THE RADIO DEPT. – 02. Februar 2017 Gebäude 9 Köln

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  3. Februar 2017, 13:17  -  #Konzerte

Photos by Alan Lomax FoundationPhotos by Alan Lomax Foundation
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Paris an einem wunderschönen dämmernden Sommermorgen im Jahre 1769. Die Erzherzogin von Österreich und kommende Königin von Frankreich Marie Antoinette kehrt mit ihrer höfischen Gesellschaft von einer Party aus Paris zurück. Es gab reichlich Champagner, man hat die Nacht durchgefeiert. Die königliche Kutsche mit reichlich müden und alkoholisierten jungen Leuten fährt durch die Parkanlagen von Versailles. Die Vergnügungssüchtige, verträumte, mit reichlich pubertären Problemen verhaftete Marie Antoinette genießt den Fahrtwind und lässt ihre Hand wie ein Flugzeug aus dem Fenster gleiten. Später wird man am Teich sitzen und zu NEW ORDERS CEREMONY den Sonnenaufgang genießen. Die Fahrt wird musikalisch von THE RADIO DEPT.‘s Song PULLING OUR WEIGHT begleitet.

 

Die Regisseurin Sophia Coppola hat damit, eine von purer Schönheit strahlende Filmsequenz gedreht, in der sie die Zeiten vergisst und Postpunk mit Jeunesse dorèe kreuzt. Ein wahrhaftiger Geniestreich!

 

In time we might walk the straight line But with memories of a grapevine A guitar, as we came close from far Forgot about the war We barely touched As if being watched“, singen THE RADIO DEPT. aus Schweden in diesem wohl -mit- schönsten Popsong des bisherigen Jahrtausends. Überhaupt sind es die poppigen und klaren Songs die diese Band von vielen anderen abhebt. 

 

Johan Duncanson und Martin Carlberg aber sind dabei alles andere als oberflächliche Postars oder ein One-Hit-Wonder. Nach vier Alben haben sie längst bewiesen das ihr Mut zum eindeutigen Popsong sehr wohl die notwendige Tiefe haben kann, eben auch weil hinter den schönen Melodien keine dumpfe Träumerei steht, sondern zum Teil knallharte Protestmusik (Swedisch Guns). 

 

Es gibt diesen Begriff Dreampop, den ich persönlich fürchterlich finde, um eine überdurchschnittliche Band wie The RadioDept. zu beschreiben. Nicht zuletzt, auch weil meine Mainlieblingsband aller Zeiten NEW ORDER auch häufig in diesen Honigtopf gestopft werden. Parallelen gibt es darüber hinaus allerdings viele.

 

Und was haben Songs über Partisanenbewegungen, gegen Faschismus und Rassismus mit Dreampop zu tun? Diese Musikwelt ist manchmal unüberlegt dumm und dann doch undefiniert.

 

Als unüberlegt könnte man auch das Marketing und das Vertrauen der Band gegenüber der eigenen Kunst und Fans bezeichnen. Die beiden ungleich aussehenden Herren scheinen nicht ganz unkompliziert zu sein. Touren sind selten und Alben werden auch ehr selten veröffentlich. Zu dem spricht die Biographie häufig von rohen Verschiebungen von versprochen Terminen. Es scheint also jede Menge Wut und Eigenheit in diesen Männern zu stecken, die sie nun etwas tanzbetonter auf dem Album RUNNING OUT OF LOVE darstellen, als bei den deutlich schöneren Vorgänger Alben.

 

Den Abend im gut gefüllten Gebäude 9 eröffnet JULIA KWAMYA die als GERMANS derzeit in Schweden für allerlei Furore sorgt, mit ihrer schönen Tanzmusik im Voll-Playback in Begleitung eines Bassisten aber ehr gerade mal tauglich für eine bessere Cocktailbar in Stockholm wirkt. Ziemlich klebrig dieser musikalische Vortrag.

 

Umso schöner und roher (later) dann der Auftritt von The Radio Dept. Die beiden Gründungsmitglieder werden begleitet von einem Midi-Keyboard-Electro-Mann und einer Frau, die ehr wie eine Mitarbeiterin in einem Imbiss aussieht, als wie eine Gitarristen die sehr der E und A Seite ihres Instrumentes und einigen Schlagwerken zugeneigt ist.

 

Sänger und Mastermind Johan Duncanson hingegen mit Basecap mal verträumt, mal überwachend über seine Band blickend am rechten Rand und der bestimmt 2.20 m große Martin Carlberg, hauptsächlich Bass spielend, hingegen wirken, mit einiger Phantasie dann doch ein wenig wie Sumner/Hook. Was aber egal ist.

 

Musikalisch gibt es wenig Überraschungen während des Vortrags und das Set bleibt bis auf das, jetzt schon legendäre Ende, schön, zwischen dem erwarteten elektronischen Lo-Fi-Einflüssen und einer doch immer wiederkehrender Konvention zum unabhängigen Pop.

 

Kurz bevor Langweile auftrat und sich erste Belanglosigkeiten in den doch nicht immer mitreissenden Songs auftaten, endet das Set mit dem leicht vom Dub beeinflussten SWEDISH GUNS aufmerksam gefolgt von dem fast epischen“Occupied“, welches einen auf einmal in völlig neue Sphären schießen lässt. Gedanklich kommen da auf einmal jede Menge Gefühle und glückliche Momente auf. Was für ein Song und was für ein Endeindruck der das eigentliche Potenzial und auch die hoffentlich bleibende Zukunft der Band erkennen lässt.

 

Nach knapp 70 Minuten ist dann das Konzert beendet, gefolgt von dem sehr poppigen, reduziert vorgetragenen 1995 als Zugabe. Ein gelungenes Konzert, einer spannenden Band.

 

Temptation

Alan Lomax

 
 
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