Essen ...

von Alan Lomax und Rick Deckard  -  21. März 2009, 20:49  -  #Kommunikation



... und trinken hält Leib und Seele zusammen. In diesem Falle hat Essen gereicht. Vom 19.03. bis 21.03.09. Aber die Stadt hat meine Seele und damit auch meinen Leib auf Touren gebracht. Eines der schlimmsten Dinge die es im Leben gibt sind Vorurteile, auch ich bin vor Ihnen nicht gefeit. Als mich die Nachricht erreichte, dass ich diese Tage zwecks beruflicher Weiterbildung in dieser Stadt verbringen würde, keimten die üblichen Gedanken auf: 'Gähn, Ruhrpott!' 'Dreck, Beton, Russ und Langeweile!' Was für ein Blödsinn! Im Nachhinein (ist man ja bekanntlich immer schlauer, die Kunst ist es vorher zu sein) schäme ich mich dafür, denn die Stadt war eine kleine Offenbarung.

Eine modernes, spannendes, lebhaftes aber auch ruhiges, grünes und zum Verweilen einladendes Sammelsurium der Erwartungshaltung von Urbanität. Allein die Einfahrt in die Stadt ist für jeden der Architektur liebt wundervoll. Bevor man durch einen Tunnel fährt sieht man rechts und links kleine Wolkenkratzer, die Sonne spiegelt sich an Glasfronten und plötzlich biegt man um die Ecke und fährt durch das klassische bürgerliche Wohnviertel, vorbei an von sprießenden Bäumen gesäumten Allen und prächtigen Bauten.

Interessanterweise ist diese Metropole im 'Pott' nicht eben, sondern hügelig und wenn man vom flachen Land kommt wie ich ist sofort eines greifbar: Urlaubsgefühl. Man mag es kaum glauben. Überall Plakate mit vielen kulturellen Veranstaltungen, auf den Strassen ein Gewusel an unterschiedlichen Menschen und Sprachen sowie ein sich ständig auseinander dehnendes und in sich zusammenfallendes Konglomerat der klassischen Geräuschkulisse einer Stadt. Es pulsierte überall. In der Fussgängerzone ein grossartiges Kino, wie man es aus "alten Tagen" noch kannte mit dem klassischen Eingang und kein Betonpalast mit 40 Kinos. Wow! Fast hätte ich mir 'Slumdog Millionaire' dort angesehen, aber ich bekam es mit der Angst (warum, weiss jemand).

Natürlich sind 3 Tage zu wenig um eine solche Stadt zu erkunden und die Städter unter Euch werden müde lächeln, aber mir geht es nicht um die Erlebnisse eines Dorfdeppen in der Grossstadt. Vielmehr, wie sehr man in vorgefertigten Meinungen lebt und wie schnell diese entkräftet werden können. 

Lomax gab mir per sms den Tipp doch mal in einen bekannten Park zu gehen. Tat ich heute morgen auch. Es war allerbestes Wetter mit Sonnenschein und eine Kälte, die doch erahnen liess, dass der Frühling naht. Herrlich. Also stand ich in der Frühe auf, fuhr los und hielt vor dem Gruga Park. Auf zur 'Orangerie', anscheinend unumgänglich in der Umgebung von Parkanlagen, und ohne grosse Erwartungen hinein in das Grüne. Was ich da zu sehen bekam war unglaublich schön: Der Reif perlte von den Blättern, alles war grün, kleine Berge und Täler und eine sagenhaft frische Luft. Die an jeder Ecke auftauchenden 'Nordic Walker' störten mich nicht, ich war vollkommen befangen nach diesen Tagen: Das soll Essen sein?

Ich war traurig als ich heute zurückfahren musste, hätte ich doch gerne soviel mehr gesehen von dieser "Kleinen Perle auf den zweiten Blick" (Original Zitat Alan Lomax und bereits jetzt massenkompatibel). Mich überkamen aber auch Gefühle des Zorns, über mich selbst, da sich im Leben mal wieder eines bewahrheitet hat:

Man kann nie (und sollte nie) über etwas urteilen, bevor man es gesehen, gehört, gegessen, gelesen oder sonst etwas "ge-geht" hat. Klingt offensichtlich, ist es aber nicht.

Essen war aber (und das zeugt von Ihrer Grossmut) mir gegenüber zu keinem Zeitpunkt böse, sondern hat mich mit offenen Armen empfangen. Das möchte ich hiermit zurückgeben: Falls Ihr in Ihrer Nähe seid, geht Sie besuchen, Sie wird es Euch danken ohne viel zu verlangen, bis auf eines: Offenheit.

Ich freue mich auf 2010.

Euer geläuterter Ruhrpott-Fan,

Rick Deckard
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