Bright Eyes – Köln E-Werk 21.06.2011

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  22. Juni 2011, 07:19  -  #Konzerte

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Siehe auch http://lomax.over-blog.de/article-bright-eyes-the-people-s-key-66976157.html

 

Im März 2007 spielte Oberst und seine Band „The Bright Eyes“ das letzte Mal in Köln. Damals hatte er schulterlanges, fettiges Haar, wirkte aber ansonsten recht aufgeräumt, gelöst, fast humorvoll. Die Frage, wie die Konstitution des fragilen Musikers nun ist, beschäftigte wohl jeden im Publikum an diesem Dienstag im ausverkauften Kölner E-Werk. Denn Conor Oberst ist wie ein bipolares Panoptikum. Ein menschlich gewordener Gratmesser zwischen Depression und Manie, oder wie Rick Deckard sagen würde, eine tickende Zeitbombe.

 

1997 wurde die Band von Oberst gegründet. Damals galt er als Wunderkind! Bereits 4 Jahre zuvor (Oberst war 13 Jahre) gründete er mit seinem Bruder die Plattenfirma „Lumberjack Records“, dass später in „Saddle Creek Records“ umbenannt werden sollte, in seiner Heimatstadt Omaha, Nebraska! Zwischen 1994 und den frühen Tagen des neuen Jahrtausends nahm Oberst unzählige Platten auf, spielte in vielsagenden, fast vergessenen Bands (u. a. The Faint) und baute sich ein eigenes Universum auf, immer konzentriert darauf nicht den großen Hit zu landen..

 

Die Bedeutung des gesamten Werkes, ist bisher immer noch nicht richtig postuliert worden. Leider! Das Coner Oberst ein Genie ist steht wohl außer Frage. Wie bei vielen, vergleichbaren, vom mannigfaltigen Output getragenen Musikern, ist es leider so, dass man förmlich erstickt wird vom gesamten Werk, inklusive den Bright Eyes Veröffentlichungen der letzen Jahre.

 

Das intensive Songwriting und die bereits angesprochenen unterschiedlichen Geisteszustände des Amerikaners, bilden somit auch sicherlich einen mystischen Kult, um einen der letzten charismatischen Stars der alternativen Musikwelt. Drogen- und Alkoholgeschichten steuern einen weiteren Großteil dazu bei.

 

Das alles und noch viel mehr ist wichtig zu wissen für ein Bright Eyes Konzert, denn wie sollte man sonst die streckenweise, verstrahlte und immer dichte Kunst des inzwischen 31-jährigen verstehen.

 

Das Konzert an diesem Abend in Köln fängt dann auch mit dem Eingangsmonolog der aktuellen Platte an. Aus dem Off hört man die Stimme von Denny Brewer. Vielleicht kann man von Entschleunigung sprechen, die meisten im Saal interessiert es nicht. Wer allerdings die Worte bestimmt aufnehmen wird, wird dann wahrscheinlich den Saal verlassen. Denn Brewers Weltanschauungen sind gefährlich. Sie handeln von Hitler, Physik, Verschwörungen, Außerirdischen etc.

 

Schwierig so was! Im Pop funktioniert das zum Glück, ohne Anzustoßen! Warum? Hier eine gute Antwort: „Oberst sucht nach verschiedenen Zugängen zur Welt ohne sich jedoch den Realitäten zu verschließen“.

 

In den folgenden 2 Stunden allerfeinster Konzertunterhaltungen, gehen mir Milliarden von Gedanken durch den Kopf. Wagemutig werde ich inspiriert. Was auffällt, ist die Fähigkeit der gesamten Band, fremde Genreerkundung zu unternehmen, ohne sich auf eine Schublade der Pop-/Rockmusik beziehen zu müssen. Es ist die scheinbare Leichtigkeit, die das alles hier zu der ganz großen Popkunst verschmelzen lässt.

 

Wie steht es also um den Seelenzustand unseres Helden an diesem Abend? Am treffendsten lässt es sich wohl so beschreiben: „Das Wunderkind ist tot, es lebe der geniale Songwriter“. Oberst erscheint sehr aufgeräumt an diesem Abend. Startet sehr konzentriert, ist nüchtern und man merkt, dass er einen neuen Lebensabschnitt begonnen hat. Streckenweise wirkt er sogar verbissen.

 

Erstaunlich die Professionalität der Show. Abgestimmte Lightshow, Videowand, exzellenter Sound, eine Zugabe für das Hallenpublikum dieser Tage, das von dem Line-Up der Festivalgigs profitiert. Zwischen Southside und Glastonbury muss es für die ganze Band dann auch schwierig gewesen sein, ein Hallenkonzert bei gefühlten 50 Grad ohne Sauerstoff zu spielen. Entsprechend lethargisch war auch das Publikum, vielleicht auch konzentriert zuhörend, was man in Köln, wenn es so sein soll, schon häufiger erlebt hat.

 

Durch das Lichtdesign, der furios eingespielten Band und der Konzentration Oberst’s, bestätigen die ersten Liveeindrücke, den Albumeindruck von „The People’s Key. „Approximate Sunlight“ und „Jejune Stars“ wirken wie beste Bowie Songs, zu besten Bowie Zeiten. Mit Shell Games spielen die Bright Eyes dann auch ihren ersten richtigen Hit seit Jahren. Diese Nummer wird der Band, nach diesem Festivalsommer, garantiert, den unerwünschten und ungeliebten kommerziellen Singleerfolg bringen.

 

Unvergesslich dann „Old Soul Song (for the New World Order) und Lua (im Medley mit Takt it Easy) von der besten (persönliche Meinung) Bright Eyes Platte “I’m Wide Awake, It’s Morning” (2005). Überhaupt ist es diese Platte, die offensichtlich auch Herrn Oberst am meisten Spaß macht. Das Set wird geschlossen mit „Road To Joy“ das Ludwig van Beethoven „Ode an die Freude“ mit einer kreischenden Referenz feiert.

 

„Unsere Freiheit ist ein Witz…wenn Du immer noch frei bist, dann beginne wegzulaufen!“, singt Oberst in dem ergreifenden Song „Landlocked Blues“, dass die Band inzwischen und zum Glück in der Version der Live Recordings: Motion Sickness spielt.

 

Der große Schlusssatz: Schwierig. Vergleichbarkeiten sind noch schwieriger. Der Bowie Vergleich ist schon nicht Einstimmig! Es ist schwer, sich soweit aus dem Fenster zu lehnen. Natürlich muss man auch immer Dylan und andere für deren Zeit wichtige Musiker nennen. Vielleicht ist Oberst einer der großen amerikanischen Folkkünstler und zentrischer Beschreibungsmeister des derzeitigen Zustandes, vielleicht sehen andere das anders. Es bleibt schwer euphorisch und objektiv zu sein, wenn es um diese Liga von Kunst geht. Die Liga der ganz Großen.

 

Alan Lomax

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