Bang My Can - Pascal Schumacher Quartet

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. September 2011, 16:10  -  #Jazz

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Man hat immer eine Wahl.

Sich anders zu entscheiden wird häufiger belohnt als man glaubt. Um was es geht? Sich lösen von den alten Helden. Eine Massgabe, die besonders im Jazz immer häufiger an Bedeutung gewinnt. Es gilt Assoziationen zu trennen.

Ein Beispiel gefällig: Was fällt Ihnen zum Vibraphon (im Jazz) ein? Die Antwort kommt wie aus der Pistole: Lionel Hampton, Milt Jackson und Cal Tjader. Ach ja und Roy Ayers natürlich! Das meine ich. Ich will die Verdienste der Herren um dieses Instrument in keiner Weise schmälern, nur gilt es sich die Frage zu stellen, ob man immer wieder zurückkehren will in altbekannte Gefilde und es sich bequem machen will in der gewohnten Umgebung, oder will man Neuland betreten?

Die Ängste bei Menschen die Musik, v.a. Jazz hören sind klar formuliert: Die Angst vor dem Unbekannten. Was erwartet mich im modernen, zeitgenössischen Jazz? Wer ist Pascal Schumacher? Was macht er für Musik?

Die erste Frage ist natürlich nicht im Rahmen eines solchen Beitrages zu erörtern. Die zweite ist relativ einfach, lesen Sie hier: 

link zu der sehr schön gestalteten Homepage des Musikers.

Es lohnt sich eine Weile auf dieser Seite zu verbleiben. Mich packte ein Satz sofort in der Rubrik 'Profile': "... has been described as a Goldsmith in his art, a boundary-pushing musician, a resourceful improviser and an imaginative composer." Das weckte meine Neugier sofort, denn selten werden Bezüge von Komponisten der Filmmusik zum Jazz hergestellt.

Was macht er für Musik? Ganz einfach: schöne!

Nun gut, Lakonie bei Seite.

Um diese Frage zu beantworten sei ein kleiner Ausflug gegönnt. Denn um Musik, Jazz zu verstehen, sollte man auch wissen um was für ein Instrument es sich handelt was da gespielt wird ... . Es stimmt, ein Schlaginstrument, nicht aber zu verwechseln mit dem Xylophon oder Glockenspiel. Die Platten dieses Instrumentes bestehen aus Metall oder Aluminium und die röhrenförmigen Resonatoren verstärken die Schwingungen der Schläge auf die Platten. Es gibt auch ein Pedal, mit dem der Spieler die Schwingungsdauer modifizieren kann. Ein sehr schönes Instrument, neben dem Saxophon und der Trompete, vielleicht das Vorzeige-Instrument des Jazz, womit wir wieder beim Anfang wären.

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Zum Pascal Schumacher (Vibraphon & Glockenspiel) Quartet gehören:

Franz von Chossy: Piano

Christophe Devisscher: Double Bass

Jens Düppe: Drums

'Bang My Can'. Der Titel klingt wie eine Aufforderung, wörtlich 'Hau auf die Tonne!'. Klingt recht brachial, die Musik ist es keineswegs, das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich habe das Album in einem gehört und ich halte es bei der Musik wie bei der ersten Begegnung von zwei Menschen: Der erste Eindruck ist entscheidend und unauslöschlich. Wie soll ich meine erste Begegnung mit diesem Jazz beschreiben? So vielleicht: Sympathisch, harmonisch, sich nie in den Vordergrund drängend, leicht, Interesse weckend, melodisch und sehr vielfältig. Das würde die Musik gut subsummieren.

En Detail:

1. Inspector 01:09 | 2. Water Like Stone 04:03 | 3. Elmarno 03:37 | 4. Seven Fountains 05:07 | 5. Bang My Can 06:00 | 6. A Fisherman's Tale 04:11 | 7. Metamorphosis 07:16 | 8. 30 Little Jelly Beans 03:43 | 9. Taubenturm 05:31 | 10. No Dance On Volcano Ashes 06:01 | 11. Ghosttrackmusic 04:13

Die CD beginnt mit einem sehr ruhigen, kurzen Intro. Einführung in eine bestimmte Klangwelt. Schumacher alleine übernimmt diese Gestaltung. Das zweite Stück beginnt mit einem repetitiven Bass Intro. Das Thema, die Musik überzeugt durch sich steigernde Rhythmik und Dynamik, wenig Ornamentierung sowie Klarheit und Präzision. Keine Schnörkel, schlicht Simplizität.

