Red Lights – Rodrigo Cortés
Das spanische Kino ist das derzeit interessanteste europäische Kino! Während Deutschland und Frankreich sich mit familienfreundlichen Komödien annähern, Skandinavien komplett den Avantgardebereich besetzt und sich England um Etats und Subvention bemüht, lodert in Spanien bereits seit einigen Jahren eine kleine Flamme. Denken wir nur an EL ORFANTO (Juan Antonio Bayona) und dem in meinem Kopf immer besser werdenden REC von Jaume Balagueró. Belohnung für solch nationale künstlerische und kommerzielle Erfolge sind dann auch immer Landsmann-Erfolge in Hollywood, der Anderen.
Wenn man den überaus blassen und sehr hageren Rodrigo Cortés im Interview sieht, fühlt man sich darin bestätigt, wie man sich einen solch jungen spanischen Regisseur vorstellt. Man könnte sagen, dass das Cortés erster großer Film ist. Für das Platzangstspektakel LEBENDIG BEGRABEN arbeitetet er noch mit einem kleinen Set und primär als Cutter, weiterhin hat er einige Kurzfilme gedreht.
Dann das erste Mal Regie bei einer großen Produktion! Und gleich mit Hollywoods erster (ehemaliger?) Garde Robert De Niro, Sigourney Weaver und Cillian Murphy (der mir seit INCEPTION immer besser gefällt). Ich frage mich immer, wie das funktioniert, insbesondere wenn man in den EXTRAS hört wie schlecht sein englisch ist?
Red Lights ist ein klassischer Psychothriller, der sich allerdings mit der Entlarvung paranormaler Phänomenen befasst. Und es passiert genau das, was Regieanfängern bei solchen Produktionen immer passiert: Sie konzentrieren sich zu stark auf das Handwerk und vergessen die Plausibilität, mit denen Sie sich bei ihren Erstlingswerken bewiesen haben.
Die Psychologin Dr. Margaret Matheson (Sigourney Weaver) deckt seit Jahren parapsychologische Phänomene auf. Unterstützt wird sie von dem begabten Physiker Tom Buckley (Cillian Murphy). Buckley sieht seine große Chance kommen, als der Magier Simon Silver (Robert De Niro) in die Stadt kommt. Die Aufdeckung des Gauklers entwickelt sich zu einer Obsession.
Die Einführung der Personen und der Geschichte im ersten Teil des Filmes ist sehr packend und spannend. Die Bildsprache ist sehr gut. Cortés legt sehr viel Wert auf Beleuchtung und Stimmungen seiner Protagonisten. Leider wird der Film in der zweiten Hälfte schwächer. Das liegt auch an der Einführung des diabolisch und geheimnisvollen, blinden Magiers Simon Silver, der von De Niro überdimensional dargestellt wird. Leider drehen sich die Verschwörungen und Traumsequenzen ab sofort im Kreis. Die Bildsprache passt nicht mehr zu den schnell hintereinander geschnittenen Sequenzen und der komplette Inszenierungsstil bricht in sich zusammen. Das brachiale Finale ist mehr als übertrieben und lässt den Film somit als zweiten Hauptkritikpunkt zum Trash absacken.
Aber der erste Teil lässt hoffen. Cortes Entscheidung die präzise Logik eines konventionellen Thrillers zu verlassen hat den Film gekillt. Trotzdem finde ich es -insbesondere weil wir immer so viel über das moderne Kino lästern- interessant, ebensolche Filme zu sehen. „Die Menschen sind auch keineswegs so kritisch wie wir es sind. Kino ist, man sieht es immer wieder, Unterhaltung und Zeitvertreib, und längst keine Kunst (mehr).“, schreibt Deckard kürzlich in einem Kommentar zu meinem Eintrag über den Hobbit.
Ich bleibe dabei: Ich bin immer wieder überrascht, wie leichtfertig mit der Poesie des Kinos umgegangen wird. Man kann sich nun dafür interessieren oder nicht. Ich interessiere mich dafür und zwangsweise, muss ich dann auch darüber nachdenken.
Zuschauern den es weniger wichtig ist, schreibe ich nichts vor und schon gar nicht will ich hier jemanden belehren. Mir geht es um die Funktionalität des Kinos, wie ein Film entsteht, warum er gut oder schlecht ist und weshalb er mich erreicht oder nicht. Was soll daran schlecht oder zynisch sein?
Denn schließlich würde ich einem Fussballfan, auch nicht den montäglichen KICKER Kauf absprechen! „Alter reicht es nicht, wenn Du Dir das Spiel Deiner Mannschaft am Samstag im Fernsehen ansiehst.“ Warum sollte ich das auch tun? Aber warum tun das Menschen, wenn Interessierte sich mit einem Film auseinandersetzen um zu verstehen, wie das Kino funktioniert?
Die Welt wird immer komischer. Und übrigens: …man kann abwarten und hoffen, wird es aber nicht erfahren, wenn man nicht am Ball bleibt! …weder beim Sport, beim Film oder bei der Magie.
Alan Lomax