Homeland - Jazz, Paranoia und Psychosen
Als der I. Golfkrieg begann, äusserte ich einem damaligen Freund meine Besorgnis, dass wieder ein Krieg die Welt erschüttere. Sein zynischer Kommentar: "Ist doch gut, dann gibt es wieder Computerspiele und neue Filme!"
Er behielt recht. Hollywood hat stets die jüngere und weiter zurückliegende Historie filmisch aufgearbeitet, sei es Vietnam, der Korea-Krieg oder jüngst die Bedrohung durch den Terror, siehe u.a. auch Zero Dark Thirty. Die Filmindustrie interessiert dabei weniger eine kritische Auseinandersetzung mit den Mitteln des Kinos, als viel mehr die pure Unterhaltung. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel: Apocalypse Now, The Deer Hunter, Coming Home.
Nun also widmet sich die Traumfabrik dieser neuen und anhaltenden Bedrohung durch den Terror mit dem Stilmittel der Fernsehserie.
Zu sehen ist die Arbeit des CIA und ihrer Mitarbeiter, die versuchen jeden Tag alles zu unternehmen, um auf eigenem Land nie wieder verletzt zu werden. Im Mittelpunkt steht dabei die junge CIA Agentin Carie Mathison. Mathison ist der Ansicht, dass ein nach Jahren in die Heimat zurückgekehrter Marine ein umgedrehter Schläfer sei, der in Kürze ein Attentat auf das Land ausüben wird.
Ein Land im Zustand der Paranoia. Ein Stichwort welches in den 70'er Jahren in Hollywood filmisch brilliant umgesetzt wurde (siehe Regisseure des New Hollywood). Damals war es eine Bedrohung von innen, nach 9/11 ist es eine von aussen. Niemandem kann man trauen, alles und ein jeder sind verdächtig. Dass Angst und Sorge um die Sicherheit des Landes auch in der Realität begründet sind, sah man jüngst wieder nach dem Anschlag in Boston.
Der von Claire Danes verkörperte Charakter der Carrie Mathison leidet unter einer Psychose, die sie mit Tabletten behandelt. Die Ursache dieser psychischen Erkrankung ist dem Zuschauer nicht bekannt. Bei einer Psychose kommt es zu einem vorübergehenden Verlust des Realitätsbezuges. Der Reiz der Handlung besteht darin zu sehen, wie eben dieses Krankheitszeichen sich mit der ständig grassierenden Paranoia vermischt, sich wieder von ihr löst um dann noch stärker mit dem Verfolgswahn verbunden zu werden. Dass das eine seelische Höchtbelastung darstellt, wird von Danes mimisch und physisch vorzüglich dargestellt.
Die Erzählstruktur der Serie bietet im Grunde nicht viel neues, weiterer Verlauf und Entwicklung der kommenden Staffeln sind absehbar (Standard bei den meisten Serien dieser Tage mit wenigen bekannten Ausnahmen). Der Pilot und die erste Staffel bieten aber erstklassige und hochspannende Unterhaltung mit ein wenig Tiefgang. Wie zu erwarten wird sich jedoch mit dem Thema der Bedrohung durch den Terror wenig differenziert auseinandergesetzt, im Gegenteil, manche Szenen und Sequenzen wirken eher plakativ und dienen eher dem Stereotyp, als dass sie diesen entkräften. Schade, denn das Format der Serie bietet einen entscheidenen Vorteil gegenüber dem Kino: Zeit. Vermutlich ist aber das Publikum gar nicht an solchen Dingen interessiert, die Macher werden schon wissen, warum etwas wie gedreht wird.
Beiläufig sei erwähnt: Die ureigenste musikalische Erfindung Amerikas, der Jazz, dient als Soundtrack für eine Serie, in der es um die Bedrohung durch den Terrorismus geht. Ich weiss gar nicht mehr, wann aktuell im Medium Film Namen wie Miles Davis oder John Coltrane zuletzt gefallen sind? Ein positiver Aspekt der aktuell auf DVD erschienenen und preisgekrönten Erfolgsserie ist die Tatsache, dass nicht nur die Namen dieser berühmten Musiker fallen, sondern deren Musik in vielen Szenen auch im Hintergrund zu hören ist. Die Musik des Jazz passt "merkwürdigerweise" sehr gut zu den Bildern und der Handlung.
Homeland ist in der Summe gute bis sehr gute Fernsehunterhaltung. Stilistisch ist die Serie gut gemacht und unterhält zeitweilig auf hohem Niveau. Der Titelvorspann ist hektisch geschnitten und musikalisch untermalt. Die einzelnen Folgen sind kurzweilig und z.T. äusserst spannend. Es bleibt abzuwarten wie sich die Serie weiter entwickeln wird. Grosse Hoffnung habe ich nicht.
Unser Blog und öffentliches Tagebuch hat einen Vorteil: Lesen Sie bitte nach, wie seinerzeit Kompagnon und Mitstreiter Alan Lomax über die Serie dachte, welchen Zugang er fand und was ihn damals beschäftigte:
Rick Deckard