Sind blogs noch zeitgemäß?

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  6. März 2014, 16:55  -  #Kommunikation

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Die Frage muss man sich als kleiner Mitredner im weltweiten Internet tatsächlich stellen? Wir betreiben diesen blog hier nun im sechsten Jahr. Somit könnte man uns sicherlich als Veteranen der deutschen Kulturblogszene bezeichnen. Das macht ein wenig Stolz, insbesondere wenn man feststellt, dass in diesem Zeitraum eine halbe Million Menschen auf diesen Seiten zu Besuch gekommen sind!

Andererseits steigt die Skepsis der Sinnhaftigkeit! Wir gehören zu einer Generation die sich permanent selbst hinterfragt. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Rationalität überwiegt in unserem Alltag und bei unseren Freizeitbeschäftigung. Das ewige Hinterfragen nach dem eigenen Vorteil und dem Sinn einer Sache, weckte bereits oftmals die Begehrlichkeit das Kapitel www. lomax-deckard.de zu schließen!

In den letzten Wochen hatten Deckard und ich im Rahmen unserer eigentlichen Arbeit viel zu tun. Trotz permanenter Aufnahme von Eindrücken, Gedanken, Kunst und Kultur, fehlte doch oft der Antrieb einen kurzen Text zu verfassen, um ihn hier zu veröffentlichen. Gleichsam gingen die Besuche auf dieser Seite zurück. Denn die alte blog Regel, der Regelmäßigkeit des Schreibens, konnte nicht eingehalten werden. Ich selbst hatte mich oftmals bei dem Gedanken ertappt, die ganze Idee und Kunstfigur Alan Lomax nur noch auf Facebook zu betreiben. Die Sprache und die Like-Ökonomie die dort gesprochen wird, ist einfacher, schneller, plausible und Aufmerksamkeitsstärker.

Doch dann bin ich mir wieder bewusst geworden, was das hier eigentlich soll und wo der zählbare Nutzen –für mich selbst– liegt?

Die Frage „Wer bin ich?“ ist scheinbar banal! Ist aber für diesen Komplex hier von entscheidender Bedeutung: Als Kind der 1970er Jahre und Mensch der sich professionell mit dem Thema Kommunikation beschäftigt, ekelt mich nach wie vor der Gedanke an unsachlicher Information und oberflächlichem Interesse, an von anderen Menschen geschaffener Kunst und Kultur, an.

Die 1980er Jahre haben dazu beigetragen, dass das Selbstbild meiner Generation unharmonisch ist. Was aber nicht als negativ zu bewerten ist. Denn alleine die eigene musikalische Zuordnung zu einer Subkultur hat viele Menschen, die ich kenne und ebenso alt sind wie ich, zu dem gemacht, was wir sind, was wir sehen, hören oder lesen. Ein langer Zeitraum von damals bis heute! Und ich kenne viele Menschen, die sich noch immer mit der Musik von damals identifizieren und sich die Einstellung von damals bewahrt haben. Glaubwürdigkeit und Authentizität sind die verbalen Kampfschwerter die, die 40 – 50 jährigen heute gerne noch hinhalten.

Unsere Zielrichtung für diesen blog war immer klar formuliert: Leidenschaft, Neugierde und Archivierung der selbigen Ansätze! Das Leitzitat unseres Mentors Martin Scorsese war schnell gefunden und somit hatten wir einen roten Faden um dieses Image zu transportieren.

Trotzdem funktioniert die Außenwirkung nur marginal. Denn wie soll ein zufälliger Besucher auf lomax-deckard.de verstehen, was wir zu sagen haben? Die Vielzahl der Einträge. Das wirre Geschreibe, die Komplexität unserer beiden Charaktere und deren Interessen sind kaum für eine Leserbindung nutzbar. Denn natürlich setzen diese ein persönliches Interesse an dem Autor voraus. Und ich will mich jetzt nicht als Märtyrer positionieren. Aber was haben wir schon zu sagen? Außer das wir eine Seele  und ein Innenleben haben. Ebenso wie alle anderen auch.

