Conor Oberst Köln Gloria 21.Januar 2017

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  22. Januar 2017, 13:59  -  #Konzerte

Conor Oberst Köln Gloria 21.Januar 2017

Es gibt sie noch diese Konzerte, die einen in die Knie zwingen. Recht entspannt, etwas überwissend, vielleicht schon fast allwissend, schlendert man in den bekannten Konzertsaal, sieht die ewig gleichen Gesichter und verlässt sich auf einen seiner Helden.

 

Und dann das?! Ein denkwürdig, wundervolles Konzert, welches von der ersten bis zur letzten Minute zum niederknien ist und markerschütternd in einen einfährt. Es geschieht dann das mit einem, von dem man weiß, dass es das gibt, hat aber nicht an dem Abend damit gerechnet. Man weint, ist stolz, hingerissen und wird emotional ins Herz getroffen; ... von diesem kleinen Mann, der einen schon so lange begleitet und einem so viele unvergessliche Momente geschenkt hat.

 

Oberst präsentiert sein neues, allein eingespieltes Album RUMINATIONS, welches im März noch einmal als SALUTATIONS veröffentlicht wird und dann mit Band zuhören sein wird. Gestern Abend also nicht ganz alleine im Kölner Gloria.

 

Dabei hat er noch den Gitarristen Miwi La Lupa und die Songwriterin Phoebe Bridgers, die auch das Vorprogramm bestritten hat. Conor spielt die ersten Nummern ergreifend am Klavier mit Mundharmonika und dann wechselnd mit einer beeindruckender Anzahl von schönen akkustischen Gitarren im Wechsel. Der Sound ist sagenhaft. Ich habe schon lange nicht mehr ein so gut ausgepegelten, kantigen und klaren Sound gehört. Man sollte ja meinen, dass das bei dem Minimum an Instrumenten nicht so schwierig sein sollte, aber wir alle kennen tausend Beispiele, die das wiederlegen.

 

Die wirklich angenehme Atmosphäre trotz ausverkauften Haus, die schöne würdevolle Ausleuchtung, das konzentrierte Zuhören, der akzentuierte Gesang von Oberst und die Grundierung der wunderbar klingenden Jazzmaster von La Lupa, der fast ausschließlich die tiefen Seiten seiner Gitarre nutzt und sagenhaft minimalistisch, aber so harmoniezugewandt einen großen Teil des Erfolges von gestern Abend beisteuert.

 

Natürlich ist Oberst politisch und man hat ja sowieso den Eindruck das er zur Zeit der richtige Dokumentarist für das große Ganze ist. In diesen Zeit wo sich jeder einigermaßen klar denkende Weltbürger fragt, wie das sein kann mit diesem Trump, braucht man natürlich Männer wie Oberst die den amerikanischen Traum retten für Träumer wie mich oder zumindest darauf hinweisen das auch in der Zerrissenheit politische Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit liegen kann. Seine Ansprache an das Publikum zu dem Thema war dann auch ehr traurig emotional, etwas selbstbetäubt, aber zum Kampf aufrufend und zum Nachdenken.

 

Den Rest der Geschichte kennen wir. Oberst der immer auf dem schmalen Grad zwischen Scheitern und Genie pendelt, der alle Drogen- und Alkoholsachen hinter sich, aber bestimmt auch wieder vor sich hat und den Americana, den Folk und Vorbilder wie Bob Dylan längst hinter sich gelassen hat, weil inzwischen eine Generation von Zuhörern hat die sich das Herz aus dem Leib gerissen haben bei alten BRIGHT EYES Nummern und eine ganz andere Musiksozialisierung durchgemacht hat, als immer auf den alten Mann zu hören.

 

Außerdem scheint Oberst sehr aktiv mit sozialen Problemen und dem Thema Arbeitslosigkeit umzugehen. Denn er hat eigenes für diese Tour einen neuen Beruf erschaffen. Den des professionellen Mundharmonikabefeuchters. Kein Witz! Während des gesamten zweistündigen Konzertes, hat er einen Mitarbeiter auf der Bühne gehabt, der ihm die Harmonikas reichte oder diese zwischenzeitlich in einem Goldfischglas befeuchtete und Luft trocknete.

 

Mit LUA, THE BIG PICTURE und AT THE BOTTOM OF EVERYTHING und somit drei BRIGHT EYES Songs endete das erstaunliche Set, welches neben den Songs von RUMINATIONS mit ROCKEFELLER DRUGLAW BLUES von den FELICE BROTHERS ein tolles Cover inne hatte. 

 

Das neue Label NONESUCH, welches immer beachtenswerter wird, scheint ihm gut zu tun. Das Umfeld aus dem auch die famosen FELICE BROTHERS, Tigran Hamasyan, Chris Thiele, Brad Mehldau oder The Black Keys kommen ist aber auch das derzeitig interessanteste amerikanische Sammelbecken für Musiker.

 

Oberst ist gesund, macht einen sehr aufgeräumten Eindruck. Das Publikum ist zufrieden. Es war ein magischer Abend. Ein sehr, sehr frühes Konzert des Jahres. Mal sehen wer es besser kann…

 

Aus Cape Canaveral

Alan Lomax

 
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