Caribou – Our Love

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  17. Oktober 2014, 08:12  -  #p, #Elektronische Musik

Caribou – Our Love

Da ist es endlich mal wieder passiert! Zwischen den ganzen Stapeln von neu veröffentlichter Musik und all‘ den tollen Platten, die dieser Tage so erscheinen, strahlt mich persönlich ein synkopisches Meisterwerk an. Was mich verleitet ausgerechnet über diese Scheibe zu schreiben, will ich gerne erklären:

Hört man sich zwei Hände voll aktueller Elektronischer Platten an, bleiben zwei Finger stehen, bei denen man als einigermaßen erwachsener Musikhörer sagen würde: diese Platte haben eine künstlerische Daseinsberechtigung, weil sie eben nicht von irgendwelchen Autodidakten produziert wurde, die mehr Hardware und Software im Keller haben, als Talent und professionelles Know-How auf der Bordsteinkante. Denn aus meiner Sicht ist Musik nicht nur auf Funktion ausgelegt, sondern erfordert einen Prozess. Ach na ja und klar auch ich kenne übrigens Musik die sich mit Provokation gegen konventionelle Kunst richtet und Ausdruck eines Lebensgefühls war bzw. gegen die bourgeoise Konsumgesellschaft schockierend wachrüttelnd tätig war.

Dan Snaith ist Caribou und kommt aus Kanada und er ist Mathematiker. Also zuständig für die Wissenschaft logischer Definitionen von selbstgeschaffenen abstrakten Strukturen (wiki). Tonstrukturen sind mathematische Systeme, oder anders rum. Langweilig, in Bezug auf Musik und Kunst? Überhaupt nicht! Kraftwerk haben mal gesagt, dass Sie Kandinsky und Modrian viel besser finden, als zeitgenössische moderne Kunst. Interessanter Weise schließt sich hier ein irrer Kreis. Denn Wassily Kandinsky  teilte seine Werke mathematisch in drei Gruppen ein: Improvisationen, Impressionen und Kompositionen. Bei einem zunehmenden Abstraktionsgrad macht diese Art von Grammatik dann auch wieder Sinn. Und letztendlich ist es bei der elektronischen Musik der Gegenwart nicht anders.

Die vielen Ausdrucksmöglichkeiten von Sounds müssen pedantisch geprüft und ausgearbeitet werden, damit sie einen Sinn ergeben (siehe Video). Bei Kraftwerk stand noch das Bewusste im Vordergrund.

Denker bzw. Logiker wie Dan Snaith haben es da schwieriger, weil sie eben auch Künstler sind und mit ihrem Werk Gefühle ausdrücken möchten. Und da ich schon bei einer Momentaufnahme bin! Eine Band ohne Inszenierung und ohne Erscheinungsbild ist langweilig. Kraftwerk haben sich bei ihren vorangetriebenen Ideen, schon früh von den vorherrschenden Jugendkulturen, abgegrenzt.

Caribou gelingt das im Gegenspiel zu den ganzen autodidaktischen Elektroniker auf dieser Welt –allerdings auf musikalischer Ebene - ebenso. Our Love ist schlüssig, direkt und funktioniert im Sinne der Grammatik von Kandinsky. Die Vorgängeralben hatten irgendwie noch nicht diese Reife und produktionstechnische Größe. „Swim“ (2010) war nett und poppig, „Andorra“ zu versponnen mit zu viel klanglicher Wohnzimmerästhetik.

Und tatsächlich ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass diese Platte auch in Abhängig der Beschallung zum Zuhörer steht. Hört man genau hin, ist das Kopfkino der schönsten Art. Im Auto, zu Hause, auf der Tanzfläche, kann diese Scheibe trotzdem bestehen, weil sie einfache Melodien besitzt (Silver) und mit „Our Love“ echte Dancefloor-Qualitäten ausweist, was wohl daran liegt, dass sich  das Klangkonzept eindeutig an Clubmusik der neunziger Jahre orientiert, aber Kompositorisch weiter geht.

Irgenwie schaffen Caribou es Kontraste zu erzeugen, die tatsächlich diesen merkwürdigen, oftmals mit Caribou in Verbindung gebrachten, fluoreszierenden Sound zu erschaffen, was zumindest das halluzinogene Cover erklären könnte.

Aber kommen wir zum Punkt, denn der ist weitaus einfacher als meine unfruchtbareren Theorien. Diese Platte verliert den ursprünglichen Ethos nicht.  Denn wir hören eine reine elektronische Platte. Trotzdem muss man nicht die Konzepte oder Stile des Genres kennen um hier einzutauchen.

Es sind primär die magischen Momente die einen wie mich etwas Physisches in der Musik spüren lassen. Für mich persönlich und schon jetzt das Referenzalbum des 3. Quartals und somit definitiv in den TOP5 des Jahres.

 

Alan Lomax

Ableton Werbefilm, trotzdem sehr interessant!

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