SQUID – Live Gebäude 9 Köln 05.09.2023
Die Band aus Brighton unterliegt einem seltsamen Phänomen: Musikalisch strebt die fünfköpfige Band, danach sich allen Definitionen des Genres zu entziehen. Wenn Squid zwischen pastoralem Jazz und heftigen Hardcore-Ausbrüchen in den Spitzen der Songs stehen, ich selbst als Zuhörer ohnmächtig mitsinge, in erste Dancemoves verfalle, dann tickt das Kino der Einflüsse erst recht wie eine Maschinengewehrsalve in meinem Kopf.
In den letzten Monaten haben Squid diesen Ansatz auf die Probe gestellt, Das neue Album O Monolith wurde auf größeren Festivals zu zeitlich deutlich prominentere Slots gespielt, um sich einem größeren Publikum bekannt zu machen. Denn die Band ist dabei eine nachhaltige Größe zu werden. Bei all dem scheinbar chaotischen Maximalismus gibt es eine tanztaugliche Dringlichkeit. Bass und Schlagzeug sind weit nach vorne gemischt, die Vocals sind wütend, die Kraken Arme des Krautrocks, Math Rocks, des Jazz und sogar klassische Elementen und Soundteppichen, verlagern sich nach hinten und die Weite der Songs, entwickelt sich zu einer bewussten neuen Schlüsselidee, die auch bereits auf dem Debütalbum „Bright Green Field“ zu hören war, nun aber deutlich mehr geworden ist, als ein anfänglicher Post-Punk Kirmes-Adrenalinstoß.
Subgenial entwickelte sich gestern im viel zu heißen Gebäude 9, direkt an vierter Stelle des Sets, der umwerfende Song: „Undergrowth“. Nach hinten raus gespielt mit einer traumhaften Trompete, während sich die Hook nach sechs Minuten zu einem lebhaften und optimistischen Monster entwickelt. Die Unruhe bleibt erhalten und zieht sich eigentlich bis zum Ende mit dem Song „The Baldes“ durch.
Colin Newmann, der seine Texte live vom Tablet abließt und anfänglich, viel zu viele Probleme mit seinem Mikrofon hat, beweist dennoch Gespür für Zeit- und Raum. Die teilweise zur melodischen Schönheit neigenden Bandkollegen unterbricht er konsequent, konzeptionell genial und befeuert den feinsinnigen Haufen mit deklamatorischen Schreien eines Mark E. Smith oder Word Attacken eines David Byrnes.
Manchmal wünschte man sich sein Schlagzeug weg, damit er sich körperlich entfallen kann. Aber wer will schon auf den Beat verzichten?
Im Vorprogramm hat die Kölner Band SMILE gespielt. Es wurde etwas von Post-Punk gemunkelt. So war es aber nicht. Vielleicht könnte SMILE als eigensinnige ganz gute regionale Gitarrenband bezeichnet werden, der aber leider alles fehlt, was SQUID eben haben. Insbesondere ein Klangkonzept, Was heute immer wichtiger wird als nur Inspirationen bei den Bands zu suchen, die sich mittlerweile in allen Algorithmen verordnet haben. Häufig wird an der Stelle von Disziplinen gesprochen.
Und tatsächlich scheinen sich so auch Spreu von Weizen um den kleinen Hype aus Südlondon, der vor einigen Jahren von Dan Carey verursacht wurde, zu trennen. Teilen wir die letzten 30 Jahre in 3 Dekaden ein, so stellen wir fest, dass die Allgemeingültigkeit der Bands, die in der Musikgeschichte einem Hype folgten, auch ebenso schnell wieder verblaste. Was daran liegt, dass Mut „neues“ zu adaptieren und die erste Umsetzung einfach ist, später aber eben oft das Vertrauen fehlt den modularen Aufbau der Kunst zu verstehen und das stetigen Schrauben des eigenen Vorpreschens, bei Richter Avantgarde so viel Kraft kosten, dass eben auch dann die eigene Existenz scheitert.
SQUID sind gerade dabei sich zu verewigen. Bisher haben sie alles richtig gemacht…
Vom Ende des Piers
Alan Lomax