Alltag

Auf dem Weg nach Hause habe ich die Gesichter hinter den Frontscheiben der Autos betrachtet. Man kann da Geschichten lesen.
Ich hielt an der Tankstelle meines Vertrauens. Vorher hatten mich 2 Autofahrer mit Ihrem defensiven Fahrstil in den Wahnsinn getrieben. An dieser Tankstelle wird man an der Kasse immer das Gleiche gefragt:
"Haben Sie eine Payback Karte?"
"Möchten Sie den XY Schoko Riegel? Wir haben 2 für einen Euro im Angebot!"
Eine Dame vor mir, die anscheinend dort Stammkundin ist, trat die Flucht nach vorne an: "Einmal die Nummer 3 ohne alles!" Scheinbar verstand die Kassiererin sofort und buchte ab. "Ohne alles?" Ich verstand schon wie sie das meinte, aber was bitte ist denn das für eine Sprache? Für einen kurzen Moment überlegte ich mir diese Taktik auch anzuwenden, aber da ich auch Sprach-Ästhet bin nahm ich lieber die Klassiker in Kauf, wobei ich innerlich etwas aggressiv wurde, denn hätte ich eine dieser Payback (von wegen) Karten oder Jappes auf einen Schoko Riegel, dann würde ich das schon sagen! Aber ich beruhigte mich wieder zahlte u.a. auch für eine dieser Musikzeitschriften in denen eh jeden Monat der gleiche Unsinn steht und fuhr weg.
Apropos: ich habe in den vergangenen Jahren bemerkt, wie gleichgültig und unfreundlich die Menschen geworden sind. Jedes mal wenn ich aus Rücksicht warte und den entgegenkommenden zuerst vorbei lasse, enge Strasse etc., dann schaue ich in das Auto, ob irgendeine Geste der Dankbarkeit kommt ..., Fehlanzeige. Anscheinend ist das Selbstverständlich geworden. Aber wahrscheinlich gehört das auch zum "guten Benehmen".
Heute morgen kam die unweigerliche Fahrstuhl-Sequenz und ich hätte mich im nach hinein ohrfeigen können für einen persönlichen fauxpas: entgegen der sonstigen Gewohnheit, die Franzosen sind da übrigens anders und die Amerikaner auch, im Fahrstuhl meinen Mund zu halten wollte ich auf Biegen und Brechen eine Kommunikation mit einem hinzugestiegenen Mitfahrer beginnen, da ich ein 'Social Animal' bin und was tat ich? Unfassbar, aber ich konnte einem inneren Antrieb folgend nicht anders: ich sprach über das Wetter! Grauen überkam mich bereits bei der Erwähnung dieses Alltagsklassikers! "Was für ein Mistwetter, oder?" Prompt ging der andere Homo sapiens darauf ein und es entwickelte sich der bekannte Trash-Wetter Dialog. Hinterher kam ich mir zwar blöd vor weil ich meinen Prinzipien nicht gefolgt bin, aber mir ging es besser: ich hatte mich kurz mit einem Menschen unterhalten.

Ich freue mich, wenn mein Wecker morgen wieder klingelt und bis dahin geniesse ich den Schritt in die Flüssigkeit.
Aus Hawai (fern von jeglichem Alltag),
R.D.
Bildquelle: www.mission-to-hawai.ch und personell wellness.info
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