, Jahrzehnte dauernde Gerichtsverhandlungen, Resozialisierung nach Gefängnis auf Staatskosten und so weiter.
Ich werde nicht müde David Lean zu zitieren:"Wir handeln mit Träumen". Clint Eastwood als Inspector Harry Calahan ist der zum Leinwandleben erwachte Traum mindestes der Hälfte aller Amerikaner. Damals und vermutlich auch heute. Das muss man nicht werten, sondern Filme als einen Teil der Kulturgeschichte betrachten und zur Kenntnis nehmen. Ich will damit weder eine "Law & Order " Mentalität noch die Selbstjustiz verherrlichen oder gar gut heißen. Es war nur frappierend wahrzunehmen, wie wenig sich geändert hat.
Verlassen wir die politische Ebene. Ich habe Politik und Unterhaltung immer schon getrennt, wenn auch beides in einander übergeht und sich gegenseitig bedingt. Filme sind und bleiben Unterhaltung. Die SPECIAL EDITION DVD aus der DIRTY HARRY COLLECTION, betitelt "Clint Eastwood - Callahan", wartet mit hervorragender Unterhaltung auf. Bereits der Anfang ist herrlich obszön: Eine Hand hebt einen Revolver im Profil an und die Titelsequenz beginnt. Am Ende spricht ein Unbekannter mit uns und ehe der Zuschauer sich versieht ... . Was für ein Anfang. Da bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
Sehr geschickt umgehen beide Autoren den Vorwurf Handlung und Dialoge würden reaktionäres Gedankengut gut heissen und den Aufruf sich selbst mit Waffen zu verteidigen und das Recht in die eigene Hand zu nehmen. Das kommt aber nicht von ungefähr, denn es handelt sich dabei um
John Milius und Michael Cimino.
Aus San Francisco in der Nähe der Golden Gate Bridge,
Rick Deckard