Michael Gira / Kristof Hahn Helios37, 21. April 2025

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  22. April 2025, 13:07  -  #Cologne live

Shogun Konzerte

Shogun Konzerte

Michael Gira / Kristof Hahn – Die stille Gewalt.
Köln, Helios37, 21. April 2025

Es ist Montagabend in Köln-Ehrenfeld, und das Wetter weiß nicht, was es will – wie passend. Denn im Helios37 entfaltet sich ein Konzert, das in keine gängige Kategorie passt: Michael Gira, Zeremonienmeister, Alchemist und biblischer Klangbeschwörer der Swans, steht gemeinsam mit Kristof Hahn auf der Bühne – seinem lapsteelspielenden Komplizen, dessen Hände Geräusche formen, die nach Wüste, Wahnsinn und Erlösung klingen.

Was man bekommt, ist keine akustische Sparflamme der Swans. Kein Nostalgie-Schnickschnack. Keine Lagerfeuer-Version der Apokalypse. Sondern: eine neue Sprache aus Reduktion. Zwei Männer, ein paar Saiten, ein Mikrofon, eine Sammlung von Gebeten, Flüchen und Visionen – dargeboten im Dämmerzustand zwischen Meditation und Gewaltfantasie.

Das Set beginnt mit Hahn. Allein. Lap Steel. Eine Noise Overture für Köln. Kein Song. Kein Stück. Eher: ein Feld aus Tönen. Wie wenn der Himmel sich öffnet und man für einen kurzen Moment in den Maschinenraum der Schöpfung blickt. Schicht um Schicht schiebt sich Klang über Klang, manchmal wunderschön, manchmal bedrohlich – immer in Bewegung.

Dann kommt Gira. Schwarz gekleidet, still, aufrecht. Ein Prediger, der keine Religion vertritt. Nur sich selbst. Und das ist schon genug. Mit I Am A Tower direkt am Anfang der eigentliche Höhepunkt: „I am the best fucking fuck that you never will have“. Ein Zustand.

Giras Stimme – tief, geerdet, kontrolliert – ist eine Naturgewalt. Kein Rock’n’Roll, kein Drama. Sondern: Dunkelheit mit Würde. Ein Bariton, der nicht bettelt, nicht fordert, sondern erzählt. Man muss nicht alles verstehen, um alles zu spüren.

Die Stücke, ob alt oder neu, erscheinen wie Variationen eines Themas: Isolation. Spiritualität. Hingabe. Es gibt kaum Applaus zwischen den Liedern, sondern Stille. Keine Showeffekte, keine Distanz. Nur zwei Männer, die alles geben, ohne sich selbst im Zentrum zu sehen.

Die Lautstärke? Tückisch. Nicht brachial, sondern organisch wachsend. Wie eine Drohne, die sich durch die Körper windet. Keine Gehörschäden – aber Gänsehaut. Es ist dieses kontrollierte Spiel mit Frequenzen, das Gira und Hahn perfektioniert haben. Musik nicht als Performance, sondern als physisches Ereignis.

Und dann – nach gut anderthalb Stunden – ist es vorbei. Kein Knall. Kein Finale. Nur: Ruhe.

Was bleibt, ist das Gefühl, Zeuge gewesen zu sein. Von etwas Echtem. Von einer Kommunikation, die jenseits der Sprache stattfindet. Kein Konzert im klassischen Sinn. Sondern: ein Abend mit Michael Gira und Kristof Hahn. Zwei Männern, die das Unsichtbare hörbar machen.

Alan Lomax
(Köln, 22. April 2025)

 

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