Marcus Wiebusch – Konfetti / Lieder machen ist kein Verbrechen!

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  7. Mai 2014, 18:30  -  #Populäre Musik

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In der grauen, undefinierten Vorzeit der deutschen Popmusik gab es einmal die Bezeichnung des Liedermachens. Künstler wie Reinhard Mey, Klaus Hoffmann oder Konstantin Wecker sangen ihre Geschichten oder beschrieben ihre gesellschaftskritischen Gefühle.  Der inhaltliche Fokus dieser Herren lag auf dem Text. Die Musik könnte man ehr als „begleitend“ beschreiben.

Aus der heutigen Sicht und Wahrnehmung werden viele dieser Künstler auch schnell und falsch dem Schlager zugeordnet. Aktuelle, nölende Barden wie Tim Bendzko oder Philipp Poisel, die über „Menschen singen, die einfach am Ufer herumsitzen, Kekse essen und in die Gegend gucken“ (taz) stellen sich Intelligenzmäßig auf ein niedriges Niveau Ihrer Selbstsicht: „Ja, wir machen Lieder, also sind wir auch Liedermacher, in dem Sinn ist das schon richtig“ (Poisel/taz). 

Das alte Haudegen wie Konstantin Wecker nicht nur ihren Rotwein in der Toskana schlürfen, sondern sich dabei auch noch den ein oder anderen aktuellen Gedanken machen, beweist der nörgelnde Griesgram mit folgendem beantwortendem Zitat: „Diese Generation wurde durch zwanzig Jahre Neoliberalismus gehirngewaschen. Davon müssen die sich erst mal befreien. Die haben es viel schwieriger als wir.“

Marcus Wiebusch sollte man nicht in diesen Kontext bringen, denn der sympathische Hamburger bekannte sich zeitgemäß zum Punk, sieht seine künstlerische Nähe ehr bei Rio Reiser und hat offensichtlich ein musikalisches Verständnis, welches näher an uns Vertreter der Indie-Polizei und Plattentütenfußgängern ist. Er stellt intelligente Fragen: „Warum ist Deutschland in kleinen Ansätzen in keinem Ort mit einem Künstler verbunden, wie zum Beispiel Graceland in den USA mit Elvis?“. Er meint damit Fresenhagen/Ton Steine Scherben oder wahrscheinlich Connie Planck/Wolperath. In seinem besten Songtext „Am Tisch“ beschreibt er lyrisch und melancholisch den Niedergang einer Männerfreundschaft im Dreivierteltakt. So einer kann nicht doof sein bzw. nicht wissen was er tut. Unmöglich!

Kürzlich habe ich mir die Mühe gemacht eine Wiedergabe mit „deutschem Rock“ zu erstellen. Bereits bei diesen zwei Wörtern kamen Zweifel in mir auf! „Deutsch-Rock“ ein schlimmes Wort, die Interpreten die folgten und die ich in den frühen 1980er Jahren tatsächlich gehört habe, werden den meisten Menschen, die das hier lesen, wahrscheinlich wie die Aufreihung einer der gruseligsten Namen der Musikgeschichte vorkommen. Ich nenne mal nur Ulla Meineckes „Tänzerin“. Den Song habe ich immer geliebt, wegen diesem wunderschönen E-Piano-Interludium von Edo Zanki. Einem weiteren Vertreter des Genres und einem den man nicht nennen darf, wenn man auf seine Glaubwürdig achtet (sic!).

Und dann gibt es noch Funny van Dannen, Bernd Begemann, Olli Schulz, Hans Unstern oder Gisbert von Knyphausen, Niels Frevert, Thees Uhlmann oder Tom Liwa bei denen man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man die Namen öffentlich nennt. 

Ich finde es interessant, auch in Bezug auf mein soziales Umfeld und was ich so beobachte, wie der ein oder andere Name automatisch kategorisiert wird, genau wie ich das ja auch mache. Natürlich ist das unfair und jemanden „Nuschelgesang“ oder „Wolf-Wondratschek-Dichtung“ vorzuwerfen macht Spaß, insbesondere wenn man dann noch, das auf jeden Fall für alle Künstler zutreffende gleiche Zielpublikum analysiert. Gleichsam ist die Kategorisierung fies, ungerecht und kann jeder Zeit von allen Seiten wiederlegt werden.

Konstantin Wecker hat recht mit seinem Satz! Zu seiner Zeit war alles unschuldiger, die Schubladen geringer und die Kontexte weniger kompliziert. Insbesondere wenn man sich eingehend mit Musikkritik und –Verlauf beschäftigt. Und das alles hier eben als wichtig und Leidenschaft betrachtet und nicht nur das Radio einschaltet und wahrnimmt, dass die Band die gerade läuft, am Samstag bei Stefan Raab aufgetreten ist. 

Ich habe „Konfetti“ nun einige Male durchgehört! …mir die Mühe gemacht, Wiebusch zu verstehen, um ihn weiterhin zu verteidigen, weil ich seine Sichtweise auf die Dinge mag und denke, dass das ein guter Typ ist.

Aber eben auch kein Held der alles richtig sagt und macht. Musikalisch gesehen gibt es im unvermeidlichen Vergleich zu Kettcar keine großen Experimente. Irgendwo taumelt sich das alles zwischen Rock und ein paar hausgemachte Elektroklänge zusammen, trotz toller (Mit-)Musiker. Was bleibt ist seine markante Stimme, ein paar wirklich gute Textzeilen und eine Handvoll guter Songs.

Und wäre es zu viel oder schlimm, wenn man sagt, dass das eben der deutsche Rock, eines Mannes ist, der eben Lieder macht?

Ehrlich gesagt, gibt es auch einige Texte die mich ärgern, weil ich mich angesprochen oder missverstanden fühle. Dabei polarisiert Wiebusch eben nicht und ich finde das alles auch nicht reaktionär und auch nicht progressiv. Manches banal und vieles schön. Vielleicht ist es so, wenn man seine innere Sicht der Dinge nach außen kehrt, dass man persönlich wird und Zuhörer eben auch persönlich und undifferenziert anspricht. Das ist wohl das Los eines Barden, Liedermachers, Popmusikers, der in deutscher Sprache singt und sich mit den Zeichen der Zeit beschäftigt. Ein schlechter Künstler und schon gar ein schlechter Mensch muss dieser Wiebusch dann nicht sein. Und das beweist er mit dieser ersten, seinen Soloplatte.

Bei mir ist es eben diese ewige innere Zerrissenheit zwischen „Angekommen sein“ und „Backsteine werfen“. Oder können Sie mir sagen, wer diesen Text geschrieben hat ?: 

Ich hab Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen

Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen

Und verschon' mich mit den falschen Ehrlichen

Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!

Ich hab' Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit

Nach 'nem bisschen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit

Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu Lachen

Sie wer'n dich ruinier'n, exekutier'n und mundtot machen

Erpressen, bestechen, versuchen dich zu kaufen

Wenn du die Wahrheit sagst, lass draußen den Motor laufen

Dann sag' sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:

Wer die Wahrheit sagt braucht ein verdammt schnelles Pferd!

 

 

Alan Lomax


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