Agnes Obel - Aventine

von Rick Deckard  -  26. Dezember 2014, 18:23  -  #Populäre Musik

Agnes Obel - Aventine

Draussen erstrahlt in gedämpftem Rot der Weihnachtsstern, der Himmel war blau, die Luft kalt, ein Tag neigt sich dem Ende entgegen. In dieser ruhigen und ausgelassenen Stimmung läuft im Hintergrund das Album Aventine der Dänin Agnes Obel.

Die Musik passt wie angegossen zu der winterlichen Stimmung, wie ein Handschuh auf kalte Finger. Sie wärmt, sie beruhigt. Agnes Obel singt ausgelassen und doch ertönen die Zeilen bedeutungsschwanger. Die Texte sind kryptisch und erschliessen sich nur schwer.

Musikalisch ist das Album sehr interessant. Nicht nur die Stimme von Frau Obel überzeugt, sondern auch die Konzeption gefällt. Sie singt und spielt Klavier, für die richtige Stimmung sorgt ein kleines Streicherensemble. Die Stimme ist häufig gedoppelt, sie klingt manchmal wie ein verzweifelter Ruf aus der Ferne.

Das digitale Booklet ist vollständig in Schwarz-Weiß gehalten, unheilvolle Wolken schweben durch die Luft und der Name der Sängerin und ihres Albums erscheint in weissen Buchstaben, am Ende ist sie auf dem letzten Foto zu sehen. Der Gesichtsausdruck vermittelt keine Freude, eher ein in sich abgekapselt sein, widerwillig das Innere nach außen kehrend.

Dabei wirkt die Musik gar nicht traurig oder erdrückend, im Gegenteil: Sie ist klar, und präzise im Ausdruck, einfach und prägnant. Diese Ökonomie der Komposition macht sofort auf sich aufmerksam. Der Schwerpunkt liegt auf dem Gesang und dem Text.

Ich habe Musik dieser Art noch nie so gehört. Sie klingt "neu". Sie ist konsequent. Sie folgt klaren Strukturen. Auf der einen Seite ist sie sehr intim, zeitgleich aber offen und universell. Sie hat ruhige, zarte Momente, die sich nie aufdrängen. Die Atmosphäre, die die Songs verströmen, ist aber kaum greifbar. Es ist, als würde man etwas klar sehen und es ist zum greifen nahe, versucht man das aber, so merkt man, das eine Glasscheibe dazwischen steht.

Die Stimme von Agnes Obel klingt ätherisch, manchmal wie die einer Sirene, so rein wie Kristall. Sie kommt einem bekannt vor und ist doch ein wenig fremd und mysteriös. Die warmen Klavier-Akkorde und die Streicher bieten dazu einen willkommenen Kontrast. Organische, aber doch künstlich-entfremdete Musik. Eine interessante Erfahrung.

"Pass Them By" ist so ein Song. In ihm hallt Geschichte wieder, trotzdem klingt er so, als hätte es Musik dieser Art nie gegeben. Klavier, Geige, akustische Gitarre, ein, zwei Streicher. Wunderschön wie die Sängerin Emotionen musikalisch greifbar macht.

Aus Skandinavien kommt immer wieder interessante Musik.

Egal ob Mew oder Kent, Labrador und "jetzt" (das Album kam bereits 2013 heraus) Agnes Obel. Das die Musikerin aus einem Haushalt kommt, in dem über Generationen musiziert wurde, verwundert nicht, nachdem man das Album gehört hat, auch nicht, dass die Franzosen Debussy, Ravel und Satie Einfluss gebend sein sollen, das ist unüberhörbar, v.a. in den rein instrumentalen Stücken (September Song). Dass sie Hitchcock mag, macht sie natürlich sehr sympathisch (das Genie gerät mehr und mehr in Vergessenheit!).

Ein Album und eine Musik, die mir ausnehmend gut gefallen haben. Auf den weiteren künstlerischen Weg dieser Frau darf man sehr gespannt sein.

Rick Deckard

http://www.agnesobel.com​

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