Spirit Fiction - Ravi Coltrane

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  15. Juni 2012, 16:16  -  #Jazz

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Wie muss es für einen Menschen sein, der einen so übermächtigen Vater gehabt hat, zudem selbst Jazz spielt und eigene Wege gehen will? Wer Antworten auf diese Fragen sucht, der kann sie auf seinem neuen Album 'Spirit Fiction' finden, welches auf Blue Note am 15.06.2012 erscheint.

Ravi Coltrane wurde 1965 auf Long Island als Sohn von John und Alice Coltrane geboren. Da der Vater früh verstarb wurde Mr. Coltrane Jr. von seiner Mutter an der Westküste aufgezogen und sie dürfte einen grossen Beitrag zur musikalischen Förderung des Sohnes geleistet haben. Ein Idol und anerkannten Musiker als Vater zu haben muss aber keine Last sein, sondern kann auch Vorteile mit sich bringen. Coltrane hatte, ungeachtet seiner Herkunft und natürlich auch seinem Talent geschuldet,  die Gelegenheit mit vielen berühmten Musikern in der Vergangenheit zu spielen (Elvin Jones, Wallace Rooney, McCoy Tyner, Jack DeJohnette u.v.a.) und nahm 5 Alben in der Vergangenheit auf. Von solchen Musikern und deren Erfahrungen kann man nur zehren und an Erkenntnissen gewinnen.

http://ravicoltrane.com/

Angesprochen auf den Titel der neuen Platte erläutert Coltrane, dass Spirit Fiction als abstrakte Redewendung zu verstehen sei. Das Titelstück sei charakterisiert durch sich überlagernde Qualitäten, zum anderen sei der Titel auch eine Anspielung an die Wissenschaft , die in den Aufnahmen stecken würde. Im Grunde sei es um die Idee gegangen die Vorstellungskraft erfassen zu wollen. Wie ist das zu verstehen? Musikalisch-technisch in dem Sinne, dass verschiedene Aufnahmen übereinander gelegt werden: die eine Hälfte des Quartets hat eine klare Vorgabe, die andere Hälfte kommt hinzu und kann eigene Wege gehen. Die Idee, die dahintersteckt, ist herauszufinden wie diese Elemente miteinander korrespondieren.

Jazz eben.

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Das Album wird eröffnet mit 'Roads Cross', dazu Coltrane:"Wir spielen als zwei Duos, jedes hat seine eigene, wechselwirksame Agenda, was Puls und Tempo betrifft. Die Richtungen überlappen und überschneiden sich auch mal, alles ist in konstanter Bewegung - dadurch hoffe ich, eine gewisse Energie und Ganzheitlichkeit zu erschaffen." Wie Jazz funktioniert, bzw. welche Attraktivität diese Musik besitzt, offenbart sich auf dem später folgenden Titel 'Cross Roads'. Die Idee hinter der Improvisation ist die Gleiche, das Ergebnis ein vollkommen anderes. Programmieren Sie mal beide Titel hintereinander und hören sie hin, das macht Spass!

'The Change, My Girl', mit dem Sopransaxophon im Vordergrund, ist eine Reminiszenz an Coltrane's Tante, der Songwriterin Marilyn McLeod und deren verstorbener Tochter Tamra Ellison.

'Spring & Hudson' ist ein Drum und Tenorsaxophon Duett, eine Form der Zusammenkunft die Coltrane sehr schätzt.

Auf der Platte sind Kompositionen vertreten von Ralph Alessi, aber auch Paul Motian und Ornette Coleman. Der verstorbene Saxophonist Dewey Redman ist auf 'Check Out Time' (Coleman) und 'Fantasm' (Motian) zu hören. Letzterer wurde von Joe Lovano, dem Produzenten der Quintett-Sessions, vorgeschlagen. Paul Motian war 4 Wochen vor Beginn der Sessions verstorben. Lovano selbst hatte das Stück auf dem Album 'Psalm' von Paul Motian aus dem Jahr 1981 gespielt. 

Die Sidemen von Coltrane in zwei verschiedenen Besetzungen:

Luis Perdomo, Klavier

Drew Gress, Bass

E.J. Strickland, Schlagzeug

Ralph Alessi, Trompete

Geri Allen, Klavier

James Genus, Bass

Eric Harland, Schlagzeug

Die ersten drei sind Mitglieder des langjährigen Quartetts von Ravi Coltrane.

Wer modernen Jazz entdecken will, dem sei das Album sehr ans Herz gelegt. Eine spannende und hörenswerte Entdeckung!

http://www.emimusic.de/

Rick Deckard

Bildquelle/ Copyright: www.ravicoltrane.com

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