Mood Indigo – Helge Schneider Kölner Philharmonie 13. Februar 2010

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  14. Februar 2010, 14:15  -  #Konzerte

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Während ich versuche das gestrige Helge Schneider Konzert zu verstehen, höre ich VANS JOINT, die aktuelle Aufnahme der WDR Big Band mit Bill Evans, Dave Weckl & Mark Egan. Eine perfekt eingespielte Jazzorgie von grandiosen Musikern, mit herzerfrischenden fröhlichen Harmonien und tadellos funktionierenden Grooves. Jede Note, jede Note ist akzentuiert und punktgenau gespielt. Michael Abenes Arrangements sind komplex, dicht und wenig sperrig für Jazzeinsteiger und nie langweilig für Jazzmusikprofis. Eine alltagstaugliche Aufnahme die selten satt macht. 

Ebenso alltagstauglich ist ein Abend mit Helge Schneider. Nun bin ich seit Jahrzehnten begeisterter Schneider Jünger. Ich finde seine Kunst unvergleichlich, habe einen riesigen Respekt vor seinen musikalischen Fähigkeiten und halte ihn für den lustigsten Mann Deutschlands. 

Seine „Karnevals-Konzerte“ am Freitag, Samstag und Sonntag jedes Jahr sind inzwischen Tradition geworden. Inzwischen kommen meine Kinder (Little Ls) mit, Mrs. Lomax und ein wechselnde Mannschaft von Freunden, Familienmitgliedern und Bekannten. 

Der Karnevalssamstag ist atmosphärisch ein besonderer Abend in Köln. Kaum jemand der nicht feiert oder irgendwie unterwegs ist. Nun hat Helge Schneider mit dem Karneval so viel zu tun, wie der Papst mit dem Dreigestirn. Denn in seiner grundsätzlichen Auslegung bleibt seine Kunst, die Improvisation. Die wohl einzige geltende Schublade ist dann auch der Jazz. Eine ebenso weit entfernte Gleichung zum Karneval, wie der Papst zu Bauer, Jungfrau und Prinz. 

Aber warum eigentlich? Der Jazz ist wild, ist nicht vorhersehbar und unangepasst. Ebenso wie der Kölner Straßenkarneval. Und so fügen sich geheimnisvoll die Bestandteile zusammen. Ein Grund warum die Helge Schneider Termine, seit Jahrzehnten, ihren festen Platz in der Kölner Philharmonie haben und immer ausverkauft sind.  

Ich habe es bereits im letzten Jahr geschrieben und wiederhole mich nur gern:http://lomax.over-blog.de/article-28316983.html . Denn, dass Schneider ein genialer Entertainer ist steht außer Frage. Ein Spaßmacher im besten Sinne, mag für jeden Menschen selbst entschieden werden. Denn sein Humor ist albern, da muss man sich drauf einlassen können. Aber sein, Wiederholung(!), Talent Jazz Musik an den Mann zu bringen ist faszinierend. Und obwohl er das nie zugeben würde, letztendlich ist es seine Botschaft! So spielt er am Ende seiner 2,5 h Aufführung auch Duke Ellingtons „Mood Indigo“ ohne wenn und aber, ohne Klamauk, aber fast mit Pathos und Ernsthaftigkeit. 

„Mood Indigo“ ist ein scheinbar einfacher Jazzstandard, der eine klare Form verfolgt. Thema-Interpretation-Thema. Der improvisierte Teil stellt in Ellingtons Original Partitur eine Variante vom Thema vor. 

Ellingtons Intension war es allerdings die traditionelle Bläserarrangements der damaligen Zeit auf den Kopf zustellen. Er verdrehte die Aufgaben der Holz- und Blechblässer und schaffte eine völlig neue Klangfarbe. Schneider weiß das, kann es mit seiner Combo natürlich nicht umsetzen, vermittelt sein Wissen aber, in dem er versucht Trompete und Saxophone gleichzeitig zu spielen. Was ihm natürlich nicht gelingt, aber ein schöner Verweis ist. Die Langsamkeit der Nummer, mit seinen dissonanten Harmonien spielt er auf dem „hässlichen Instrument Saxophone“ allerdings wie kein zweiter lebender Saxophonist, den ich kenne. Ich kann es mir nur einbilden, vermute aber Momente der Einzigartigkeit. Ein Geschenk für sich selbst ist es auf jeden Fall. 

Jeder gute Clown der Unterhaltungsgeschichte, hat seine traurigen nachdenklichen Momente. Bei Helge Schneider Auftritten sind es eben diese. Die nachdenklich machen. Man spürt seinen Wunsch, ernsthafte Musik zumachen, weiß aber, dass er gefangen ist. Vielleicht ist das aber auch sein Geheimnis. 

Das er aber auch ein Meister der sinnlosen Sätze ist, beweist er mit einer kurzen Höraufführung aus seinem Buch „Globus Die“. Mit glasklarer Stimme spricht er einen Nordpol Expeditionsleiter der die Kälte nicht mehr erträgt und 6 cm vor Erreichen seines Ziels aufgibt und umkehrt. Famos! Sein Erzählstil ist gelinde gesagt authentisch und sein Witz auf den Punkt. Wieder eine andere Seite, die zeigt, dass nicht nur die Improvisation funktioniert, sondern auch einiges Einstudiertes. 

Es muss ja nicht sein wie bei Michael Abene, aber ein paar punktgenauere Anekdoten wären wünschenswert.

Alaaf!
Alan Lomax 

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