Deutsche Serien im Herbst 2018 – 4 Blocks, Beat, Dogs of Berlin
Kein Spoiler!
Ich habe keine Ahnung, woher der Irrglaube des deutschen Feuilletons kommt, dass Figuren und Handlungen in Serien immer wahrhaftig sein müssen? Ein zutiefst deutscher Anspruch. Ein mögliches Bedürfnis von Kulturkritikern vielleicht, die immer das Gegenteil suchen. Menschlich gesehen ein Anliegen bzw. innerer Anspruch der für einen bezahlten Kulturbeobachter nachvollziehbar ist, schließlich muss er sich ja erklären, aber für Produktionen im Blogbuster-Bereich von Kino und Serienanbietern wie NETFLIX und AMAZON PRIME überhaupt nicht relevant sind.
Dieses Streben der Fachjournalisten geht dann auch zumeist in den Bereich des Lächerlichen und im schlimmsten Fall werden sogar Spießbürgerliche Fernsehsender aus dem öffentlichen Bereich in einem Übereifer emporgehoben, obwohl diese in den letzten Jahren die größten Schäden zu verwalten haben.
Dieser Artikel soll keine Empörung gegen ARD und ZDF Filmproduktionen sein, aber wer das Geschehen aufmerksam verfolgt, wird zumindest im geringsten Maße nachvollziehen können, was ich meine: Nämlich das wir uns doch das Beste aus allen Welten zur Unterhaltung nehmen und dann sehen, was am meisten Spaß macht oder einen möglichen kontextuellen künstlerischen Sinn ergibt. Und um mit Billy Wilder zu sprechen: „Es gibt nur gute und schlechte Filme“…erweitert auf Serien, wäre das bestimmt ok.
Nun gibt es tatsächlich aufgeheizte Stimmungen in den deutschen Großstädten. Es gibt organisiertes Verbrechen und auch unterschiedliche prekäre Milieus. Von diesen wird in allen drei Serien ja erzählt. Zusammengefasst geht es also um arabische Großfamilien (neuerdings wieder Clans genannt), um korrupte Polizisten, um Neonazis, Sex, Gewalt, Drogen und Prostitution.
Das gab es auch schon in den letzten 50 Jahren. Und ob die Wahrnehmung zu Zeiten von Tatort, Der Alte, Derrick oder anderen großen Krimiserien eine andere war oder wir das anders sehen wollten, ist eigentlich eine der Kernfragen, die ich mir stelle.
Vielleicht wurde in diesen klassischen Serien, in der es auch um Mord, Gewalt, Korruption, Sex, gesellschaftliche Probleme und frühe Soziopaten (Der Hammermörder; Aktenzeichen XY von 1985) ging, mehr Distanz geschaffen. Vielleicht fand das Spiel häufig in Vororten der Stadt München statt oder in Gebieten des Ruhrgebietes, wo sich „damals“ niemand hin getraut hat. Vielleicht fand das ganze Greul der Großstädte auch tatsächlich mehr im Underground statt und man wollte davon einfach nichts gewusst haben. Außer in Köln. Denn hier hat man schon immer seine Ganoven geliebt:
Im Miljö - Geschichten aus Köln - www.lomax-deckard.de
Bildquelle: http://programm.ard.de/Programm/Bildergalerie?event_id=281115679523495&archive= Wer in diesem Dokumentarfilm des WDR (erhältlich auch als Leih- und Kauf DVD) auf einen Kommentar wartet...
http://www.lomax-deckard.de/article-im-miljo-geschichten-aus-koln-92308399.html
Mit Angst möchte niemand leben. Es ist klar, dass da auch ein Wegschieben und Distanzbewahrung stattfindet. Menschen die ich kenne, möchten häufig nicht mit Problemen konfrontiert werden. Es gibt zig Beispiele dafür: Z. B. die Tatsache, dass ich niemanden kenne, der zu einem Media-Markt oder Saturn in Köln nach Chorweiler fährt. Obwohl es dort gute Parkplätze gibt, die Märkte super sind und man, zumindest aus dem Kölner Norden kommend sehr gut dahin kommt. Die Menschen fahren in die Stadt dafür. Chorweiler gilt als soziales Problemviertel. Interessant finde ich auch immer wieder, dass selbst in Köln niemand etwas von der italienischen Mafia wissen will. Obwohl es öffentliche Schiesserein gibt und ranghohe Mafiabosse seit Jahrzehnten nach Köln kommen um sich zurückzuziehen, da sie hier eine große sizilianische Community vorfinden. Arber und Türken in meiner Stadt, bezahlen nur bar. Nie mit Karte. Auch unter einander nicht. Auch nicht, wenn sie Autos kaufen oder Wohnungen. Es gibt Subkulturen. Und es gibt z. B. im ganzen Bergischen Land Chinesische Restaurants. Meist auf über 500 qm, mit über 200 Plätzen. Nie aber sind dort mehr als 10 Kunden anzutreffen. Dennoch existieren diese Läden seit Jahrzehnten.
Konfrontiert man in Gesprächen Menschen aus seinem sozialen Kreis damit, wird meist mit einem erstaunten „Ach ja“ oder „na ja“ geantwortet. Die Menschen haben keine Meinung dazu. Und wahrscheinlich möchten sie sich nicht damit auseinandersetzen. Und wahrscheinlich haben sie auch nicht meine Meinung, dass das eben zu einer Großstadt dazu gehört und schon immer gehörte. Verbrechen ist real, Gewalt und Gangster auch.
