All Time Classics – Spike Lee’s Do The Right Thing
Vielleicht gibt es seine Handvoll Regisseure deren Werk hier beide Autoren würdigen würden. Spike Lee gehört auf jeden Fall dazu, da er „so unverrückbar in unserer gedanklichen Festplatte installiert ist, dass eine Auslöschung unmöglich ist“.
Spike Lee ist für mich vielleicht nachhaltig prägender, als für Deckard. Aber das steht nicht zur Debatte, da auch Deckard Regisseure hat, die ich ebenso großartig finde, aber vielleicht nicht so intensiv verfolgt habe.
Den amerikanischen Filmregisseur, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler habe ich 1989 mit seinem Apartheitsfilm „Do The Right Thing“ kennengelernt. Es war einer dieser berühmten Momente im Kino, bei dem einem die Beine weggezogen werden und man sich wie neugeboren fühlt, weil man auf einer Ebene angesprochen wird, deren selbst man sich gar nicht bewusst war.
Am vorletzten Wochenende habe ich mit Spike Lee’s „25 Hours“ und „Inside Man“ eine kleine Retrospektive gestartet, die ich in den nächsten Tagen mit „Spiel des Lebens“ (1997) und „Summer Of Sam“ (1999) beenden werden. Als Bonus kann ich dem geneigten Leser immer wieder und immer wieder nur „Buffalo Soldiers`44 anbieten: http://www.lomax-deckard.de/article-inside-man-spike-lee-115036390.html
„Do The Right Thing“ muss ich mir nicht notwendiger Weise ansehen, um über ihn zu schreiben, da er zu den wenigen Filmen gehört, die ich auswendig kenne. Er rangiert seit einigen Zeiten auf Platz 2 meiner ewigen Lieblingsfilme: http://www.lomax-deckard.de/article-25437440.html und hat eindeutig die Chance zu verweilen.
Die Gründe für meine Passion zu diesem Film sind vielfältig und gerne trage ich sie vor: Zunächst einmal führt dieser Film eine Palette von Themen und Motiven zusammen die mich von je her stark interessiert haben: Offenheit, Entstehung von Gewalt, Rassismus, New York, Hip Hop, Jazz, Drama und ungewöhnliche, aber nachvollziehbare Erzähltechniken eines Films.
Insbesondere zur heutigen Zeit, wo (leider) immer noch entkräftende und viel zu kleinteilige Debatten über rassistische Bezeichnungen in Kinderbücher von damals geführt werden, sollten sich einige Wortführer –egal von welcher Seite– mal diesen Film ansehen. Denn dieser Film ist so klug und reflektierend, weil er sich nicht anmaßt, einen Lösungsweg für die Rassenproblematik zu finden, sondern anhand des Entwicklungsprozesses einer geschlossenen Filmgeschichte verständlich macht, warum es Dinge in dieser Welt gibt die unverständlich bleiben. Und er hinterlässt seine Zuschauer wütend. Denn Rassismus bleibt immer da! Jeden Tag, in jedem Land, zu jeder Situation. Und er wird bleiben, auch im „freien“ Amerika oder Deutschland, wo es eigentlich genügend Platz für alle gibt und die Menschen eigentlich langsam verstanden haben sollten, dass jeder Mensch gleich ist! Spike Lee zeigt uns das und entlässt uns mit nur einem Gedanken: „Wir müssen über dieses Problem immer wieder reden und uns dem Thema stellen. Wenn das nicht geschieht, wird es nur schlimmer.“
„Do The Right Thing“ hat nach fast einem viertel Jahrhundert immer noch eine wichtige Relevanz. Neben Stanley Kramers „Wer den Wind sät“, ist es überhaupt der wichtigste Film über Intoleranz und Fanatismus. Kramers Film ist von 1960.
Allerdings erlaubt Lee sich und uns nicht zu sagen, was das richtige ist! Denn wer will das schon aus der jeweiligen Perspektive der Ethnie oder moralischen Sichtweise entscheiden? Kramer macht es sich einfacher, ist vielleicht klarer!? Er kennzeichnet seine Figuren: Gut und Böse! Und lässt den Zuschauer, am Ende selbst entscheiden, ob er Affe oder Mensch oder beides ist!
Der Film „Do The Right Thing“ ist also in erster Linie, eine furiose Denkanregung gegen Rassismus!
