Paul McCartney - Kisses On The Bottom
Paul McCartney, der nächstes Jahr 70 Jahre alt wird, hat mit 'Kisses on the bottom' ein Album aufgenommen, welches er in dieser Lebensphase aufnehmen musste und aufgenommen hat. Es fasziniert mich immer wieder: Es gibt Songs, die verdienen wirklich den Status 'Klassiker' - sie sind ewig, unvergänglich. Egal welcher Musiker, egal welches Genre der populären Musik, alle, sie alle kehren entweder zu ihnen zurück oder entdecken und interpretieren sie neu.
So auch McCartney. In den Liner Notes erinnert er sich an die Tage nach dem zweiten Weltkrieg, er erinnert sich an die Tage um Silvester und Neujahr. Erinnert sich daran, wie die Menschen die Gräuel des Krieges vergessen wollten. Sie gesellten sich zueinander, sie sangen, sie tanzten. Weiter, so sagt er, gab es nicht viele Güter nach dem Krieg, bis auf die Tatsache, dass viele Menschen aus irgendeinem Grund ein Klavier im Haus stehen hatten. Im Falle McCartney sang der Vater dazu, später Paul selbst.
An diese Ära, an diese Form seiner frühen musikalischen Sozialisierung erinnert er sich mit diesem Album zurück. Auf ihm sind aber nicht die typischen Vertreter des 'Great American Songbook' vertreten, sondern eher Titel, die in Vergessenheit geraten sind oder überhört wurden im Schatten der berühmten Geschwister.
Davon gibt es auf 'Kisses On The Bottom' jede Menge. Da ich Sinatra sehr verehre und liebe, sind mir viele Songs aus dieser Zeit bekannt, aber McCartney überrascht hier mit etlichen neuen und "unbekannten" Perlen. Das Album beginnt allerdings mit einem Titel, der ein breites Grinsen von links nach rechts auf mein Gesicht zauberte: I'm gonna sit right down and write myself a letter (Young/ Ahlert). McCartney steuert eine eigene Komposition bei, ganz im Stile der interpretierten Songs, mit 'My Valentine'. Wenn man dieses Lied hört, dann weiß man, warum Paul McCartney einer der ganz Großen ist ... .
Paul McCartney goes Jazz!
Stöbert man im Booklet, so wird einem warm ums Herz. Das Album wurde von Tommy LiPuma produziert, was man jede Sekunde heraushört. Eine fantastische Produktion. Der Klang ist so gut, als dass es den Anschein hätte man würde im Aufnahmestudio oder vor einer Konzertbühne sitzen. Ein sehr raumgreifender, voluminöser Sound!
Diana Krall und ihre Band begleiten den Sänger, was die Songs nochmals eine Stufe höher hebt. Sie wurden aufgenommen in den Avatar Studios in New York, den Capitol Studios in Los Angeles und den Abbey Road Studios. Was das allein für Historien sind! Wer da alles gesungen hat!
'Kisses On The Bottom' ist ein einziger Genuss. Musik zum wohl fühlen. Musik zum entspannen. Musik zur Beruhigung. Musik um den Alltag komplett zu vergessen. Songs voller Erhabenheit. Es sind durchweg grossartige Arrangements. Auf zwei Titeln spielen zwei ganz Grosse ganz bescheiden: Stevie Wonder Mundharmonika und Eric Clapton Gitarre.
Zum Interpreten gesellen sich eine Combo bestehend aus Piano (Krall), Schlagzeug, Gitarre und Bass. Als Tupfer auf dem i hier und dort eine Posaune, eine Violine und ein Vibraphon. Doch des hohen Niveaus nicht genug, spielt auch noch das London Symphony Orchestra bei vielen Songs im Hintergrund.
Auf dem, meiner Meinung nach, beeindruckendsten Stück, 'The Inch Worm', singt ein Kinderchor im Hinter- und Vordergrund, der im Einklang mit dem Sänger für einen unvergleichlichen Moment sorgt.
"I can imagine you come home from work, kick your shoes off, and have your favorite drink, whether it's hot cocoa or wine or a cup of tea, and you just sit back. It's that kind of album. It's a nice mood. Just let it flood over you."
Paul McCartney.
Vergessen Sie alles was ich oben geschrieben habe, er hat es mit einem Satz formuliert.
Was für ein wunderschönes Album!
Rick Deckard