Schlimmer als die Bedeutungslosigkeit allerdings, ist, die zunehmende Professionalisierung und die damit zunehmende Ressourcenplanung für den semi-professionellen Betrieb einer solchen Seite. Google lässt einem kaum die Wahl! Man muss schon ein professionelles Unternehmen beauftragen, um regelmäßig geadded zu werden. Das kostet! Die paar Cent die hier über die Werbung reinkommen, gleichen nicht mal die Premiummitgliedschaft bei unserem Provider aus. Von dem Aufwand, eine gleichmäßige Kommunikation über Forenbeiträgen oder Kommentarfunktionen mal ganz abgesehen! Denn zentrale Tätigkeit soll doch das Schreiben über die eigene Begeisterung sein und nicht der Aufbau eines Abteilung gegliederten Kleinunternehmen.

Blogs haben die beste Zeit hinter sich! Diesen Satz lese und höre ich in letzter Zeit sehr oft! In der Addition des aufgeführten Selbstmitleids fehlen noch weitere Attribute, um sich dann die zentrale Frage selbst zu stellen: Will ich noch wirklich weiter bloggen? Habe ich Erfolg? Erfüllen sich meine Erwartungen! Verstehen andere Menschen überhaupt meinen Antrieb und meine Leidenschaften! Wie verhält es sich mit Neidern und ewigen Ignoranten? Warum bekomme ich so wenig Feedback und wenn ja nur über einen hochgestellten Daumen via Facebook? Und so weiter!

Sie sehen es selbst! Einen blog zu schreiben und zu betreiben, ist ein ständiger Kampf mit sich selbst!

Und zu dem kommt dann auch noch die zentrale Frage, ob das alles noch zeitgemäß ist?

Meine Damen und Herren, verehrte Leser, all das ist der komplett falsche Ansatz! Denn die Frage nach der Sinnhaftigkeit und dem zeitgemäßen Nutzen stellen nur frigide Nörgler, ständige Faulpelze und Neider!

Ein persönlicher Blog ist ein Heilmittel! In Zeiten wo täglich hinterfragt wird wie unterschiedliche Kommunikations- und Dialoginstrumente sich gegenseitig ausspielen, ist ein persönlicher Blog wie dieser hier, so etwas wie der Hotelportier in dem furiosen deutschen Stummfilm „Der letzte Mann“ von F. W. Murnau (1924).

„Heute bist Du der Erste, geachtet von Allen, ein Minister, ein General, vielleicht sogar ein Fürst – Weißt Du, was Du morgen bist?!“

Mit diesen Worten startet die Parabel über die Wechselhaftigkeit des Lebens. Die Adaption für die zentrale Frage die ich mir hier stelle, liegt nahe: Meinen subjektiven Standpunkt kann nur, ein solch heroisches Bild übertragen! Denn gescheiterte Unternehmungen, können nur durch flagellantes Verhalten oder durch Selbstironie gestärkt werden.

Aber ich will hier nicht Trauer blasen und ein gelegentlicher Gedanke des Scheiterns muss gestattet sein. Werden wir also pathetisch, denn das kann nur die letzte Flucht der Erklärung sein!!! …wo es doch mit der Selbstironie scheinbar nicht geklappt hat!

In Zeiten wo alle Medien, Zeitungen und Kulturjournale von einander abschreiben, wunderbare Musikstücke, famose Filme und grandiose menschliche Leistungen nur noch mit einem I LIKE bewertet werden, muss gekämpft werden. Und zwar mit langen Erklärungen, mit leidenschaftlicher Hingabe und einem wahrhaftigen Interesse an dem was wir lieben.

Die Digitalisierung von dem was wir lieben zerstört unser Verständnis für die Gestalt für das Äußere, auch für die Einstellung, die Attitüde, dem Auftreten und dem Benehmen. Kurz dem Habitus!  Das langfristige beschäftigen mit etwas Greifbaren, wie einem Buch, einem Text, einer Schallplatte, einer CD, einer DVD, einem Kunstwerk oder etwas anderem Schönen ist existenziell.

Ebenso existenziell ist das Schreiben über diese Dinge. Und selbst wenn es nur zur selbst-analytischen oder selbstarchivarischen  Befriedigung dient. Ich kämpfe weiter! Das ist meine Entscheidung!

Alan Lomax

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