The Master – Paul Thomas Anderson
"Die Form soll nicht durch die erweiterten Möglichkeiten, sondern nach wie vor durch die Aufgabe diktiert werden. Der beste künstlerische Einfall ist der, den die Aufgabe gebiert - nicht die Technik." Der deutsche Kameramann Werner Bergmann dachte diesen Satz voraus und unterstrich mit diesem Satz, dass ein 70 mm Film nicht die Wirkung des Natürlichen erhöhen sollte, sondern die Wahrhaftigkeit.
In dem schwierigen und weitestgehend unbekannten Paul Thomas Anderson Film THE MASTER geht es um die Wahrhaftigkeit zwischen zwei Männern mit unterschiedlichen Glaubenssystemen.
Freddie Quell (Joaquin Phoenix) ist ein Navy-Veteran der unter einem posttraumatischen Stresssyndrom leidet, das sich bei ihm in den Symptomen Alkoholismus und erhöhter Reizbarkeit bis hin zur Gewaltanwendung äußert.
Auf einem Schiff lernt er Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman) kennen. Dodd benutzt Quell als Versuchskaninchen, was er diesem sogar so sagt. Die Versuche an Quell sind hypnotischer und behavioristischer Natur. Dodd der von seinen Anhängern THE MASTER genannt wird, versucht den angeschlagenen Herumtreiber zu therapieren und für seine Theorien zu begeistern. Außerdem ist er der Initiator der Sekte, seiner eigene Religion „Der Ursprung“.
Paul Thomas Anderson erzählt die Geschichte des Getriebenen, Quell, um einen Fokus auf die Anfänge von Scientology zu vermeiden. Die gefährliche Sekte, hat den Film recht entspannt aufgenommen, was natürlich ein gleichzeitiges Indiz dafür ist, dass dies kein kritischer Film, über den Mythos Hubbard ist. Es ist eben auch nicht das Kernthema des Films. Denn Anderson will uns erklären wie Amerika in den Zeiten zwischen den Kriegen funktioniert und wie unterschiedlich die Lager der Soldaten sind. Einerseits ist da der wenig intellektuelle, der von seinen inneren Momenten manisch getrieben ist, eine unfassbare Nervosität an den Tag legt und völlig Größenwahnsinnig ist. Auf der anderen Seite steht der gefährliche intellektuelle, wortgewandte und Orson-Welles-lastige Dodd, der ein mieser Ausbeuter und Schänder der Menschlichen Seele ist.
Über die Methapher Wiederbegegnung, in Form der Belagerung von Paris und allen kriegerischen Verbaläußerung muss jeder Zuschauer selbst entscheiden. Das ist im Prinzip die Tiefe und die Herausforderung, die uns Anderson vorgibt und auch voraussetzt.
Was bleibt ist ein Film, den man gesehen haben muss! Die Sequenzen zwischen Quell/Phoenix und Dodd/Hoffman sind höchst sehenswert und aus Schauspielersicht oberste Liga. Wenn auch Phoenix Method Acting etwas über und Hoffman’s ehr Bühnenorientierte Darstellung gewohnt zurückgenommen und vorhersehbar wirkt. Beide zusammen bzw. gegeneinander sind natürlich ein Championsleague- bzw. Weltmeisterschaftsendspiel.
Paul Thomas Anderson hingegen bleibt einer der interessantesten lebenden Regisseure, auch wenn ihm aus meiner persönlichen Sicht, sein Meisterwerk, noch nicht gelungen ist. Bei THERE WILL BE BLOOD deuteten sich seine Fähigkeiten, ein ganz Großer zu werden, bereits an. Denn Andersons hat die Attribute und Interessen, die einen großen Regisseur von einem Regisseur unterscheiden. Dennoch stehen seine technischen Interessen, etwas über den für die Handlung und die Textur.
So dann auch bei THE MASTER. Projektierung, Dreh und insbesondere das Bild sind magisch. Die 60-mm-irgendwas sind atemberaubend, zu gleich aber suggerieren sie jedem Bild eine tiefe Bedeutung, ohne, dass es eine gibt. Interessant ist auch der ständige Versuch sich von der klassischen Erzählform abzuwenden.
Leider gelingt ihm dies bei THE MASTER nicht. Sein Anspruch ist einfach zu hoch, seine Kunst noch nicht soweit. Trotzdem wird dieser Mann in den nächsten 15 Jahren den Film machen, den wir immer sehen wollten und seit HEAVEN’s GATE vermisst haben.
Auf dem Motorrad sitzend Richtung Hügel fahrend, der aussieht wie der Kopf eines Drachens…
Alan Lomax