Jan Ullrich, Doping und der Radsport - Ein Kommentar

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  10. Februar 2012, 09:28  -  #Sport

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Dieser Mann kann einem wirklich leid tun.

Ohne seine Taten entschuldigen zu wollen, die kriminell waren und geltendem Recht widersprechen, kommt er einem fast wie ein Sündenbock vor, der für die Misere in diesem Sport herhalten muss. Ich erinnere mich noch zu gut an die euphorischen Kommentare der Reporter, die seine Willenskraft und sein Durchsetzungsvermögen, als auch seinen Stil bejubelten. Alles dahin. Gericht. Prozess. Anklage. Schuldig!

Sport, das Leben, besteht eben nicht nur aus Ruhm und Erfolg.

Die Kehrseite der Medaille sehen wir hier. Genauso wie man mit Sportlern mitfiebert, die erfolgreich sind und gewinnen, ist es auch notwendig mit denen zu fühlen, die es nicht sind. Über eines sind wir uns doch im klaren, und das ist mittlerweile Konsens, es scheint keinen zu geben, der im Radsport unbefleckt ist. Die ganz schlauen stehen bei dieser Aussage an vorderster Front und schreien "Der war halt so blöd und hat sich erwischen lassen!" Ich verabscheue dieser Art Argumente, denn was sagt dieser Satz im Umkehrschluss aus? 

Sport ist leider nicht mehr Sport, so banal sich es anhören mag. Zu sehr stehen die Athleten in fast jeder Sparte unter enormen Druck. Der eigene Ehrgeiz, die Erwartungshaltung der Gesellschaft und der Finanziers, die medial angeheizte Gier nach Ruhm und Unvergänglichkeit.

Was für Gedanken mögen Ullrich durch den Kopf gegangen sein, als er sich zu dieser Tat durchgerungen hat? Welchen widerstrebenden Einflüssen mag er ausgesetzt gewesen sein? Wir können es nur erahnen.

Das Feld Doping ist mittlerweile so groß und undurchsichtig geworden, dass es mehr als einer Seite bedürfte um es zu erörtern. Was wollen Sportler erreichen? Im einfachsten und offenkundigsten Fall: Höchstleistungen. Wer setzt die Messlatte hier für an? Das ist die entscheidende Frage! Immer schneller, immer höher und immer weiter. Aber der menschliche Körper hat nun einmal Grenzen und kein Mittel der Welt kann diese aufheben. Wann fängt Doping an, wann hört es auf? Hier müssen moralische Maßstäbe aber auch rechtliche gelten.

Wer ist dann Schuld an dem Debakel? Wir Zuschauer, die wir immer mehr Sensationen erwarten? Die Medien, für die nur das Spektakel zählt? Die Sponsoren, für die nur die Einnahmen zählen? Vermutlich alle. 

Nochmals: ich verteidige weder den Sportler Jan Ullrich, noch seine Tat. Aber gerade im Radsport ist Schwarz-Weiss Denken unangebracht. Oder glaubt jemand wirklich daran, dass ein Lance Armstrong ... . Ich mag es gar nicht aussprechen.

Es ist wirklich bedauernswert, denn die 'Tour de France' war eine der aufregendsten sportlichen Veranstaltungen eines jeden Jahres. Große Aufnahmen, französische Landschaften, viel Dramatik, Sport & Kultur. Gerade letzteres war immer etwas besonderes.

Mit der Verurteilung von Jan Ullrich ist der Tiefpunkt erreicht.

Ein Trauerspiel und Hoffnung scheint nicht in Aussicht.

Rick Deckard

Foto: Copyright Bernd Thissen, dpa

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