The Specials – Köln E-Werk 24.09.2011
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Im gegenüberliegenden Palladium sieht man die Geister der Gegenwart in der Schlange warten. Leere Gesichter, keine Haltung, Ausdruckslosigkeit! Sie alle wollen zur DJ-Legende Paul Kalkbrenner. Die Leute haben sich schick gemacht. Ab und zu fahren getunte Autos mit sehr gut ausgestatteten Radios- und CD-Anlagen vorbei.
Auf der anderen Seiten warten derweil Menschen ab vierzig Jahre aufwärts, die zwar uniformiert (Doc Martens, Harrington und Fred Perry sind vorherrschende Marken) aussehen, aber Lebensfreude ausstrahlen und sich auf die 2-tone Legende „The Specials“ freuen.
Es nutzt wenig die Bedeutung dieser Band für die britische Musik, für die antirassistische Einstellung, aber auch für die Lebensfreude einer Generation Subkultur zu erklären, wenn man sich in die Reihe auf der anderen Seite einsortiert.
Im Umfeld von Punk und New Wave (!) löste Two Tone Records Ende der siebziger Jahre ein neues Genre aus, vermischte alte Ska-Traditionen der sechziger Jahre und bastelte dazu den Look der zwei Farbtöne schwarz/weiß –two tone-. Mit dieser gleichzeitigen Demonstration der gemischtrassigen Verhältnisse und einer klaren Kernaussage, gegen die aufkeimende rechte Skinheadbewegung in England, bewegte das Label recht viel und hatte eine kurze Zeit mit Bands wie Madness, The Selecter, The Beat und anfänglich sogar den Attractions um Elvis Costello massige kommerzielle Erfolge.
Als DJs noch Musik aufgelegt haben, für die Auswahl ihrer Songs gefeiert wurden und für die Kunst des Live-Mixens, lief Kalkbrenner noch mit Windeln rum. Inzwischen kommt „seine“ angeblich elektronische Musik aus der Laptop-Konserve, noch nicht mal mehr Kopfhörer zum Vorhören seiner Tracks benötigt er mehr. Abgefeiert wird er von der Masse, als Person, die nichts erreicht hat und nichts kreiert hat. Für nichts!
Tanz mit dem Herzen oder Tanz gar nicht, fällt mir spontan dazu ein und unweigerlich denke ich natürlich an Peter Hein und an das Wort Haltung.
Würde ich auf der Seite des Palladiums stehen und nicht verstehen, was ein Ska, ein Special, ein Mod ist, so würde ich denken, dass da dort etwas böses stattfindet. Ebenso, wie ich es von der anderen Seite denke.
Dieser Kulturclash auf der Schanzenstraße vertaumelt sich sowieso schnell. In den achtziger Jahren hätte es Straßenschlachten zwischen den Poppern und den Rude-Boys gegeben. Heute bleiben Fragezeichen zwischen den Gruppen zurück, verändern möchte sich sowie niemand mehr. Warum auch? Haltung und Enthaltung, um dieses Wortspiel zu bemühen.
Der Specials Auftritt im völlig überfüllten und wie immer völlig überhitzten E-Werk, dann ist eine grandiose Aufführung des einzigartigen Musikstils zwischen Offbeat, Schweineorgel und zu Herzen gehenden Bläsern.
Am Anfang ist der Zuschauerraum von der Bühne mit einem weißen Vorhang getrennt. Dann Schattenumrisse der Band, dann weißes Licht, dann die Specials. 60 Minuten lang, voller Energie und Gradlinigkeit!
Wie eh und je macht man sich Sorgen um den depressiven Terry Hall, der unbeteiligt depressiv herumsteht, zwischen den beiden Batterien Lynval Golding und Horace Panter, bewundert die grandios twengelnde Telecaster und den über allen sitzenden Schlagzeuger John Bradburry der die schwierige Aufgabe des A-Rhythmischen Zusammenhalts, unfassbar runter spielt
Einzig und allein Jerry Dammers fehlt. Zu viele unterschiedliche Ansätze führten zur nicht Weiterverfolgung des gesamten musikalischen Ansatzes. So dass, dann auch „nur“ das klassische Programm gespielt wurde. Auf youtube.com kann man sich ein Interview mit den verbliebenen Golding und Panter ansehen, dass sie bei Jools Holland gegeben haben und klar zeigt, dass die Band künstlerisch keine Zukunft hat.
„A Message to you Rudy“ am Ende lässt mich kurz erstarren. Die aus den sechziger Jahren stammende Rocksteadynummer von Dandy Livingstone, ist immer noch eines meiner ewigen Lieblingssongs. Neben einigen Laurel Aitken und Jackie Mittoo Platten, die ich zu der Zeit ebenso erstanden habe, dann allerdings nicht weiter auf der Welle mit geschwommen bin, um weiterzukommen.
„Stop your messing around, better think of your future (…) Creating problems in town“, könnte man nun auch diesem Artikel hier unterstellen.
Es war schön, die Specials noch einmal gesehen zu haben. Kein bleibendes außergewöhnliches Konzert, aber ein Beweis dafür, dass es so wichtig ist, etwas in der Hand und im Herzen zu haben, das man nicht vergisst und immer für sehr edel und großartig gehalten hat.
Alan Lomax