FOVOS Alif & Attic Ocean Live in Köln 01.09.2023 674FM Radio Club

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  7. September 2023, 16:12  -  #647FM, #Alan Lomax Blog, #Cologne live, #Feuilleton, #Indiependentmusik, #Konzerte

FOVOS Alif & Attic Ocean Live in Köln 01.09.2023 674FM Radio Club

Der neue, atmosphärisch dichte Konzertraum von Radio 674FM in der Kölner Südstadt hat noch keinen Namen. Das bekannte Kölner Webradio ist erst in der ersten Jahreshälfte an den Ubierring gezogen, da das alte Studio am Aachener Weiher einfach zu klein geworden ist.

674FM ist ein gemeinnütziges Projekt mit etwa 300 Mitgliedern, von denen ca. 100 Radiosendungen produzieren. Der professionell geführte Radiosender finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Fördermittel. Es wird besonderer Wert auf musikalische Vielfalt gelegt, wobei die verschiedenen Genres im Mittelpunkt des Hörerlebnisses stehen. Eine Rotation oder eine algorithmisch gesteuerte Mainstream-Playlist ist hier ausgeschlossen. Die Sendungsmacher haben weitgehend Autonomie bei der Auswahl von Songs, Interviews, Reportagen, Kooperationen oder bei der Veranstaltung von Konzerten in den eigenen Räumlichkeiten. Dadurch wird echte Sub- und Popkultur im eigenen Kulturraum gefördert. Es handelt sich um einen seltenen, bemerkenswerten Zustand, der eigentlich viel häufiger im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion über Werte und das Dilemma in der Musik- und Kulturbranche stehen sollte. Mit dem neuen Online-Auftritt und den Möglichkeiten der neuen Räume wird dies aber sicherlich geschehen.

Die Kölner Band FOVOS Alif wurde vom Radioprogramm "musikabend" ausgewählt und unterstützt bei der Präsentation ihrer ersten EP "Fuck It, I Play The Music I Feel Like Playing", die auf Vinyl und digital erschienen ist. Die bereits etwas bekanntere Düsseldorfer/Kölner Formation Attic Ocean eröffnete den spannenden Live-Abend vor etwa 60 Zuschauern.

Attic Ocean überzeugen direkt mit einem dichten, energiegeladenen und melodischen Gitarrensound, der an Bands wie Slowdive erinnert, aber auch durchaus mit zeitgemäßen Klängen von Bands wie DIIV oder NewDad mithalten kann. Die Band auf Shoegaze zu beschränken würde nicht gerecht sein, da die individuellen Einflüsse der fünf Bandmitglieder hörbar unterschiedlich sind. Sängerin Hanni bringt eine frische Note in den ansonsten nachvollziehbaren Indie-Sound. Die älteren Musikliebhaber können in nostalgische Erinnerungen schwelgen, während die jüngeren für einen Moment, dem noch unbekannten Augenblick entfliehen können.

FOVOS Alif besteht aus lediglich zwei Mitgliedern. Ein schlagzeugspielender Wirbelwind eröffnet das Set, bevor der auffällige Sänger Louis Jörns seine Gitarre ergreift und bereits früh deutlich macht, dass er den Zustand seiner Seele und der Welt, in der sie leben, erklären möchte, ohne sich dabei immer zu ernst zu nehmen.

Matthis Gehlen am Schlagzeug und Louis Jörns als Sänger und Gitarrist gründeten 2019 FOVOS Alif. Nach ihrem ersten Auftritt direkt beim Haldern Pop Festival produzierten und veröffentlichten sie ihre erste EP und spielten einige spektakuläre Support-Shows. Für 2024 ist ein Album und eine erste Tour geplant.

Während der Songs springt der junge Sänger über die Bühne und blickt dabei bedrohlich in die Menge. Wir sehen einen jungen, geborenen Rockstar, der genug Rampensau ist, ohne sich dabei gezwungen zu fühlen. Das Publikum erkennt dies sofort und synchronisiert sich erstaunlich schnell. FOVOS Alif hat als vergleichsweise junge Band bereits eine beträchtliche Menge an Fans gewonnen. Der Song "Prison Of Voices" entwickelt sich sogar zu einem kleinen Hit, bei dem das Publikum in den spannenden Momenten mitsingt – denn es ist nicht alltäglich, dass man in einem Raum voller Menschen steht, die "und Du leitest mich – and you guide me" mitsingen.

Besonders bemerkenswert ist das Finale des Konzerts, das mit einer My Bloody Valentine-ähnlichen Kakophonie endet, während sich Sänger Louis liegend, schreiend und fauchend aus seinem gefangenen Raum zu befreien versucht. Völlig chaotisch, aber auf die bestmögliche Art und Weise immersiv.

Der ständige aufregende Wechsel zwischen lauten und leisen Momenten, Melodie, Post-Punk und Dreampop sowie die Angst des Publikums, etwas zu verpassen und die Offenheit der Spontanität, machen diesen Abend zu einem besonderen Erlebnis.

Die Idee, nach dem epischen, mehrere Minuten langen Wall-Of-Sound, die fast naive und wunderschöne Ballade "2043" alleine auf der Gitarre zu spielen, ist wunderbar reinigend. Die Hoffnung ist noch lange nicht verloren. Nicht immer muss alles schwarz oder weiß sein, gesund oder krank. Oft gibt es Zustände der Mitte. Diese Band vermittelt uns an diesem Abend auf perfide Weise, nicht nur durch ihre Musik und ihre Darbietung, sondern als künstlerischen Akt, dass wir über diese Dinge nachdenken und uns unseren Ängsten stellen sollten, um die Möglichkeiten für Schönheit und wahre Momente zu erkennen.

Irgendwo stand geschrieben: "FOVOS Alif - die vielversprechendste deutsche Band 2023". Hängt man noch ein 2024 dran, kann man auf weitere legendäre Auftritte hoffen.

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