Mongrel Chopin - Mário Laginha Trio

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  28. März 2012, 19:54  -  #Jazz

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Immer wieder erinnern sich zeitgenössische Musiker an die Vergangenheit, an Zeiten und Komponisten, welche damals (und heute noch) die Welt mit ihren musikalischen Errungenschaften beeindruckten. Sehr häufig wird diese Rückbesinnung im Jazz vorgenommen. Der Grund ist Nahe liegend: die Kunst der Improvisation ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Bach galt als Improvisator und selbst Mozart wusste viele seiner Stücke zu variieren. 

Der Portugiese Mário Laginha hat sich der Welt eines Frédéric Chopin angenommen. Chopin ist einer der bedeutendsten Komponisten Polens. Seine Kompositionen wurden vorwiegend für das Klavier geschrieben und insofern ist das eine Steilvorlage für Laginha um einmal einen Terminus technicus aus der Fußballwelt zu bemühen.

Zu Mário Laginha am Klavier gesellen sich Bernardo Moreira am Kontrabass und Alexandre Frazao am Schlagzeug. Als klassisches Trio liefern sie wunderbare, entrückte dynamische aber auch sehr gefühlvolle Interpretationen von Werken Chopins.

Als ich die CD das erste Mal hörte war ich ein wenig konsterniert, da ich Mühe hatte die Musik Chopins herauszuhören. Beim zweiten und dritten Hördurchgang wich die Verwirrung zusehends und die Schönheit der Interaktion des Jazz mit der Klassik wurde mir mehr und mehr bewusst.

Für mich als leidenschaftlichen Musikhörer ist es immer wieder wichtig Barrieren im Kopf zu durchbrechen. Nichts ist absolut und 'Mongrel Chopin' eröffnete wieder einmal neue Horizonte, weil die Platte zeigt, wie stilvoll die Vergangenheit in die Gegenwart und auch Zukunft transportiert werden kann.

Musik ist universell.

Wer meint, er müsse sich bei diesem Album mit dem Werk Chopins auskennen, der irrt. Das Gegenteil ist der Fall. Man nähert sich der Platte am besten vollkommen unvoreingenommen und versucht zu entdecken, das ist viel spannender. Denn Laginha und seine Sidemen verstecken die Musik Chopins in ihren Klangwelten. Sie einerseits herauszuhören, bzw. zu finden und auf der anderen Seite das auf diese Weise neu geschaffene zu bewundern ist das Wesentliche.

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Das Album beginnt mit fragmentarisch dargebotenem Chopin in Nocturno. Auffällig die Synkopierung. Gleich zu Beginn ist es interessant zu hören, welche Freiheiten sich Laginha herausnimmt. Er vermischt auf intelligente Art zwei Genres.

Im folgenden Fantasia muss man schon genauer hinhören um Chopin zu filtern. Eine fröhlich-holprige Stimmung macht sich breit mit Tempowechseln. Fantasia ist dabei nur als eine Basis zu betrachten über der ein Höhenflug stattfindet mit stürmischen Läufen am Klavier. Eruptive Sequenzen, dementsprechend begleitet von Bass und Schlagzeug. Eine wilde Fantasie. Gegen Ende wird der rote Faden vom Anfang wieder aufgenommen. In diesem Stück zeigt sich auch was Humor in der Musik bedeutet.

Valsa ist eine kleine Perle. Ganz allmählich entziehen sich die Spieler Chopins thematischer Vorgabe und fliegen davon über ein Brücken-Solo vom Bassisten. Das hier ist wirklich sehr elegant vorgetragener Jazz!

Nocturno (op. 48) beginnt mit einem Klavier-Intro und verliert sich in Träumereien. Virtuos wie Laginha immer wieder hier und dort an den Komponisten erinnert aber auch stets den Zwängen dieses darstellen zu "müssen" entflieht.

Estudo eröffnet mit Moll Tönen. Melancholie macht sich breit. Das Stück imponiert mit einem sehr in sich zurückgezogenem Spiel. Hörenswert das gefühlvolle Drumming und überhaupt die Begleitung durch die Rhythmusgruppe. Sehr dunkel-düstere Klangfarben prägen diese Komposition. Immer wieder flackert Chopin durch die Klangwelten des Jazz hindurch. Wunderschöne Musik! Sehr leidenschaftlich, sehr emotional. Ein Ausflug in die Tiefen der menschlichen Seele mit einem versöhnlichem Abschluss. Man höre auf den Schlussakkord!

Konträr zum Vorgängerstück beginnend: Scherzo. Schnell, hart und präzise. Überhaupt keinen Bezug zum Maestro bietend, lebt das Scherzo durch enorme Reichheit an Ornamentierungen und Verzierungen mit hakenschlagendem Wechsel von Tempo und Klangfarben. Zwischendurch liefert Frazao ein Feuerwerk an Schlagzeugkunst als Solo. 

Imposante Akkorde zu Beginn bei Preludio, ganz Beethoven, aber nicht Chopin, um leise, anmutig und gedankenverloren fortzufahren. Wunderschönes Spiel des Trios. Toller Anschlag von Laginha am Klavier. Diese langsamen Stücke sind wahre Fundgruben an bestechend schöner Musik. Atemberaubender Jazz!

Mit nach oben ansteigenden Intervallen eröffnet Balada, wie zu Beginn portionsweise an Chopin erinnernd. Die Mechanismen des Jazz werden hier überdeutlich auffällig. Der Geist des polnischen Komponisten ist stets und ständig vertreten. Ein sehr würdiger Abschluss eines beeindruckenden Albums.

Mongrel bedeutet Mischling.

Rick Deckard

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