Mare of Easttown

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  8. Juni 2021, 13:04  -  #Fernsehen, #serien, #Feuilleton

Mare of Easttown

Mare of Easttown - Siebenteilige Miniserie HBO von Brad Ingelsby

 

Neben der fantastischen Kate Winslet in der Hauptrolle, als ewig schlecht gelaunte Mutter, Frau und Ermittlerin ist der Bundestaat Pennsylvania, der Star, der Serie Mare of Easttown.

Pennsylvania ist geprägt durch dichte Laubwälder und einer recht hügeligen Landschaft. Nicht nur bewanderte und geografisch Interessierte werden die Flüsse Susquehanna River und Delaware River etwas sagen. Der Bundesstaat wird in US-Amerikanischen Filmproduktionen gerne genutzt, um die typische amerikanische Mittelschicht (WASP) darzustellen, da es sich um einen echten Arbeiter Staat handelt. Eisen- und Stahlerzeugung und Kohlebergbau, liegen als wichtige Wirtschaftszweige weit vorne.

In Michael Ciminos Meisterwerk The Deer Hunter (1978) lernen wir zu Beginn des Filmes die russischstämmigen Stahlarbeiter Nick, Steve und Michael kennen. Vor ihrer Abreise in den Vietnamkrieg, feiern die Freund eine gemeinsame Hochzeit. Eine einzigartige cineastische Darstellung der Alltags-Realität, der Menschen die in der Gegend um den Mount Baker (Clairton) in Pennsylvania gelebt haben.

Fast 23 Jahre später, sehen wir Det. Mare Sheehan (Kate Winslet) wie sie mit ihrem Van durch die verregneten Gegenden von Easttown fährt. Eastwood könnte auch Clairton sein. Sofort wird der geneigte Zuschauer atomsphärisch in den Michael Cimino Film der Vergangenheit überführt, aber in der Gegenwart hinterlassen. Alleine diese spektakulären Erinnerungen sind es wert, Zeit als Zuschauer zu investieren. Die HBO Miniserie lebt von dieser Bühne in Pennsylvania. Denn eigentlich kann nur hier diese Geschichte funktionieren. Die Tristesse der Gegend ist echt. Hier leben die echten Amerikaner. Hier gibt es keine Täuschung. Das ist purer Realismus und somit auch absolut, fast unerträglich, zeitgenössisch.

Mare of Easttown kann vieles sein. Eine Parabel für den Aufschwung, ein Abgesang der Post-Trump-Ära, eine einfach nur sehr furios erzählte Familiengeschichte, mit einem detektivischen Plot oder die glorreiche Show der Kate Winslet.

Denn auch nach Mare of Easttown bleibt es bis auf weiteres ein Hollywood Phänomen. Es gibt viel zu wenig gute Frauenrollen. Obwohl uns die Gesellschaft und die Medien mehr und mehr neue Rollen und somit neue Stereotypen verkaufen will, wird der normale Mensch doch häufig vergessen. Männer sind entweder grün oder blau und Frauen gelb oder rot. Mehr nicht und auch nicht weniger. Aber was ist mit den Millionen von Menschen, die ein normales Leben führen. Normale Menschen wie Mare, die einfach zu viel Scheiße in ihrem privaten Leben ertragen musste. Die gefangen ist in einer Nachbarschaft aus Verwandten, Freunden und Feinden. Die zwar einen guten Job als Polizistin hat, aber von ihrem Sozialkreis permanent in Frage gestellt wird? Ihre schlechte Laune, ihre miese Kleidung, der Pappkaffeebecher, die idiotische E-Zigarette und ihre drittklassigen Ausgehklamotten...; aber! Mare ist hübsch und noch viel wichtiger: Sie hat Charakter und Mare Sheehan ist Kate Winslet.

Die Süddeutsche Zeitung hat es treffend geschrieben: „…diese Mare Sheehan wird zum Postergirl der Pandemie“.

Unsere drei Freunde aus dem Pennsylvania der siebziger Jahre, folgten dem Ruf von Uncle Sam, in Vietnam zu kämpfen. Dabei wollten sie doch einfach nur ein normales Leben führen, Trinken und auf die Hirschjagd gehen.

Die drei Protagonisten in der HBO Serie: John, Billy und Kenny hätten im wesentlichem einen Irak oder Afghanistan Hintergrund haben können.

Drehbuchautor und Showrunner Brad Ingelsby spart sich diesen Bezug der amerikanische Opferrolle aber aus. Denn die Idee des alltäglichen Opfers in diesen Zeiten, zusammen mit den Grausamkeiten und dem Grauen einer Familientragödie sind ausreichend. Und das Milieus der WASP (White Anglo-Saxon Protestant) bekommt genug ab.

Und so bleibt es regnerisch und etwas nebelig im heutigen Amerika, wie es uns Ingelsby zeigt. Irgendwie wird sich dieses Land schon reparieren, uns den „White Trash“ haben „die da oben“ eh‘ vergessen! In der vorletzten Folge gehen die beiden Brüder John und Billy noch einmal gemeinsam angeln. Ein letztes Mal. Ein paar Jahrzehnte vorher war es die Hirschjagd. Ein letztes Mal. Danach kam der Krieg. In Eastown folgt die Realität.

HBO macht seit Jahrzehnten die besten Serien der Welt! Mit Mare of Easttown ist nun ein leiser, aber bombastischer Coup gelungen: Die Erinnerung daran, was das Wort Serienkunst, mit dem Adjektiv ganz groß, bedeutet: Zusammensteht das für „Die ganz große Serienkunst“.

Aus der Nähe von Philadelphia…

Alan Lomax

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