The Last Duel - Ridley Scott

Sir Ridley Scott hat mich mit seinen zwei zeitlosen Meisterwerken ALIEN und BLADE RUNNER in die filmische Moderne geführt. Ein Künstler, mit dem ich zeitlebens verbunden war und auch heute immer noch bin. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an die Bedeutung und Tragweite dieses Regisseurs für meine große Leidenschaft Film/ Kino nachdenke.

Der mittlerweile 84-jährige (!) Brite ist noch immer äusserst umtriebig und es erfüllt mich mit Zuversicht und Optimismus, dass unsere Helden auf der großen Leinwand und Bühne noch immer die Zuschauer mit ihrer Kunst zu verzaubern vermögen, ob Clint Eastwood, John Williams oder eben Ridley Scott. Sie werden diese Begeisterung vielleicht nicht nachvollziehen können, aber die letztgenannten und viele andere haben mein Leben, meine Sichtweise auf die Kultur und die Auseinandersetzung mit ihr maßgeblich beeinflusst. Lomax und ich lieben unsere Helden und wir brauchen unsere Helden.

Mit THE HOUSE OF GUCCI und THE LAST DUEL hat Scott zwei neue Filme realisiert, die vom Sujet her unterschiedlicher nicht sein können, wobei eines sie im Kern doch eint: Es handelt sich um Kriminalfilme, die nur zu einer jeweils anderen Zeit spielen. Beide Filme zeigen die Wandlungsfähigkeit und Flexibilität von Ridley Scott und wenn auch nicht alle seine Filme Meisterwerke sein können, welcher Regisseur, Künstler, kann das überhaupt von sich behaupten, so einigt sie alle das: Sie bieten stets überdurchschnittlich gute Unterhaltung.

THE LAST DUEL ist wuchtiges, düsteres und episches Kino mit einer kraftvollen politischen Aussage der drei Drehbuchautoren Nicole Holofcener, Matt Damon und Ben Affleck. Es verwundert nicht, dass Scott sich für diesen Stoff entschieden hat, betrachtet man seine filmische Vita mit überragenden Filmen wie beispielsweise ALIEN, THELMA & LOUISE und DIE AKTE JANE, in denen er wiederholt Frauen zu Protagonistinnen, ja Heldinnen Männer dominierterer Welten machte!

Ridley Scott überzeugt in seinem Historienfilm nicht nur mit der ihm eigenen optischen Brillanz, sondern vielmehr mit einer Geschichte, die berührt und einen lange nach Beendigung des Abspanns beschäftigt. Hier finden die drei Autoren und der Regisseur künstlerisch in Wechselwirkung eine gemeinsame Basis auf deren Grundlage sie ihre Geschichte erzählen können. Die Grundlage ist die Achtung der Würde der Frauen.

Bereits die ersten Bilder lassen einen frösteln, weniger wegen der Schneeflocken, die vom Himmel rieseln, sondern wegen der Lebensumstände im Mittelalter. Wenn ich das nächste Mal den Rhein hinunterfahre, dann werde ich die Burgen inmitten der Weinanbaugebiete mit weniger romantisch verklärten Augen sehen (auch, wenn sicherlich nicht alles im "Mittelalter" "düster" war).

Scott lässt uns mitten in das 14. Jahrhundert springen. Kriege allerorten, die gerade vergangene Pest mit ihren fatalen Auswirkungen und der Feudalismus mit all seiner Dekadenz und Niedertracht (ich frage mich immer noch und wieder, warum Menschen in der der Moderne dem Kult der Monarchen huldigen, vor allem in Europa ... ). Schnell wird dem Zuschauer bewusst, welchem historischen Zufall er es zu verdanken hat, in dieser, unserer, Zeit zu leben. Was für ein Glück! Man kann nur erahnen, was für Zeiten das gewesen sein müssen und so ist auch die Bildsprache des Films. Selten bekommen wir einen blauen Himmel oder die Sonne zu sehen.

