Black Rain von Hans Zimmer

von Rick Deckard  -  26. Oktober 2012, 16:46  -  #Orchestrale Musik

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Sich bei der Bewertung von Musik zu lösen von seinem Geschmack, der eigenen musikalischen Sozialisation und seinem musikalischen Weltbild ist ein äusserst schwieriges Unterfangen, eigentlich fast unmöglich.

Das Label La La Land hat vor kurzem in einer gewohnt umfassenden Edition die Musik zu dem Ridley Scott Film neu veröffentlicht. Mit Hans Zimmer stehe ich seit Beginn meiner Leidenschaft für Filmmusik auf "Kriegsfuß", wenn auch bei weitem nicht so martialisch zu verstehen. Zimmer spaltet seit jeher das Lager der Filmmusikhörer. Die einen können seine Musik nicht ertragen und verunglimpfen fast alles was erscheint, die anderen halten Zimmer für ein verkanntes Genie und können seine Scores gar nicht hoch genug preisen.

Nun sind diese Wieder- und Neuveröffentlichungen nicht gerade günstig und bei der Vielzahl an Veröffentlichungen überlegt jeder leidenschaftliche Hörer, für welche Musiken er seine 5 Cent investiert. So erging es mir auch. Nur: ohne die Musik zu hören, kann man sich keine Meinung bilden. Also ging ich das Risiko ein und hörte mir diese Musik in den letzten Tagen genau an. Risiko deswegen, da ich kein Freund der Kompositions"kunst" eines Hans Zimmer bin, ohne sie abwerten zu wollen (wer bin ich schon, so etwas tun zu können und zu dürfen?).

Man ist häufiger geneigt Filmmusik stets abseits der Bilder zu bewerten, insbesondere als leidenschaftlicher Sammler. Die Musiken eines Hans Zimmer auf diese Weise zu kritisieren wäre nicht nur "ungerecht", sondern schlicht falsch. Den Scott Film habe ich lange nicht mehr gesehen, aber er ist mir als stylischer Thriller mit einer guten Geschichte in Erinnerungen geblieben. Zimmers Musiken sind in Kombination mit den Bildern sehr effektiv, das muss man anerkennen. So zuletzt auch bei 'The Dark Knight Rises'. Aber abgekoppelt von den Bildern kaum erträglich.

Das ist bei 'Black Rain' nicht ganz so. Die erste Disc besteht aus 14 Titeln und insgesamt 74:09 Minuten Spielzeit. Da ich den Stil eines Zimmer kenne, habe ich die 74 Minuten in drei Teile gesplittet und jeden Track mit grosser Aufmerksamkeit gehört sowie parallel dazu die Liner Notes mit den Analysen gelesen. Keine Frage: Die Musik hat einen gewissen Unterhaltungswert. Neben einem Orchester, dirigiert von Shirley Walker, bestehend aus einem grossen Streicherensemble, Blechbläsern und Gitarre benutzt Zimmer ostasiatische Instrumente (Flöte und Schlagwerk) und Synthesizer um die stilisierten Bilder eines Ridley Scott zu unterstützen.

Das ist im Einzelnen durchaus spannend und hörbar, ermüdet aber auf einer Dauer von über 70 Minuten. Liest man in Foren oder auf entsprechenden Filmmusiken-Seiten im Internet, so fällt in Zusammenhang mit Zimmer immer das Wort Sound-Design.


Löst man sich von der Vorstellung, dass Filmmusik stets orchestral und komplex zu sein habe, fällt einem das Hören von Zimmers Musik leichter. Sich an den vielen Action- und Thriller-Elementen des Films orientierend ist die Musik getrieben von wuchtigen und sich wiederholenden Synthesizer Rhythmen, die immer wieder den Klang der einzelnen Stücke prägen. Daneben benutzt Zimmer die Synthesizer aber auch um musikalische Stimmungen zu erzeugen, die einen ambienten Klangcharakter haben. Es sind sphärische und warme Töne, die in Kontrast zu den metallisch-hämmernden Clustern stehen. Trotz des hohen Anteils an Streichern, darf man bei 'Black Rain' aber keine üppigen Streicherfiguren ala John Williams erwarten. Zimmer baut diese eher geschickt in seine Gesamtkomposition ein.

Im Grunde genommen ist der Begriff des Sound Design für die Art Musik, die ein Hans Zimmer macht, nicht ganz richtig. Vielleicht wird dieser Begriff nur gerne gewählt, da er seiner Bedeutung nahe kommt. Denn Sound Design ist die Arbeit an allen akustischen Elementen eines Filmes, mit Ausnahme der Musik. Es ist aber dieses "designen" von Tönen und Klängen, die das Hören vieler (nicht aller) Filmmusiken von Zimmer so schwierig macht.

Diese wie auch andere Kompostionen klingen repetitiv-ermüdend und simpel gestrickt. Man gewinnt vielfach den Eindruck, dass hinter der Kompositionen keine grosse Arbeit, kein kompositorisches "Können" steckt. Trotzdem er in 'Black Rain' viele kleine Themen und Motive entwickelt, sich einem asiatischen Idiom annähert und auch ein sehr schönes melancholisch-melodisches Thema für einen der Protagonisten schrieb, kommt man, komme ich, nicht umhin diese Musik als "durchschnittlich" zu bewerten. Es überkommt einem das Gefühl, dass viele andere Job-suchende Komponisten in Hollywood ebenso in der Lage wären eine solche Musik zu schreiben. Vielleicht ist das aber auch eine überhebliche und ignorante Auffassung. 

Damit komme ich an den Anfang des Beitrages zurück. Wahrscheinlich ist man einfach nicht in der Lage "objektiv" über Musik zu urteilen. Ich empfinde trotz der grossen Mühe, die ich mir bei 'Black Rain' gegeben habe, keine besondere persönliche Wertschätzung für diese Filmmusik. Zimmer ist und bleibt ein sporadischer Ausflug und ein grosser Widerspruch in der grossen Landschaft der Filmmusik. Schlichte einfache Melodien und (bewusst polemisch) "Synthie-Gewummer" bleiben sein Stil und Geschäft.

Abseits davon ist die Musik von 'Black Rain' für einen "Zimmerianer" in der hier präsentierten Form vermutlich eine Offenbarung.

Auf Disc 2 sind Songs zu hören von Iggy Pop, UB 40, Soul II Soul, Ryuichi Sakamoto, Les Rita Mitsouko and Sparks sowie Gregg Allman. Auf den Titeln 7-10 sind eine 'Black Rain Suite' zu hören auf einer Länge von 21 Minuten, 11-18 sind Bonus Tracks und Alternative Versionen.

Aus Osaka,

Rick Deckard

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