'God Must Be A Boogie Man'- 'Travelogue' von Joni Mitchell

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  18. Mai 2009, 18:31  -  #Populäre Musik

Ich werde meinem Pal, Co-Writer, Song Hunter und Blog Finder Alan Lomax wegen einer Aktion für alle Zeiten dankbar sein: Dass er das gemacht hat, was die 'Doors' und Jim Morrison immer propagiert haben:

"There are things that are known and things that are unknown. Between them there are doors."

Alan Lomax hat diese Tür in der Musik für mich geöffnet und damit den Weg, die Philosophie und die Freude an der Musik in ein neues Universum geführt. Da ergeht es mir wie der Crew der Enterprise und ich bin in diesem neuen Universum immer unterwegs zu neuen musikalischen Welten, wo zwar ausser mir auch schon andere waren, aber vermutlich nie intensiv verweilt sind. 

Warum diese lange Einleitung? Weil sie einen Grund hat! Ende der 90'er, Anfang und Mitte des neuen Jahrtausends pflegten Lomax und ich ein Ritual bei gemeinsamen Besuchen: wir hörten Musik und legten Sessions ein, welche für mich in die persönliche Geschichte eingegangen sind. Zum einen, da Lomax in seinem Element war (werde die Begeisterung, Worte und Mimik nie vergessen), zum anderen, da ich mir vorkam wie Rutger Hauer in 'Blade Runner': "I heard things you people wouldn't believe... ." Lomax wusste, das ich ein Nerd war, der in der Welt der Filmmusik lebte und mit Francis Albert Sinatra den musikalischen Bund fürs Leben geschlossen hatte, also versuchte er diese beiden Welten zu vereinen, besser gesagt die Stile und die Hörgewohnheiten und auf eine andere, eine neue Ebene zu führen. So wurden einfach (aber höchst effektiv!) Sinfonik & Jazz, Croonertum & PoP, Rock & Roll miteinander verwoben. Lomax wusste um meine Fähigkeiten zur Begeisterung und legte am Anfang auch prompt eine Scheibe mit einem viel sagenden Titel auf: 'Return to Forever'-'Romantic Warrior'. Besser geht es nicht, das Stargate wurde geöffnet!

Ich trat ein und diese höchst spannende und aufregende Reise im popmusikalischen Kosmos, bewaffnet mit dem Hitchhikers Guide, liess mich nun bei der o.g. Dame halten.

Lomax ist ein gnadenloser Songhunter, der Boba Fett alle Ehre machen würde: Flink, schnell, allen weit voraus und musikalisch äusserst durchtrieben. Meine Wenigkeit gleicht da eher dem behäbigen Sternenkreuzer, der langsam im Orbit seine Runden dreht ... .

Ich suche im Gegensatz zu Ihm immer meine Vergangenheit, die Ursprünge meiner musikalischen Sozialisation und dabei versuche ich alle Vorlieben auf einen Nenner zu bringen. Herbie Hancock brachte vor einiger Zeit ein Album heraus, welches ausgezeichnet wurde: 'River - The Joni Letters', auf dem er mit vielen Größen der PoP Musik zusammen musizierte. Es war eine Verbeugung vor Joni Mitchell. Das erregte meine Aufmerksamkeit.



Ich schätze Herbie Hancock über alles und bin ein grosser Bewunderer von Ihm. Was also faszinierte Ihn an dieser Frau? So beschäftigte ich mich eine Zeit lang mit Ihr und Ihren Songs, las nach und versuchte einen Zugang zu finden, der jedoch nicht einfach war. Mit 'Folk' habe ich meine Probleme und war mir bei Mitchell nicht ganz sicher was mich da erwartet. Über den Klassiker 'Wer suchet, der findet' wurde ich in dem Online Shop meiner Wahl fündig und hörte in 'Travelogue' hinein und war sofort begeistert! Allein die Namen, die an diesem Album beteiligt waren liessen mein Herz schneller klopfen: Vince Mendoza, Herbie Hancock, Wayne Shorter, Brian Blade, Kenny Wheeler etc. und ein 70-köpfiges Orchester! Da schliessen sich wieder alle Kreise and I returned to forever. Wenn das keine perfekte Symbiose aller musikalischen Stile war: Sinfonik, PoP, Jazz.