Und ja es gibt auch diese Typen mit Goldkettchen, die im Lamborghini rumfahren und ehr „Isch“ als „Ich“ sagen. Und die Typen leben neben mir und mit mir. Na und?
Dogs Of Berlin stellt diese Situation mit Humor und einem tatsächlichen humanistischen Hintergrund dar. Bitte! …ich will jetzt keine Gewaltdiskussion entfachen. Die muss hier und im Subkontext zu den Filmen die wir sehen und bewundern nicht mehr geführt werden. Wenn das aber trotzdem reizt, sollte in Interviews unseres Mentors und Blogvaters Martin Scorsese nachlesen, was es dazu zu sagen gibt.
Die TAZ schreibt über Dogs Of Berlin wirklich sehr gut, dass die Serie nicht authentisch ist und deshalb gut. Vordergründig aber wird eine gute, spannende Geschichte erzählt, die unterhält, nicht immer logisch ist, aber sich bemüht komplexe Charaktere zu zeigen und an einen internationalen Standard anzudocken.
Und ich finde das ist die wesentliche Leistung von Showrunner Christian Alvart, er schafft und übertrifft zum großen Teil den Standard. Natürlich ist das nicht die Premiere bzw. der internationale Türöffner. Derrick läuft noch immer in Frankreich, Belgien und England im Vorabendprogramm. Und auch andere gute Serien der neueren Bauart wie Babylon Berlin funktionieren in aller Welt und bringen neue Touristen nach Berlin, die auf der Suche nach etwas Besonderem sind. Ebenso wie diese es in Paris suchen, weil ihnen seit Jahrhunderten Geschichten aus Paris erzählt werden.
Beat und 4 Blocks haben einen etwas anderen Ansatz und vielleicht mag der deutsche Kulturjournalist diese Ansätze auch etwas lieber, da es hier offensichtliche Kontexte zur Bewertung und Begründung gibt.
Da ist einerseits 4 Blocks. Die Serie spielt im Grunde genommen im gleichen Milieus wie Dogs of Berlin und es wäre so was von falsch zu sagen, dass sie weniger auf die 12 geht, aber im Grunde genommen ist das tatsächlich ehr eine Charakterstudie der Clans of Berlin, als das laute Bellen der Hunde. „Falsch“ übrigens, weil ich nun nicht Erwartungshaltung von Feingeistern wecken will, die dort ein facettenreiches Kammerspiel erwarten. Nein, im Gegenteil. 4 Blocks ist rauh, ruppig, reaktionär, unbequem, trashig und ehr etwas für John Milius Fan der das Bahnhofskino bevorzugt, als für Martin Scorsese Liebhaber der in einem Arthouse-Kino sitzt.
Die dritte sehenswerte und unterhaltsame Serie aus dem neuen Genre Berliner Stadtleben ist BEAT. Beat spielt weniger im Milieus der Clans, aber bei ebenso finsteren Gesellen. Die kommen aber ein wenig mehr von offizieller Stelle und werden auf verschachtelte Art und Weise von einem ziemlichen Bösewicht gesteuert, der zudem auch noch unter ziemlich eingeschränkten Mitfühlungsvermögen leidet und ehr in der Tradition eines Horst Franks steht. BEAT ist auch etwas langsamer als 4 Blocks und Dogs Of Berlin und vielleicht etwas zahmer und ist ehr für konservative TV-Enthusiasten verstörend. Von einer klassischen Gestaltung zu sprechen wäre auch hier falsch. Denn das besondere ist natürlich, das hier als Umfeld, das Milieu der Berliner Technoclubs gewählt wurde. Schön längst nicht mehr so Underground wie einst und auch bereits längst im Mainstream angekommen.
Techno und Berlin gehört zusammen und es gibt Menschen unter 30 Jahren die genau aus diesem Grund Berlin besuchen. Die Hauptfigur Beat (kein Schweizer, sondern namentlich bezogen auf seinen Job als Promoter für DJs) ist großartig und man muss tatsächlich von dem Namen des Schauspielers sprechen: Jannis Niewöhner ist der Hauptgewinn der Serie. Er verkörpert die Hauptfigur nicht nur, sondern schenkt ihr Tiefe, die über ein paar Staffeln anhalten wird. Nach den famosen Bildern der letzten Staffeln, werden Sie verstehen was ich meine! Ein deutscher Superheld/Identitätsfigur ist geboren worden. Hoffentlich ist sich Marco Johann Kreuzpaintner der Showrunner (dieser tolle Begriff muss sich in Deutschland durchsetzen) dessen bewusst und macht keine Abzüge bei den nächsten Staffeln, sondern lässt ihn so anarchistisch und zerrissen.
Ein neues Zeitalter bricht also an. Die Streamingdienste haben Geld ohne Ende, denn die internationalen Ausstrahlungen versprechen langanhaltende Einnahmen, Ruhm und Ehre. Es bleibt zu hoffen, dass Auswirkungen, wie Anspruch und Zeit, dass nicht zerstören.
Uns Zuschauern bleibt die Wahl: Einschalten oder Ausschalten. Gut oder schlecht….
Aus der No Go Area
Alan Lomax