Slow West - John MacLean
Der Westen als weniger wild, aber umso mehr moralisch verkommen, wenn es denn überhaupt so etwas wie eine Moral gibt. Das Recht des Stärkeren zählt nicht nur, sondern es ist überlebenswichtig. Der Mensch inmitten der Weiten des Westens wird so porträtiert, wie er auch heute noch ist.
John Maclean ist mit Slow West ein bemerkenswert guter Film und Western gelungen. Gerade das Western-Genre (zusammen mit dem Gangsterfilm) ist und bleibt die Königsdisziplin des Kinos und ist neben dem Jazz, filmhistorisch-kulturell betrachtet, ein Alleinstellungsmerkmal der Vereinigten Staaten von Amerika. Gerade, weil dieses Genre so viele Meisterwerke hervorgebracht hat, ist es umso schwerer es zwar nicht neu zu erfinden, aber ihm dennoch seinen Stempel aufzudrücken.
Das gelingt Maclean mit einer präzise erzählten Geschichte ohne Pathos, frischen Landschaftsbildern (die ja bekanntermaßen immer eine bedeutende Rolle im Western spielt) und überzeugenden Darstellern.
Die Ökonomie, mit der der Regisseur voranschreitet, ist beeindruckend: In gerade einmal 80 min. gelingt es Maclean eine Geschichte zu erzählen, die epischen Charakter entwickelt. Der Rhythmus der Bilder, der Takt, in dem die Geschichte erzählt wird, ist faszinierend: In einem ruhigen Tempo schreitet die Handlung voran, selbst in dramatischen oder Action-Szenen schlägt das erzählerische Metronom unbeirrt in seinem Takt fort, so dass der Film wie eine moderne Ballade wirkt. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Maclean (der auch das Drehbuch schrieb) Stilelemente eines Thrillers mit dem Western mischt und v.a. wie er das zu Ende bringt: Junge trifft Mädchen, Junge verliert Mädchen ... .
Der Versuch Mythos mit Realität im Western in Einklang zu bringen, ist nicht nur gefährlich, sondern häufig auch zum Scheitern verurteilt. Nicht in diesem Fall. Gerade der schonungslose und unromantische Blick auf die Realität des "Wilden Westen" ist einer der grossen Pluspunkte von Slow West. So, wie er in diesem Film gezeigt wird, wird der Westen vermutlich gewesen sein: Unbarmherzig, roh und voller (menschlicher) Gefahren. Wer hier überleben will, der muss v.a. eines sein: Erbarmungslos.
Maclean gelingt es in der Kürze der Zeit selbst das Klagelied der Native Americans anklingen zu lassen, das bleibenden Eindruck hinterlässt. In einer Szene kommt sogar einmal Humor in diesem Zusammenhang auf und erinnert an die Anfänge des New Hollywood.
Kein Western ohne shoot-out. Mit der Bildsprache eines Comics liefert der Film einen erstklassig gefilmten, dynamischen und packenden Showdown. Keiner hat das Winchester-Gewehr, vielleicht mit Ausnahme eines James Stewart, übrigens so perfekt und ästhetisch zugleich bedient wie die zauberhafte Caren Pistorius! Exzellent.
Mit Slow West ist Regisseur John Maclean ein innovativer und beeindruckender Film im Western-Genre gelungen. Der Film überzeugt auf voller Länge mit einer guten Geschichte, schönen Bildern und einer Frische, die dem Genre gut tut. Bleibt zu hoffen, dass man mehr von diesem jungen Regisseur zu sehen bekommt.
Wer hat schon heute den Mut einen Western zu drehen?
Rick Deckard