Ähnlich dem Tom Waits Album 'The Asylum Years' (siehe Blog) war das eine riesige Entdeckung. Das Album enthält 22 Tracks und ist eine Zusammenstellung der Musik Mitchells aus den vergangenen Jahrzehnten im grossorchestralen Idiom variiert mit allen Versatzstücken des Jazz und PoP. Leider kenne ich die Originale nicht um einen Vergleich zu wagen, aber die Songs in dieser Form dargeboten sind eine Wucht: poetisch, lyrisch, Cinemascope in Reinkultur. Vince Mendoza ist ein perfekter Arrangeur und Leader. Gelegentlich überspielt das Orchester Mitchells Stimme, aber in den allermeisten Fällen bilden Band und die Sängerin eine wunderbare Symbiose, als bestes Beispiel sei hier 'For the Roses' genannt. 'God must be a boogie man' hingegen ein Song in bester Bop Tradition mit einem zurückhaltenden Wayne Shorter, so wie sowieso alle Solisten sich zu Gunsten des Albums sehr zurückhalten. Es sind auch Hits drauf, wie beispielsweise 'Woodstock', welches 'Crosby, Stills, Nash & Young' u.a. zu Ruhm verhalf. Man braucht Zeit um sich die Songs anzuhören und v.a. Muße um sich der Intonation, Phrasierung und dem sonderbaren vokalen Stil Mitchells zu nähern. Das war und ist nicht ganz einfach, aber in jedem Fall lohnenswert.
'Travelogue' ist ein Album welches Menschen, die sich für die o.g. Stile interessieren essentiell ist. Andere werden damit absolut nichts anfangen können. Solche Musik braucht enorm viel Ruhe als auch Hingabe, damit sie all ihre Pracht entfalten kann und ist definitiv nichts für 'zwischendurch'.



Vielleicht noch einige Worte zu J.M.'s Biografie: 

Sie wurde als Roberta Joan Anderson 1943 in Fort McLeod, Alberta, Canada geboren. Mit 9 Jahren erkrankte sie an Polio und begann anderen Patienten vorzusingen. Das Gitarre spielen brachte sie sich selbst bei, heiratete später und trennte sich wieder von dem Folk Sänger Chuck Mitchell. In Detroit feierte sie erste Erfolge, David Crosby produzierte ihr Debüt bei dem Label Reprise. Im weiteren Verlauf war sie sehr flexibel und schwenkte sehr erfolgreich über den Folk zum PoP und v.a. Jazz. 1976 nahm sie mit Jaco Pastorius, dem Bassisten von 'Weather Report', das bekannte 'Hejira' auf. 1977 erschien das Doppelalbum 'Don Juan's Reckless Daughter', welches sehr viel improvisierte Stücke mit Wayne Shorter, Larry Carlton und Chaka Khan enthält.
Charles Mingus (!) war so begeistert, dass er Mitchell einlud mit Ihr zusammen ein Album aufzunehmen, verstarb aber 1979, bevor sie das gemeinsame Album zu Ende bringen konnten. Sie beendete jedoch die Zusammenarbeit und brachte ein Jahr später Ihm zu Ehren das Album 'Mingus' heraus. 
In den 80'er Jahren wand Sie sich der Elektronik zu, nahm auf diesem Feld Alben auf und arbeitete später mit Peter Gabriel, Willie Nelson, Tom Petty und (!) Billy Idol in dem 1988'er Album 'Chalk Mark in A Rain Storm' zusammen.
Enttäuscht und genervt von der Musikindustrie zog sie sich Anfang des neuen Jahrtausends nach 'Travelogue' zurück, bevor 2007 Ihr letztes Album 'Shine' erschien.

Was für ein bewegtes Leben, zumindest aus musikalischer Sicht!

2009 scheint nach vielen 'Track des Tages' Jahren das 'Album Jahr' zu werden und verspricht viele neue und spannende Momente, wenn auch diese in der Vergangenheit liegen.

Ich verweile noch einige Tage bei Joni und breche dann auf zu (für mich) neuen Galaxien.

Enjoy Music!

Der Wanderer zwischen den Welten,

R.D.

Bildquellen: foxnews.com/ AP, Nonesuch Records, The Verve Music Group, Jim Cooper - Associated Press
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