Das Flimmern in den Straßen von New York, die Hitze, die anschwellende Aggression und die finale Verengung der Handlung auf „Sal’s Famous Pizzeria“ im Finale ist Atem beraubend und ist mit keiner anderen Filmsequenz der letzten 30 Jahre zu vergleichen. Zumindest nicht wenn es um die Darstellung auf einer Bühne, einem Raum geht.
Natürlich bedient sich Spike Lee an klassischen Theaterwerkzeugen und Meistern wie Brecht und Aristoteles. Die Verengung der gesellschaftspolitischen Themen mit den zentralen Räumen des heißen New Yorks müssen Steilvorlagen für jeden Filmlehrer und Referenten sein. Famos der Transfer in die Neuzeit, verkleidet im Gewand der Subkulturen und sozialen Zentren.
Hat man als Zuschauer weniger Verständnis für Visuelles und die Cinematographie, dann sollte doch zumindest die Musik im Subkontext der soziokulturellen Bedeutung bewegen. Denn auch hierbei landet Spike Lee einen interessanten und genialen Coup.
Einerseits prägt Public Enemy mit dem Song „Fight The Power“ den Film. Im Intro schlägt uns der Beat von Terminator X um die Ohren. Hat man sich damals bereits mit Hip Hop beschäftigt, so war einem sehr wohl klar, dass sich die Band um Chuck D und Flavor Flav immer auf dem schmalen Grad zum eigenen Rassismus gegen Weiße befand. Aus Wut wurde in D.‘s Texten immer Provokation. Um zu verstehen was Chuck D.s Beweggründe waren, muss man seine nachvollziehbare Biographie lesen. Diesen Vorwurf musste sich nicht nur Spike Lee gefallen lassen, sondern eigentlich jeder Rebell der eine Position vertritt, aber auf Ungleichbarkeiten aufmerksam machen möchte.
Spike Lee hat natürlich verstanden, dass er Public Enemy unmöglich musikalisch mit ihren politischen Ansichten stehen lassen konnte und setzte dem harten Rap, die zweite von allen jemals amerikanischen erfundenen Kunstformen, den Jazz als Kontrastpunkt gegenüber. Und zwar nicht in seiner ursprünglichen revolutionierender Form des Bop’s, sondern als Orchestrale und somit auch von „Weißen“, verstehbares Set.
Spike Lees Vater Bill hat den wunderbaren Score arrangiert und geschrieben. Branford Marsalis führt die hochkarätig besetzte Band (Blanchard, Donald Harrison, Kenny Barron, Jeff Watts) an. Hinzu kommt ein Streicherorchester, welches einen mit den wunderbaren Melodien in Dur sonnige Spaziergänge durch die Baumwollfelder des Südens, in den Mollklängen an urbane, tieftraurige, verregnete und versoffene Barabende in irgendeiner amerikanischen Großstadt erinnern lässt.
Ich persönlich halte den Score von Bill Lee und Brandford Marsalis für den besten Jazzscore der jemals für einen Film geschrieben wurde. Beiden Musikern ist es gelungen 100 Jahre schwarze Musik aufzuarbeiten und kongenial der schwarzen Kultur der Großstadt gegenüber zu setzten, dabei nicht vergisst das Jazz auch Melodie und Roots im Blues, Gospel und der Marschmusik der 1920er Jahre hat. Dabei ist das Haupthema "Mookie„ ein Geschenk, eine Hymne an die gesamte großartige afro-amerikanische Kunst- und Musikszene überhaupt. NEVER OUT OF TIME!!!
Erst zwei Jahre später begründeten Gang Starr mit ihrem Stück „Jazz Thing“ und ihrem Beitrag zu Spike Lees nachfolge Film „Mo‘ better Blues“ die Fusion Jazz und Rap. Bewusst haben sich dann viele Nachfolgemusiker aus dem Jazz- und HipHop-Bereich der gleichen Idee hingegeben: Roots, Improvisation und politisch nutzbare Ideen!.
Mo‘ Better Blues ist ein neorealistischer Jazzfilm. Mit einer tollen Story, grandioser Musik, dem besten Denzel Washington überhaupt und steht in bester Tradition des New Black Cinema, eben weil er auch die Wurzeln der Musik erklärt, überträgt und kongenial unterhält. Im Vergleich zu „Do The Right Thing“ fehlt ihm aber die naturalistische und impressionistische Kraft. Und diesen impressionistischen Bezug stellt Spike Lee eben auch mit den Klangbildern seines Vaters her und der Atmosphäre und der Stimmung der Hip Hop Musik.
