Endless Night - Bernard Herrmann: Digital New Recording von Quartet Records

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  31. Januar 2021, 14:55  -  #Orchestrale Musik, #Filmmusik, #Filme

Endless Night - Bernard Herrmann: Digital New Recording von Quartet Records

Musik analysieren zu können, um aus dieser Analyse ihre Wirkung erklären zu können bedarf fundierten Wissens. Der in dieser Hinsicht musikalische Laie wird sich folglich schwer damit tun, die Musik in ihre Bestandteile zu zerlegen, da ihm das nötige Vokabular und die Übung der richtigen Anwendung dieses Vokabulars fehlt

Warum dieser Einsteig? Weil es schwer fällt, die Wirkung von Musik in Worte zu fassen. Wie erklärt man, dass Melodien, die Verwendung bestimmter Instrumente, Klangfarben usw. eine Gänsehaut verursachen, ein Gefühl wohliger Wärme, ein Gefühl der Sehnsucht? Das ist schwer, wenn nicht (für einen Laien) kaum möglich. Man kann lediglich den Versuch unternehmen zu beschreiben, wie die Wirkung war.

Noch lange bevor Maurice Jarre, John Williams, Jerry Goldsmith und all die anderen die filmmusikalische Bühne betraten, war Bernard Herrmann einer der ersten, wenn nicht der Erste, der es verstand, Begeisterung für Filmmusik zu wecken. Das lag mitunter nicht nur an ihm, sondern in der Gesamtschau des Interesses für Kultur, Film, Musik und ein Genie war daran maßgeblich beteiligt: Alfred Hitchcock. Herrmann verursachte selbst dann Interesse an der Filmmusik, als es noch gar keine Motivation gab, sich mit diesem Genre zu beschäftigen. Das lag an der Einzigartigkeit (mitunter Genialität) seiner Kompositionen (Vertigo, Der unsichtbare Dritte, Psycho).

Endless Night - Bernard Herrmann: Digital New Recording von Quartet Records

Einer der Gründe, warum er sich in die filmmusikalischen Herzen spielte, ist sein Hang zur Romantik (zur Spätromantik, oder Neo-Romantik, soweit ich mich entsinne). Nicht nur war er in der Lage, perfekt auf die Handlung und Geschichte abgestimmte Themen zu schreiben, sondern eben auch Sehnsucht in seinen Melodien zu generieren.

Kommen wir zurück auf den Anfang und der Schwierigkeit die Wirkung von Musik zu beschreiben. Bei Herrmann verhält es sich so, dass seine Musik auf Resonanz stösst und wenn Musik das tut, dann hat sie (zumindest subjektiv) ihre Wirkung erzielt. Es besteht grösstmögliche Empfängnisbereitschaft und Gemeinsamkeit und deswegen wird die Musik und ihre Wirkung als gut befunden. Bernard Herrmanns romantisch gefärbte Musik hat diese unvergleichliche Gabe auf Resonanz zu stoßen.

Erinnern wir uns an die Maler der Romantik, zum Beispiel Caspar David Friedrich, der Personen im Zustand der Entrückung malte, so dass der Blick des Zuschauers mit dieser Person in die Ferne gelenkt wurde. Gleiches vermag Herrmann mit seiner Musik. Nachdem Gleichklang mit dem Hörer und seinen Empfindungen vorliegt, trägt seine Musik einen fort und bekommt einen transzendentalen Charakter. Das ist übrigens eine Gabe, die auch John Williams auszeichnet und weshalb seine Kompositionen von solch überwältigender Schönheit sind.

Endless Night - Bernard Herrmann: Digital New Recording von Quartet Records

Alle diese Gedanken gingen mir gestern durch den Kopf, als ich die Musik zu dem 1972 von Sidney Gilliat gedrehten Film Endless Night hörte. Quartet Records veröffentlichte Ende letzten Jahres vier Filmmusiken, zu denen auch diese Veröffentlichung gehört. Zwei der anderen werden auch bald auf diesem Blog besprochen (stay tuned).

Es handelt sich bei der Produktion um eine neue digitale Aufnahme der kompletten Musik von Herrmann. Auf 31. Titeln ist sein Können zu bewundern. Der Film ist weitestgehend unbekannt und verschwand nach schlechten Kritiken und Einspielergebnissen aus dem kollektiven Gedächtnis und auch die Autorin der Vorlage, Agatha Christie, war nicht zufrieden mit dem Endergebnis. 

Mit zusätzlichen 7 Bonus Tracks kommt die Musik auf eine Gesamtlänge von 51:59 Minuten. Der Score unterhält wunderbar kurzweilig und der geübte Hörer erkennt die Stilismen Herrmanns sofort wieder. Dieser Wiedererkennungswert bereitet denn auch große Freude, weil man sich an die Ursprünge der eigenen filmmusikalischen Sozialisation erinnert fühlt. Was für eine schöne, warme, leicht melancholisch-mysteriöse und romantische Musik!

Das Sinfonieorchester des Baskenlandes hat die Musik unter dem Dirigat von Fernando Velázquez eingespielt. In einigen wenigen Tracks ist ein Moog Synthesizer zu hören und die Sopranistin Núria Rial steuert ihre schöne Stimme bei (zu hören in den Tracks 21, 29 und 31). Die Komposition in dieser Frische und Klarheit zu hören, ist ein Erlebnis und es bleibt zu wünschen, dass sich Labels immer wieder dieser Aufgaben annehmen, um das Erbe solch begnadeter Komponisten wie Herrmann aufrecht zu erhalten. Es gilt ein Dank an Quartet Records und alle Beteiligten an dieser Stelle auszusprechen.

"I feel that music on the screen can seek out and intensify the inner thoughts of the characters. It can invest a scene with terror, grandeur, gaiety, or misery. It can propel narrative swiftly forward, or slow it down. It often lifts mere dialogue into the realm of poetry. Finally, it is the communicating link between the screen and the audience, reaching out and enveloping all into one single experience."

Bernard Herrmann.​​​​​​​

Was er beschreibt: Das unvergleichliche Kinoerlebnis.

Aus London,

Rick Deckard

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