Steely Dan Part II – Gun

von Alan Lomax und Rick Deckard  -  15. April 2009, 13:38  -  #Jazz



Um mir selbst zu erklären was es bedeutet Steely Dan Musik zu lieben, wäre es vielleicht wichtig mich selbst zu erklären.

 

Ehrlich gesagt, konnte ich nie großartig etwas mit bedeutungschwangeren Texten anfangen. Eine poetische Zwischenmenschliche Reflektion in Texten und die Beschreibung des Realen mit Irrsinn, bringt mein Weltbild des Textes, des Gedichtes und des Buches wohl ehr auf den Punkt.

 

Dies gepaart mit der amerikanischen Kultur und dem Leben in den Staaten zwischen 1960 und 1990 trägt sicherlich dazu bei, dass ich seit Kindestagen von Bands aus diesem Zeitraum zusammen gestoßen bin.

 

Ein dritter wesentlicher Punkt ist der typische L.A.-Sound. Oftmals habe ich von Menschen, denen ich Steely Dan vorgespielt habe, folgende Antworten bekommen: „Das klingt zu sauber“, „Das ist zu glatt“ und „Das klingt zwar perfekt, hat aber keine Seele“. Für mich es immer die Schönheit der Komposition von Walter Becker und Donald Fagan gewesen die mich fasziniert.  

 

Der letzte wesentliche Punkt der meine Liebe zu Steely Dan erklärt, hängt auch mit Songwriting zusammen. Becker und Fagan sind in der Lage mit den Grundlagen des Jazz einen scheinbar einfachen Popsong herzustellen. Somit schaffen sie es mein ewiges Dilämer zu eliminieren: Warum langweilen mich Popsongs schnell und warum nerven mich allzu uninspirierte Improvisationen.

 

Zusammengefasst in vier Worten also:

 

Text – Amerikanische Kultur – Komposition – Songwriting

 

Alles musiktheoretische Ansätze, die vieles Erklären können deswegen auch in der Folge von mir eingesetzt werden, aber nicht die endgültige Formel ist, die ich suche und die ich ab sofort „Gun“ nennen werde.

 

Fange ich also ganz vorne an, also an dem Tag an dem ich das allererste Mal einen Steely Dan Song gehört habe:

 

Dazu muss ich einen wichtigen Herren in meinem Leben vorstellen: Peter Karla! Herr Karla, später durfte ich ihn Atze nennen, war ein Nachbar von meinen Eltern und der Vater meines damaligen Kumpels Markus. Peter Karla hatte im Jahr meiner musikalischen Sozialisierung eine veritable Jazzplatten-Sammlung. Das war 1984. Ein ungewöhnlicher Typ, der vielen anderen Nachbarn ehr merkwürdig, weil nicht konformistisch vorkam. Atze erzählte viel aus der Vergangenheit. Somit war er während seines Studiums Berliner Box Stadtmeister im Mittelgewicht, hatte bereits mit 22 Jahren mehrfach die Welt umreist und damals gerade angefangen Berge die über 7.000 m hoch sind zu besteigen. Dies sogar nachweislich, weil wir immer beobachten durften, wie er sich auf die nächste Expedition vorbereitete.

 

Bei Markus spielen gehen, hatte für mich bald einen ganz anderen Zweck. Nämlich mit seinem Vater im Wohnzimmer zu sitzen und mir Musik vorspielen zu lassen.

 

Später hat er mir auch Tapes aufgenommen und ich kann heute mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Atze Karla, der wichtigste musikalische Einfluss in meinem Leben gewesen ist. Ein Mentor.

Zurück zu Steely Dan:

 

Es war also im Frühsommer 1984. Ich saß auf der weißen Ledercouch von Atze Karla. Mit einem breiten Grinsen, stand der Mann vor mir und sagt sinngemäss: „Und jetzt spiel ich Dir ein Lied von Steely Dan vor, dass Du nie wieder vergessen wirst“. Ich kann mich noch erinnern, wie er seinen silbernen Onkyo-Verstärker anschaltete. Wir warteten das obligatorische 5 Sekunden klicken ab und Atze legte „Do it Again“ den Opener der Platte „You can’t buy a thrill“ auf. Vernommen haben ich nicht viel nur die Textzeile „Go back, Jack, do it again!“.

 

Atze nahm mir das ganze Album auf Tape auf. Auf die B-Seite überspielte er mir das Tom Scott Album „Target“. Welches ich nie gehört habe, da ich immer wieder nur die A-Seite gehört habe.

 

Das war der Einstieg. So hat es begonnen. „Do it Again“ ist sicherlich bis heute der bekannteste Steely Dan Song. Da er nicht nur eine erfolgreiche, langfristige Chartplatzierung hatte, sondern auch heute noch oftmals im Formatradio gedudelt wird. Sicherlich wegen der oberflächlichen Gefälligkeit der Melodie und wegen des einschmeichelnden hypnotischen und beruhigenden Rhythmus. In Wirklich beschreibt der Song einen Mann, der seine Dämonen nicht in den Griff bekommt. Im Mittelteil gibt es ein Interlude welches das drogenorientierte Lebe der Hippiebewegung genial mit einer Sitar beschreibt. Enden lassen Becker und Fagen den Song mit den Textzeilen:

 

Then you love a little wild one,
but she brings you only sorrow,
everytime you know she’s smiling,
you’ll be one your knees tomorrow

 

Heute gehört “Do It Again” nicht mehr zu meinen Lieblingssongs von Steely Dan. Wahrscheinlich auch, weil ich mir einfach überhört habe. Ein Attribut, welches bei Steely Dan ehr ungewöhnlich ist.

 

Natürlich erklärt das alles nicht die Leidenschaft, aber es ist auch erst der Beginn der Forschungsreise.

 

„Gun“ ist übrigens aus meiner Sicht eines der am häufigsten verwendeten Wörter in Steely Dan Texten. Oft auch wortverwandt wie gunning=aufdrehend etc. Ich werde das Wort das nächste mal verwenden, wenn ich meine Formel gefunden habe. Wahrscheinlich nach dem 1.400 Eintrag unter der Kategorie Steely Dan.


Und mit einer Textzeile aus Do it Again vorläufig zum letzen Mal 

In the morning you go gunning
For the man who stole your water


Silbrige Grüße
von Alan Lomax
 

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