Im Prinzip muss ein Film wie „Do The Right Thing“ im Geiste der deutschen Filmkritikerin Lotte Eisner gewürdigt werden. Die kulturgeschichtlichen Zusammenhänge in dem Film sind so groß, dass man diese eigentlich nur im Stile einer anspruchsvollen Filmkritik, vielleicht weniger subjektiv als ich das mache, aufarbeiten kann.
Schaut man sich intensiv die Station der afroamerikanischen Filmgeschichte in Amerika an, ist man schnell erstaunt, wie selten glaubwürdig und ansprechend, das Thema Rassismus, Sklaverei und afro-amerikanische Problematiken in Filmen behandelt wurde.
Im Mainstreamkino wird das Thema leider oftmals nur als Motiv benutzt, während der Blaxploitation-Ära ehr als Unterhaltung und während der New Black Cinema Zeit (1980 – 1990) kann man ehr dürftig Mario Van Peebles „New Jack City“ und „Boyz N The Hood“ (John Singleton) nennen. Bedenkt man mit wie vielen Filmen sich der junge deutsche Film mit der Barbarei der Nazi-Zeit auseinandergesetzt hat, klafft dort eine riesen Lücke. Ich finde das macht nachdenklich und vielleicht sogar wütend, wenn man die Macht Hollywoods, als die Macht des „weißen“ Mannes betrachtet.
Spike Lee wollte dann nachvollziehbar die Geschichte von Malcolm X umsetzen und dem Black-Muslim-Anführer ein Denkmal zu setzen. Sein politisches Epos ist dabei leider etwas langatmig geraten und verzichtet, stilistisch nachvollziehbar, auf die unbekümmerten Idee von „Do The Right Thing“. Das psychologisch tiefgehende Portrait von Malcolm X ist ein großer Film geworden. Vermittelt aber eben ehr politische Klischees als die hedonistische, liberale Grundhaltung des pointierten „Do The Right Things“.
Natürlich ist Lees gesamtes Werk umfassender, als die hier angesprochenen und kommenden Filme wie „Summer of Sam“ und „He got Game“. Man muss „School Daze“ und zumindest „She‘ gotta Have it“ gesehen haben. Zwei kleine Off-Filme aus den Programmkinos der 1980er Jahre. Die aber sehr viel Würze und Energie haben. Heute vielleicht nicht mehr zeitgemäß sind, weil sie zu unbedarft wirken. „Jungle Fever“ ein etwas schwierigerer Film aus der Filmografie, weil Lee umständlich in der Stilistik eines Woody Allen versucht die afro-amerikanische Seele zu durchleuchten. Dann die vergessenen Filme wie „Crooklyn“ und „Clockers“ und „Girl 6“. Und wenn man anfängt sich für das Werk von Lee zu interessieren, sollte man sich die TV-Dokumentationen „Kobe Doin‘ Work“ und Michael Jackson Bad 25 Documentary ansehen, um die technische Vielfalt und die Fähigkeit der zurückgezogenen Inszenierung von Lee kennenzulernen.
Derzeit steht es schwierig um den sympathischen Kinokämpfer der eigentlich nur gute Geschichten erzählen will und das politische Kino für Tod hält. Einerseits wird er für seine Kritik an Tarantinos Holocaust-Western „Django“ diskreditiert, andererseits hat er sich selbst mit diesem Thema aufgegeben. Schade!
Derzeit dreht Spike Lee an einem amerikanischen Remake von „Old Boy“. „Old Boy“ basiert auf einem japanischen Manga und dem gleichnamigen Süd-Koreanischen Film von Park Chan-Wook. Allerdings kann man jetzt schon annehmen, dass dem Film wohl alle asiatischen Zähne gezogen werden und es sich ehr eine amerikanische Neuverfilmung á la „The Departed“ (Internal Affairs) handeln wird. Aber mit Samuel L. Jackson und Josh Brolin und seiner Art und Weise Filme zu machen, kann Spike Lee nichts falsch machen. Vermutlich wird der Streifen ein Kassenschlager und dann sieht auch normaler Weise die Welt eines Filmemachers wieder anders aus.
Den Spike Lee ist ein Filmemacher! Ein intellektueller Handwerker, der es versteht komplexe Handlungen und Gefühle auf die Leinwand zu zaubern, um Menschen wie uns klar zu machen, wer wir sind und wer wir sein sollten.
Thank You Mr. Lee!
Alan Lomax