FIGHT THE POWER I Standpunkt – Ein zweiteiliges Essay zu dem Film Harriet – Der Weg in die Freiheit (2019) von Kasi Lemmons
Seit dem Jahr 2008 dokumentieren und archivieren wir auf der Blogseite www.lomax-deckard.de unsere kulturellen Erlebnisse und stellen subjektive und leidenschaftliche, somit immer persönliche Beziehungen zu Popkulturellen Themen her. Dabei sind über 3.000 Artikel entstanden, die weit über eine halbe Million Einzelbesucher gelesen haben. Zudem sind Freundschaften und Netzwerke entstanden, welches auch in den Sozialen Medien und sogar im Radio bei 674FM eine Relevanz gefunden haben.
In 12 Jahren verändert sich viel. Popkultur ist dynamisch und erfindet sich permanent neu, passt sich aber auch an soziokulturelle, politische und oftmals komplexe, in alle Lebensbereiche hereinragende Gegebenheiten an. Popkultur ist manchmal visionär und oftmals seltsam vergangenheitsorientiert.
Nicht alle Gedanken und Erlebnisse, haben heute die gleiche Relevanz, wie zu den Zeiten, als wir diese geschrieben haben. Aber wir stellen uns unseren Erinnerungen. Viele Artikel sind aus heutiger Sicht streitbar, einige vielleicht sogar peinlich, ein paar reaktionär und progressiv. Over all haben wir uns aber immer Mühe gegeben politisch korrekt zu sein und niemanden zu beleidigen. So soll es bleiben…
Der Film HARRIET von Kasi Lemmons ist kein großer Film, im Sinne einer filmischen Kunst, sehr guter Cinematopgraphie oder bleibender emotionaler Wucht. Aber der Film hat mich insbesondere wegen der Regisseurin, Kasi Lemmons, zu einer wilden Fahrt in ein Gedankenkarussell eingeladen:
Der Hintergrund für den mehrfachen Kauf eines Tickets für verschiedene Umrundungen liegt sehr klar und einfach gesagt, in der Tatsache begründet, dass wir –Rick Deckard und ich Alan Lomax– sofort damit anfangen müssen uns die Frage nach der sog. Dominanzkultur zu stellen. Somit stellen wir uns aus rein selbstkritischen Gründen der Hinterfragung, die für viele Menschen offensichtlich zu selbstverständlich geworden ist und häufig in der Aussage mündet, dass man selbst niemanden aufgrund seiner Herkunft diffamiert. Was für eine klare Haltung gegen jegliche Form von Rassismus eben nicht mehr ausreicht und wenig zeitgemäß ist.
Wir setzen uns intellektuell hauptsächlich mit US-amerikanischer Kultur auseinander und meine Befürchtung ist, dass ich als Mensch europäischer Herkunft - gemeinsam mit Rick Deckard - wir uns zu wenig Gedanken über das Thema kulturelle Aneignung gemacht haben.
Daher habe ich mich entschieden, die eigentliche Filmbesprechung zu dem Film Harriet, zweizuteilen, um unseren Standpunkt zu verdeutlichen und für die Zukunft verbessert darzustellen.
Dieser kurze erste Teil beschäftig sich somit mit dem Thema „positiver Rassismus“. Denn unser unbeabsichtigter Fehler der Vergangenheit war es, davon auszugehen, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion bestimmte Talente haben. Der zweite Teil dieses Essays geht dann kurz auf das Drama und gleichzeitigen Historienfilm HARRIET ein, der das Leben der mutigen und einzigartigen Harriet Tubman zeigt. Selbstverständlich inklusive dem Plot, also dem Grund, weshalb ich mir hier so viel Mühe gebe, unsere Positionierung zu erklären, die aus meiner Sicht wichtig ist um Humanismus vorzuleben, aber auch zeigt, wie komplex und leider auch wissenschaftlich das Thema Popkultur im Zusammenhang mit Gleichstellung der Kulturen sein kann.
Der Mentor dieses Blogs ist der große US-Amerikanische Filmregisseur Martin Scorsese. Rick Deckard und ich sind noch immer sehr bewegt von seiner Sicht auf die moderne Kunst und Popkultur, die er vereinfacht gesagt, damit beschreibt, dass sich Kunst modular aufbaut und permanent voneinander lernen muss, um sich selbst weiter zu entwickeln.
