The Notwist – Köln E-Werk 14. April 2009
Schwierig ist es vor dem Konzert gewesen! Einer dieser Tage, an dem man sein Gesäß nicht hochbekommt und schon gar keine Lust hat zu einem Konzert zu gehen.
The Notwist als bedeutsam einzustufen fällt an diesem heißen, müden Tag auch schwer. Natürlich halte ich die Vorgängerscheibe von „The Devil, You + Me“, „Neon Golden“ für ein extrem gutes Album. Vielleicht sogar für einen Meilenstein.
Viele Musikinteressierte können es aber wahrscheinlich nicht mehr hören. Und Radiohead, Kraftwerk oder Portishead-Anhänger werden ihre eigene subjektive Wahrnehmung haben. Was mir natürlich egal ist.
Für mich sind Notwist ein Gesamtkunstwerk. Die verbleibenden 3 Herren sind nicht nur sympathisch, sondern merkwürdig und hoch musikalisch, bis kauzig. Aber eigentlich ist dazu auch alles geschrieben und gesagt worden. Jeder Rentner, jeder Schlachter und jeder Bäcker in Weilheim zu dem Mythos befragt worden und das ganze als Paket auf der sehr empfehlenswerten DVD On/Off The Record dokumentiert worden.
Ein logischer und immer dankeswerter nächster Absatz würde nun mit: „Aber was macht The Notwist, wirklich aus und wie sind sie live 2009 ….“ beginnen. Auch das erspar ich mir und berichte brav und neutral und ohne Emotionen von diesem Konzert. So weit das möglich ist…
Es war atemberaubend! Wie viel Spaß, muss es Musikern machen, wenn sie auf so einem hohen Niveau spielen. Sich selbst zitieren, remixen und loopen können. Jeden Takt so verlegen, dass der Bandkollege, das Nachsehen hat, es aber mit dem nächsten Break wiederaufholt und sich alle Musiker mit einem kurzen Lächeln gegenseitig bestätigen, wie gelungen das gerade war.
Im Gegensatz zu vielen anderen Bands aus dem Genre Popmusik, kommunizieren The Notwist mit einander. Sie suchen den Dialog und tauschen während des Songverlaufs Ideen aus und improvisieren. Die Herkunft und herangehensweise ist Jazz. Auch die verschiedenen neuen Arrangements der Klassiker, haben alle einen improvisierten Teil.
Die Architektur der Songs hält Martin Gretschmann mit 2 Wii Fernbedinungen zusammen und dirigiert auch so gekonnt und recht spektakulär das elektronische Orchester. Genialer ist aber die Substanz die dahinter steckt. Keine Ahnung wie er das alles programmiert hat und wie er die Controller an die Laptops gebracht hat, aber es funktioniert.
Markus Acher fängt das Konzert gewohnt unspektakulär mit „Boneless“ an. Endet mit „Gone, Gone Gone“ auch genauso, baut aber im Laufe des Konzertes eine unglaubliche Dynamik auf und dominiert stetig mit seiner wundervollen und reinen Stimme.
Der übergreifende Remix von „Neon Golden“ zu „Pilot“ war mein persönlicher Höhepunkt. Es ist müßig alle Einflüsse und Stile aufzuzählen die dort eine Rolle gespielt haben, erwähnt werden sollte Michael Archer, der eigentliche musikalische Kopf von Notwist. Live übernimmt er den Basspart und hat bei diesem Remix herrliche Dub-Bass-Lines beigesteuert, die ich noch heute morgen auf dem Weg zur Arbeit aus dem Bauch nach brumme.
„The Devil, You & Me“ hatte ich bisher völlig verdrängt, umso erstaunter war ich von den doch großartigen Songs. Live eine 360 Grad Wendung und ein heranführen an ein offensichtlich unterschätztes Album.
Der Höhepunkt der Höhepunkte, aber war „Sleep“. Ich hasse es eigentlich, aber ich musste die Augen schließen und mich zarten Dub-Klängen und der Schwerelosigkeit hingeben.
Ich war endlich mal wieder bei einem Konzert, dass mich musikalisch nicht gelangweilt hat. Das aufregend, spannend, ergreifend und erfüllend war.
Let’s just imitate the real until we find a better one!
Alan Lomax