BABYLON BERLIN - Überaus sehenswerte Serie!
Aus gegeben Anlass, schieben wir diesen Blogeintrag vom 22.04.2018 nach oben! Viel Spaß beim (erneuten) Lesen!
Alan Lomax
Durch die beinahe inflationäre Wut, mit der das Format Serie die heimischen Bildschirme überflutet, wird es immer schwieriger gute Serien zu entdecken. Kein Genre, keine Thematik, die nicht durch dieses Format verwurstet wird. Umso größer die Überraschung bei Babylon Berlin. Auf ganzer Länge ein Erlebnis! Das hat zwei Gründe: Die Geschichte und das Bild einer Ära des vergangenen Jahrhunderts.
Eine gute Geschichte erzählen
Ich kann es nicht oft genug betonen: Kino oder serielle Unterhaltung bedarf v.a. eines: Einer schlüssigen Handlung mit einer gut erzählten Geschichte. Der Zuschauer darf am Ende nicht allein gelassen werden mit seinen Gedanken. Sein Bedürfnis einen alles in Allem zusammenhängenden Anfang, Mittelteil und, ganz entscheidend (!), schlüssiges Ende serviert zu bekommen, muss befriedigt werden. Das sind die Grundpfeiler jeder (guten) Unterhaltung. Jede Abweichung davon ist ein Zeichen mangelnder Fantasie und mangelnden Könnens.
Wir erleben einen Hauptkommissar aus Köln, den es Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in die Metropole Berlin verschlägt. Getrieben von einer privaten Mission schliesst er sich der Abteilung Sitte an, um verdeckt eigene Nachforschungen anstellen zu können. Ein ranghoher Beamter droht durch einen prekären Film vor einer Wahl in Diskredit zu geraten und Gereon Rath, so der Name des Ermittlers, soll eben diesen Film beschaffen und vernichten. Diese Handlung wird ergänzt um eine Geschichte mit Elementen eines Verschwörungsthrillers und der griechischen Tragödie.
Zu viel auf einmal könnte man meinen. Doch durch geschicktes Erzählen verweben sich die einzelnen narrativen Ebenen miteinander und heraus kommt ein bildgewaltiges Spektakel.
Dazu tragen nicht nur viele namhafte Schauspieler bei, sondern auch das Vermögen der Macher eine ganze Ära auferstehen zu lassen, begleitet von einer zum Teil sehr guten Musik, die hier und dort an Ennio Morricone und seinen Soundtrack zu De Palmas The Untouchables erinnert.
Nach 2 Staffeln mit je 8 Folgen schliesst sich der Kreis und wir Zuschauer werden staunend mit offenem Mund zurückgelassen, als sich die Handlung erschliesst und die Katharsis offenbar wird.
Grandios erzählte Geschichte!
Nur so kann eine Serie funktionieren.
Babylon Berlin
Schon habe ich mich gefragt, wie die Menschen in dieser Stadt zwischen den Kriegen gelebt haben mögen? Wie war Berlin damals? Was ging in dieser gigantischen Metropole vor sich? Was ging in den Menschen vor?
Diese Fragen werden nicht nur beantwortet, sondern die Regisseure schaffen es auch, ein Gefühl für die brodelnde Urbanität zu vermitteln. Man bekommt ein Gespür dafür, was zu dieser so geschichtsträchtigen Zeit in Berlin vor sich gegangen sein mag. Der I. Weltkrieg mit all seinen monströsen Grauen war Geschichte und der nächste stand bereits auf der Schwelle. Politisch waren die Zeiten gefährlich und wirr. In dieser unheilvollen Zeit suchten die einen nach Arbeit während andere der reinen Lust frönten.
Hedonismus und Armut Seite an Seite.
Die Darstellung dieses Trubels, der politischen Wirren mit der immanenten Bedrohung, die Demütigung Deutschlands durch den Versailler Vertrag, der Wechsel vom Feudalismus zur Demokratie und die Bedrohung derselben, das Verlangen der Menschen nach Freiheit, Party, Laster, aber auch nach Auskommen, Brot und ein Dach über dem Kopf, all diese Facetten werden durch die Serie überzeugend vermittelt.
Es ist heute kaum vorstellbar, was die Menschen damals zwischen zwei Kriegen erlebt und durchlebt haben müssen und natürlich kann eine Fernsehserie das nicht akribisch, historisch akkurat, in der Kürze der Zeit darstellen, aber sie schafft es, dass man sich für diese so bedeutende Epoche zu interessieren beginnt.
BABYLON BERLIN ist eine herausragende Erscheinung und bietet erstklassige Unterhaltung auf hohem Niveau.
Eine der besten Serien seit dem Hype.
Überaus sehenswert!
Aus dem Moka Efti,
Rick Deckard