All Time Classics - Spike Lee's Do The Right Thing - www.lomax-deckard.de
Vielleicht gibt es seine Handvoll Regisseure deren Werk hier beide Autoren würdigen würden. Spike Lee gehört auf jeden Fall dazu, da er „so unverrückbar in unserer gedanklichen Festplatte ...
http://www.lomax-deckard.de/article-all-time-classics-spike-lee-s-do-the-right-thing-115372441.html
Der Song FIGHT THE POWER ist eine Single von PUBLIC ENEMY. Er wurde für den Spike Lees Film DO THE RIGHT THING (1989) geschrieben. Spike Lee’s Meisterwerk ist noch immer einer der wichtigste Film über die Entstehung von rassistischen Spannungen. Und hat auch leider somit noch immer eine temporäre politische Relevanz. Der soziale Realismus, die Fähigkeit Spike Lees den Zuschauer, egal wer er ist, woher er kommt und wie er aussieht, verstehen zu lassen, dass es nichts Wichtigeres gibt, als Empathie zu besitzen und Einfühlungsvermögen notwendig ist, um zu verstehen, wie andere Menschen denken oder leben, bleibt dabei die wichtige Einzigartig.
Für ich persönlich bleibt der Film, einer der besten 10 Filme überhaupt, auch weil es einem jeden Möglich ist, zu versehen, was die Ursachen und Hintergründe, sowie Zusammenhänge für Rassismus sind, egal wie dumm oder wie schlau dieser Zuschauer ist.
Der Song FIGHT THE POWER ist dabei das Maintheme für die Erzählung und für die politische Radikalität in Spike Lees Idee der Erzählung. Der eigentliche Filmscore ist von Spikes Vater Bill Lee komponiert und Orchestriert von Brandford Marsalis und Terence Blanchard, der wiederum den großartigen Score zu dem hier eigentlich zu besprechenden Film Harriet gemacht hat. Das soll aber nicht die Verbindung sein. Denn über FIGHT THE POWER als Leitmotiv gibt es viel mehr zusagen:
Chuck D (Public Enemy) erklärt im Text des Songs seine afroamerikanische Perspektive und seine Sicht als Musiker auf das Thema Rassismus: „von Herzen…ein Anfang, ein Kunstwerk, um zu revolutionieren“, rappt er. Und weiter im Text lehnt er den liberalen Begriff der Rassengleichheit und die Dynamik der eigenen Umstände ab, die sich auf seine Gruppe von Menschen bezieht. Spricht damit natürlich ein Bewusstsein an und bezieht sich auf Martin Luther King’s Idee von der „geliebten Gemeinschaft“. James Brown, Gospel, Afrika Bambaataa und die Isley Brothers werden zitiert und amerikanische weiße Entertainer wie Elvis Presley und John Wayne bezeichnet er als „einfach“ und „schlicht“, gefolgt von Flavor Flav’s emotionalen Gefühlsausbruch „Motherfucker John Wayne“. FIGHT THE POWER ist gelinde gesagt ein Monster von einem Song, der nicht nur eine Aussage hat, sondern mehrschichtig und streitbar im Text ist und zugleich beweist welche Bedeutung der Einfluss von Samples und die Möglichkeit von Tonaufnahme es in einem Popsong geben kann.
Was beim oberflächlichen Hören des bekannten Songs aber bleibt ist die Kernaussage: „Bekämpft den Machtmissbrauch!“ Ich müsste nun tief, in die interessante afro-amerikanische Geschichte abtauchen, um die Wurzeln, besser erklären zu können, beschränke mich aber auf das Prinzip, welches Chuck D. hier nutzt: Es ist das Wechselspiel der schwierigen Themen Gleichstellung, mein persönliches Dilemma der Dominanzkultur und der zu dem angesprochenen Machtmissbrauch im System Hollywood bezüglich der nicht genutzte Diversität von Minderheiten (Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung …) bei Filmemachern.
Kasi Lemmons ist eine der ersten weiblichen afro-amerikanischen Frauen die einen Blockbuster inszenieren durfte, in dem die amerikanische Heldin afrikanische Wurzeln hat. Die „Oral Tradition“ besagt, dass es Sklavenhaltern untersagt war, die Ausbildung versklavter Afroamerikaner zu unterstützen, weil befürchtet wurde, dass dies ihre Sache stärken und sie zu emanzipatorischen Ambitionen inspirieren könnte. Es ist furchtbar, dass diese „Oral Tradition“ kein Gespenst der Vergangenheit ist, sondern immer noch ein Merkmal der indigenen afrikanischen Kultur der Gegenwart….
Lesen Sie morgen den zweiten Teil: FIGHT THE POWER II Aktueller Bezug – Ein zweiteiliges Essay zu dem Film Harriet – Der Weg in die Freiheit (2019 Kasi Lemmons) von Alan Lomax