In 'Elmarno' dominiert vorerst eine bestimmte Spannung, später kommen perlendes Vibraphon und Piano hinzu. Tempowechsel, Verlagerung und Überlagerung machen die Musik komplex. Die Melodie ist verpackt und nicht sofort zu erhören, phasenweise blitzt die Virtuosität des Leaders auf.

Bei 'Seven Fountains' kehrt Ruhe ein. Relax! Sehr entspannte Musik, schöne Harmonien und deutlich herauszuhörendes Verständnis der Spieler. Der titelgebende Track fällt dadurch auf, dass der Sound, der Klang im Vordergrund steht. Die Töne wirken wie verfremdet in ihrem Klang. Das Arrangement erweckt einen 'poppigen' Eindruck und so langsam hört man sich ein in die Atmosphäre des Albums. Zunehmend wird die Musik interessanter, da das Wechselspiel und der Einklang des Vibraphons und Klaviers deutlich werden.

Interessant deswegen, da die Akkorde bei beiden Instrumenten (grundsätzlich)ähnlich gespielt werden nur im Ergebnis anders klingen.

Mit 'Fisherman's Tale' folgt (meines Erachtens) der erste Höhepunkt der CD. Die Musik klingt wie ein Soundtrack zu einem imaginären Film, leichte und leise Melancholie umweht die Melodie. Die Musik ist leise, emotional, introspektiv.

Es folgt ein weiterer sehr einnehmender Titel mit Namen 'Metamorphosis'. Diese Umgestaltung oder Verwandlung ist deutlich spür- und hörbar. Vibraphon und Piano überlagern sich auf sehr ästhetische Art, Temposteigerung, Dynamik, ja Swing taucht plötzlich auf, gelegentlich hat man den Eindruck eines Rock-Gestus. Schumacher drängt sich mit seinem Spiel nie in den Vordergrund, eher humorvoll kommentiert er die Musik im Hintergrund. Das Stück klingt aus wie ein Lullaby und erstmals kommt mir der Gedanke: Perfekter Jazz!

'Little Jelly Beans' verbreitet gute Laune in kurzer Zeit. Ein Stück geradezu geeignet um den Tag zu beginnen, mit all seiner Energie.

'Taubenturm' ist für mich das beste Stück des Albums. Fast über den Platten schwebend eröffnet Schumacher, das Piano übernimmt. Es werden berückende Klangwelten geschaffen, Emotionen evozierend mit einer wunderschönen Melodie. Auffallend auch das Schlagzeugspiel. Erinnert gelegentlich an die Klassik als Vorbild.

'No Dance On Volcano Ashes' ist eine echte Herausforderung, fast atonal, unharmonisch beginnend. Erst nach 2 min folgt eine "Erlösung", die Musik fliesst, wird verständlicher. Laut und schnell, langsam und leise, als Zuhörer muss man Konzentration aufbringen, dann erschliesst sich dieses Stück sehr gut.

'Ghosttrackmusic' beendet, bzw. rundet das Album ab, so wie es angefangen hat. Die Klänge erklingen aus der Ferne, leise, mahnend, erinnernd. Nicht wundern, dieses Stück ist tückisch, der Effekt stellt sich erst ein, wenn die Musik beendet ist!

Es hat sich gelohnt den Jazz dieses Musikers und seines Quartetts zu hören. Sie ist neu, anders, schmeichelnd, aber auch fordernd und durch die verschiedenen Stilismen und Zitate aus anderen Genres auch immer wieder einladend. Der Vergleich zu Goldsmith ist auf diese Weise sicherlich berechtigt. 

Das Quartet ergänzt sich auf sehr harmonische Weise, keine Ego's, kein sich vehement in den Vordergrund spielen, stattdessen viel Gemeinschaft, Austausch und Ergänzung.

Ich habe meine Wahl getroffen: 'Bang My Can' ist eine wirkliche Empfehlung für die, die ihren Horizont erweitern und neues entdecken wollen, aber auch für alle anderen, da es sich hier um wunderbaren, eingängigen und auch melodischen Jazz handelt.

Rick Deckard

 

 

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