Inmitten dieser trostlosen Zeiten werden wir zu Beginn Zeuge eines Duells zwischen zwei Männern vor den Augen des Königs von Frankreich. Scott und seine Autoren gehen dabei erzählerisch sehr geschickt vor. Ohne viel verraten zu wollen: Wähnt man sich zu Beginn schnell in einem "dieser Mittelalterepen", genauso schnell vollzieht die Geschichte eine Wendung und der Zuschauer findet sich mitten in einem Spannungsfeld aus Kriminalfilm, Drama und Historienfilm wieder. Durch einen Wechsel der Perspektive mit nuancenreicher Änderung jeweils der Blickwinkel und Spiel mit den Zeitebenen erzeugt der Film eine gewisse Spannung, wenn auch gegen Ende hier und dort eine Verdichtung und Straffung dramaturgisch sicherlich sinnvoller gewesen wäre.

In Zeiten der heutigen (außerordentlich wichtigen) "Me Too"-Debatte, des weltweiten Versuches der (längst notwendigen) Gleichstellung zwischen Mann und Frau und vor allem der Wertschätzung der Frau als gleichberechtigten Menschen liefert THE LAST DUEL zumindest filmisch einen wichtigen Beitrag, wenn auch einen Denkanstoß.

Das wird einem vor allem in den letzten Szenen des Filmes bewusst und man schämt sich für seine männlichen Vorfahren. Ja, Scham ist der richtige Ausdruck. Es fehlen einem die Worte und dass es fast 700 Jahre (!) gebraucht hat, um Änderungen im Denken und in der Handlung von Männern zu bewirken, das macht einen schlicht fassungslos.

Natürlich bildet ein Hollywoodfilm nicht die Realität ab und ein Film steht nicht stellvertretend für all das Wissen und die Literatur, die es notwendig macht zu lesen, um die Historie zu verstehen, aber es ist Verdienst der Autoren und des Regisseurs, dass einem die Thematik zumindest kulturell auf der Ebene des Films näher gebracht wird. Damit sie das nicht missverstehen, ich hätte nicht eines Filmes gebraucht, um mich dieser Problematik zu nähern, jedoch ist wichtig, dass auch die populäre oder Unterhaltungskultur auf das Thema der Unterdrückung und Misshandlung der Frauen aufmerksam macht.

Scott verzichtet auf Pathos, zeichnet ein ungeschöntes Bild des Patriarchats und der Monarchie und liefert in den letzten Einstellungen dieses Films die vielleicht denkwürdigsten Bilder seiner Karriere (achten Sie darauf, wem das Volk zujubelt).

Der Film ist sehr düster, grimmig, überall ist Kälte, Dreck und Schlamm, es sei denn man frönt der Dekadenz bei prasselndem Kaminfeuer. Es wurde viel Wert auf das Setdesign, die Kostüme und die Ausstattungen gelegt und ... die Frisuren und ihre Farben, das ist ein höchst amüsanter Nebenaspekt dieses Films: Matt Damons Frisur wird zusammen mit der der von Javier Bardem aus NO COUNTRY FOR OLD MEN in die Geschichte eingehen. Unfassbar, und wer glaubt diese Frisuren gab es nur vor 700 Jahren, der möge sich Gregor Kobel in seinem Interview nach dem gestrigen Spiel ansehen. Das Mittelalter regiert weiterhin und das nicht nur in der Bundesliga. Ben Affleck mit seinen blonden Haaren ist eine echte Lachnummer, aber der Mime versteht es sie mit Würde zu tragen. Ich habe ihn zu Beginn kaum wiedererkannt. Sagenhaft.

THE LAST DUEL wartet mit sehr guten und kraftvollen schauspielerischen Leistungen auf, allen voran Jodie Comer, die mit ihrer Leistung den Schmerz und die Zerrissenheit physisch spürbar macht. Großartig gespielt, zumal sicher nicht einfach in der Rollenausgestaltung.

Ridley Scott hat mich mit diesem Film überzeugt, dass es immer noch möglich ist, gute Filme zu drehen, wenn man nur über das nötige Talent verfügt. Bedauerlicherweise, gerade bei diesem Thema!, ging der Film im Kino wegen der Corona-Pandemie unter. Es bleibt zu hoffen, dass er bei den Streaming Plattformen Erfolg hat. Angesprochen auf den Verlust an den Kassen äusserte der Brite im Interview:

"I think what it boils down to - what we've got today are the audiences who were brought up upon these fucking cell phones. The millennian do not ever want to be taught anything unless you are told it on the cell phone."

Ich freue mich auf HOUSE OF GUCCI.

Aus Frankreich,

Rick Deckard