Deafheaven Gebäude 9 Köln 24.03.2016
Der Gitarrist und Mitbegründer der Band Deafheaven, Kerry McCoy, ist sicherlich derzeit einer der interessantesten Musiker des Planeten. Der nerdig aussehende Gitarrenvirtuose kennt die Stilmittel der Metal-Musik, das Spiel mit Laut und Leise und versteht es gemeinsam mit seiner furiosen Band die berühmten elaborierenden Gitarrenwände aufzubauen.
Man liest und hört derzeit viel von dieser Wunderband aus Los Angeles. Vom „trojanischen Pferd, dass den Black Metal unter den Indie-Rock-Fans salonfähig macht“ und von den Codes und den alten Bands aus der Zeit des Shoegazing. Und ja es stimmt die Einflüsse von Deafheaven sind vielseitig und natürlich ist es legitim sich inspirieren zu lassen, aber leider ist das häufig der Punkt an dem viele andere Bands erschöpft weiter machen oder besser aufgegeben haben sollten. Deafheaven geht es an diesem Punkt nicht um den Vergleich zu Bands wie BURZUM oder MY BLOODY VALENTINE, sondern ehr um eine respektvolle Verkörperung der alten Geister und um eine wütende, aber dennoch kontrollierte existenzielle Wut.
Simon Reynolds sagte einmal zu Joy Division, dass die Band in den Ohren der meisten Zeitgenossen wie eine vom Punk beeinflusste Hardrockband klingt. Auch Deafheaven unterliegem diesem singulären Phänomen und es gibt Bbereits jetzt schon Deafheaven Nachfolger, die aber den beiden adaptierten Spielarten Metal und Shoegazing nicht folgen können, da es sich hierbei um eine Geheimwissenschaft handelt, die wenig Menschen im Kontext der Vergangenheit erlernt haben und somit auch schwer spielen bzw. verstehen können.
Ich glaube übrigens -ausnahmsweise- mal nicht, dass es dem Publikum im ausverkauften Gebäude 9 egal ist. Denn selten, selten habe ich ein so konzentriert, aufmerksames und beeindrucktes Publikum beobachten können. Somit war der extrovertierte Sänger George Clarke auch mehrere Male erschrocken, wie ruhig die Menschen vor der Bühne waren. Bestimmt ist er anderes gewohnt. Aber im Gebäude 9 herrschte andächtiges Schweigen und überwältigendes Staunen was dort in der klassischen Shoegazer Stunde passierte.
Deafheaven haben live bestätigt, dass das Album NEW BERMUDA ein Meisterwerk ist und haben gestern Abend zudem gezeigt, dass sie mit einer Handvoll anderer Bands zu den derzeit spektakulärsten Livebands der Erde gehören. So gab es Momente (Baby Blue, Luna) die so erhaben und voller Schönheit waren, dass ich etwas zurückdenken muss, wann ich so etwas ähnliches erlebt habe.
Und ja, es fallen mir sofort die tanzenden leeren Bierpappbecher vor den Lautsprechern der großen Bühne auf dem Primavera Sound Festival 2013 ein. Auf der Bühne steht Kevin Shields mit seiner Band MY BLOODY VALENTINE. Shields Gitarre befindet sich ungefähr in der siebenzwanzigsten Spur seines selbst anschwellenden Soundstroms. Auf magische Weise gelingt es ihm die leeren Becher der längst ermüdeten und weggegangen Zuschauer von rechts nach links von oben nach unten und in verschiedenen Formationen fliegen zu lassen. Wobei ein Moment der Schönheit entstanden ist den man nur mit dem Wort Eruption beschreiben kann.
Und so schließt sich der magische Kreis und der Grund warum ich immer noch auf der Suche nach diesen unglaublichen Augenblicken bin, die andere beim Bergklettern, beim Marathonlaufen oder vielleicht in der Geschwindigkeit suchen und finden, dem Rausch.
Deafheaven haben sich gestern Abend in eine Liga der ganz, ganz großen Bands gespielt und dabei bewiesen, dass es Pathos, Wissen, Exzellenz und das erreichen der ganz großen Gefühle eines Menschen sind, die solch eine Kunst ausmachen. Monumental, wirklich monumental…
Breitgrinsend
Alan Lomax