The Crown – Peter Morgan

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  9. Januar 2017, 20:18  -  #Fernsehen

The Crown – Peter Morgan

Netflix und amazon Prime übertreffen sich derzeit selbst mit sehr guten Serien. Bei THE CROWN muss man aber schon Begrifflichkeiten wie Opus oder Episch nutzen um gerecht zu beschreiben. Atemberaubend die ersten beiden Episoden der ersten Staffel. Jeder einzelnen Minuten merkt man den zweistelligen Millionenbetrag an, der je Folge ausgegeben wurde. Wie auch sonst, wenn nicht opulent,  sollte man das Leben der heute 90-jährigen Queen und des 95-jährigen Prinz von Edinburgh darstellen?

Die Serie beginnt am Tag der Hochzeit und endet – wer weiß es schon, irgendwann in der Zukunft! Man muss nun sicherlich kein Anhänger von Monarchien oder Königshäuser sein, um zu verstehen, dass diese Serie eine interessante geschichtliche Darstellung zweier Menschen ist, die das letzte Jahrhundert vielleicht mitgeprägt, aber zumindest aus einer Perspektive erlebt haben, die wohl einzigartig ist. 

Staunend lernen wir die Personen kennen und registrieren den unglaublichen Cast. Diesen aufzuzählen erspare ich mir, es reicht wenn man erwähnt, dass eigentlich nur Maggie Smith fehlt.  Jared Harris -als König George VI. -spielt, den Kette rauchenden und an Lungenkrebs erkrankten, Stotterer so würdevoll und überlegen, dass man selbst als hartgesottener Alles-Seher ein bis zwei Tränen verdrückt als er auf dem Sterbebett liegt. Es geht sogar soweit, dass ich mir selbst in den Bart gemurmelt habe, dass der alte Knabe wenigstens friedlich eingeschlafen ist und noch einmal vor seinem Tod auf Entenjagd gehen durfte. Obwohl ich diese Form der Jagd auf die kleinen posierlichen Tierchen schlimm finde.

Der Autor Peter Morgan kennt das Königshaus und hat bereits das Drehbuch zu dem ziemlich düsteren Film, mit gleichem Inhalt THE QUEEN geschrieben. Klar, er weiß, wie man den richtigen altmodischen Upper-Class-Tonfall hinbekommt, wie man die Traditionen in Frage stellt, aber eben auch der Handlung zwischen Formalität, Politik und Konflikten, die richtige Tonalität verschreibt.

Als Elizabeth erfährt, dass ihr Vater gestorben ist, verketten sich die Ereignisse. Und das ist wirklich Erzähl- und Kinokunst vom aller allerfeinsten. Das junge Ehepaar befindet sich zu diesem Zeitpunkt in Afrika. Wir sehen sie unbeschwerte Tage in einem wohnlichen Treehouse verbringend zwischen Verliebtheit und erster Anspannung der kommenden Verantwortung. Dabei kommt es zu einer der schönsten Sequenzen der bisherigen modernen Serienkunst: Mitten in der Nacht stehen die kommende Königin und ihr junger Ehemann, der alles aufgegeben hat unter dem Sternenhimmel von Afrika und beobachten die nächtliche Tierwelt, die von einem Angestellten mit einem Spot angestrahlt werden. Spektakulär visuell umgesetzt, aber auch im angestrengten übertragenen Sinne freiheitsraubend für beide, den in diesem Augenblick wird Zuschauern und Königspaar klar, dass dieser Moment, wenn er vorbei ist, eben genau diese Einschränkung für sie bedeutet. Etwas später flüstert die von einer Sekunde zu anderen veränderte Elizabeth II. ihrem Prinzen zu: „Es tut mir leid. Ich dachte wir hätten mehr Zeit!“

Zeit nimmt sich die Erzählung ziemlich viel. Die langen Dialogen, die rollierende und fliegende Kamera, die langsamen Schnitte, die gediegene Erzählung, erinnert an das große Zeitalter des Kinos, als die Charaktere, die Story und der künstlerisch erschaffene Moment, die erzählerische Erhabenheit hatte, die nur das Kino, der Film in der Lage war, dies so auszudrücken.

Erwähnt werden muss auch noch die einzigartige und denkwürdige Darstellung von Winston Churchill, in die sich der wunderbare Schauspieler John Lithgow (Interstellar, Die Akte) förmlich reingesteigert hat. Churchill alleine hätte eine ganze Serie verdient. Vielleicht ist das auch der einzige Negativpunkt der einem sofort auffällt. Wenn man aber alleine den Dialog zwischen Churchill und dem abgedankten König Edward verfolgt, in dem beide das Ziel verfolgen, dass Elisabeth den Namen ihres Mannes annimmt, sind wir auch schnell wieder in der Gegenwart und vergessen die Churchill-Serie, vorerst und denken an schlimmere Jungs wie Trump und natürlich seine Vorlage Underwood. 

Man könnte NETFILX unterstellen, dass hier versucht wird, sich eine neue Zielgruppe heranzuziehen. Denn der Streamingdienst vermisst in seiner Kundschaft bis heute das Segment 45+. „Erwachsene Serien“ sind doch aber quatsch. Warum sollte sich nur eine Zielgruppe des mittleren Alters für so eine großartige Geschichte, eingebettet im letzten Jahrhundert, mit einer prachtvollen, unterhaltsamen und umwerfend hochwertigen Erzählung faszinieren lassen? Für diese Erzählungen ist das Format das wahrscheinlich einzig richtige und es ist zusammengefasst die große Familienunterhaltung des 21. Jahrhunderts, wenn dann die Zielgruppe 45+ endlich einmal versteht, dass ihrem jugendlichen Kindern, genau solche Erzählungen fehlen, um einmal von allem anderen abzulassen, wieder ansetzen zu können und sich so ein objektiveres Urteil erlauben können, weil Sie ein wenig Wahrhaftigkeit erlebt haben. 

Aus Malta

Alan Lomax

P.S.: The Crown hat gestern den Golden Globe Adward für die beste „Dramaserie“ gewonnen! Nebst allen La-La Land Verleihungen ein angenehmer und erhabener Kniefall vor dem großen Drama.

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