Squid – Club Volta, Köln, 10. April 2025
Gestern Morgen hörte ich einen spannenden Audio-Beitrag bei Deutschlandfunk Kultur. Thema: Warum besuchen immer mehr ältere Menschen die Konzerte junger Indie-Acts? Die Antwort ist für uns „ältere Semester“ so naheliegend wie selbstverständlich: Wir haben unsere Vorliebe für Indie-Musik bereits früh entwickelt und sind ihr treu geblieben. Zudem hat sich die Konzertkultur verändert – sie ist generationsübergreifend geworden.
Beim gestrigen Konzert von Squid im Kölner Club Volta bestätigte sich genau das was ich denke: Das Alter der Besucher spielt keine Rolle, entscheidend ist die gemeinsame Leidenschaft für gute Musik. Bands wie Squid profitieren eindeutig von dieser vielschichtigen Atmosphäre – ein Gewinn für beide Seiten.
Der Club Volta ist gut gefüllt, die Stimmung entspannt und erwartungsvoll zugleich. Hier sind Menschen versammelt, die Alben bewusst hören und lieben. Es liegt eine konzentrierte Vorfreude in der Luft.
Squid aus Brighton veröffentlichten bereits 2016 ihre erste Single „Perfect Teeth“. Das Debütalbum erschien 2021 bei Warp Records und schaffte es überraschend weit nach oben in den britischen Charts. Es folgten intensive Tourneen, zahlreiche Konzerte und zwei weitere Alben bis hin zum aktuellen und äußerst hörenswerten Werk „Cowards“. Bereits der Einstieg mit „Crispy Skin“ ist fulminant und treffend: Ein Song, der sich tatsächlich genau so anhört und anfühlt, wie sein Titel verspricht. Getragen von einem großartigen Arpeggiator säuselt sich die Musik tief in Bauch und Seele hinein.
Squid ist zweifellos eine physische Band – sie erzeugen Aufmerksamkeit mit subtilen, aber kraftvollen Mitteln. Inhaltlich kreist das Quintett oft um Fragen der Moral. „Crispy Skin“ etwa thematisiert provokant und satirisch die Frage, was wäre, wenn Kannibalismus zur gesellschaftlichen Norm würde und Menschenprodukte im Supermarktregal landeten.
Schon 2023 im Gebäude 9 strebten Squid danach, sich gängigen Definitionen des Post-Punk zu entziehen. Eigentlich, so scheint es, wären sie gerne eine experimentelle Jazz-Band. Jeder Takt, jede musikalische Idee, jede komplexe Arrangement-Idee unterstreicht diese Ambition. Doch während auf ihrem vorherigen Album „O Monolith“ noch eindeutigere tanzbare Impulse dominierten, wirkt die Band nun live deutlich selbstsicherer und stärker als Einheit denn je. Ein sichtbares Zeichen dieser Weiterentwicklung: Schlagzeuger und Sänger Ollie Judge sitzt nun nicht mehr zentral vorne, sondern wirkt als integraler Teil des Kollektivs aus der Backline heraus. Eine kluge Entscheidung, die die kollektive Stärke der Band unterstreicht.
Doch wo viel Licht ist, fällt zwangsläufig auch Schatten: Squid bewegen sich musikalisch auf dem Höhepunkt ihrer Möglichkeiten. Ihre Songs sind beeindruckend, ihre Live-Auftritte berauschend, ihr Gespür für Timing und Atmosphäre ist herausragend, und trotzdem scheinen sie an einem kreativen Plateau angekommen. Womöglich liegt genau hier die Grenze dessen, was ohne fundierte musikalische Ausbildung möglich ist.
Vielleicht gelingt es Squid dennoch, sich immer wieder neu zu erfinden, ähnlich den Schotten von Mogwai, deren musikalisches Handwerkszeug jedoch ebenfalls begrenzt ist, selbst wenn sie immer wieder furiose Klangwelten erschaffen.
Doch Vorsicht: Hier geht es nicht um musikalisches „Besser“ oder „Schlechter“, sondern um die Frage, welche zusätzlichen Möglichkeiten genialen Bands wie Squid offenstünden, wenn sie ihrer Kreativität eine fundierte musikalische Ausbildung hinzufügen würden.
Alte Männer und Jazz? Ach was, ganz so einfach ist das nicht. ;-)
Alan „Crispy“ Lomax aus Lower Manthattan
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SQUID - Live Gebäude 9 Köln 05.09.2023 - www.lomax-deckard.de
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https://www.lomax-deckard.de/2023/09/squid-live-gebaude-9-koln-05.09.2023.html