Piccata milanese, Sambucca und ein Kaffee - Ein schöner Abschied aus Berlin

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  26. November 2011, 15:45  -  #Genuss: Essen & Trinken

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Meine Woche in Berlin neigte sich dem Ende zu.

Wie schliesst man so schöne und erinnerungswürdige Tage ab? Mit o.g. Leckereien. Jeden Tag ging ich morgens und abends am Da Giovanni vorbei. Ein sehr kleines Restaurant, sehr gemütlich mit rot-weiss karierten Tischdecken. Mit einem normalen Speiseplan, Gourmets sollten hier aufhören zu lesen. Ich musste am letzten Abend dorthin, zu verlockend das Ambiente.

In der äussersten Ecke nahm ich Platz neben einem Regal mit Weinen und kam zur Ruhe. Eine ein wenig deutsch sprechende und daher schüchterne Kellnerin nahm meine Bestellung entgegen. Hinter dem Tresen und in der Küche arbeitete der Koch und scheinbar auch Besitzer im weissen T-Shirt, Schürze und die Haare zum Zopf gebunden.

Ich habe die Stimmung an diesem Abend geliebt und sehr genossen. In der einen Ecke palaverten 3 ältere Herren über Politik und tranken Weißbier. Zu meiner linken gesellte sich ein verliebtes junges Paar und mir direkt gegenüber nahm ein Rentner Platz, der auch aus einem Film hätte stammen können. Draussen war es dunkel, der Verkehr ebbte ab, die Stadt wurde leiser.

Zu meinem Bier genoss ich ein erstklassiges Piccata milanese. Der Renter vor mir setzte sich so hin, dass er die Strasse beobachten konnte und war in Gedanken vertieft. Er bestellte sich einen Kaffee und genoss diesen langsam und sehr bedächtig, danach ging er vor die Tür, setzte sich an einen Tisch und rauchte eine Gauloises.

Solche Abende hinterlassen einen bleibenden Eindruck, weil solche Lokalitäten mit den darin arbeitenden Menschen und Gästen eine Stimmung kreieren, die unvergleichlich ist. Es ist, wenn man so will und die Muße hat sich zu erholen, ein Lebensstil. Gäbe es ein solches kleines Restaurant bei mir um die Ecke, ich wäre Stammgast. Was haben es die Großstädter gut! Jeden Abend würde ich mich für eine Stunde dorthin begeben, mit dem Besitzer einen Plausch halten, Menschen beobachten, lesen und innere Ruhe finden.

Ich liebäugelte vor dem Piccata mit Spaghetti Aglio et Olio, wollte meinem Magen aber am Abend keine solche Last zumuten. Nach dem essen und angesteckt durch den vollkommen in sich ruhenden älteren Herren trank ich einen Kaffee. Ich sog den Duft dieses Getränkes förmlich in mich auf und ruhte in mir selbst. Was für ein Genuss!

Doch auch solche Abende nähern sich dem Ende und daher musste mir etwas hochprozentiges die Trauer um den baldigen Abschied aus Berlin versüssen. Ich bestellte mir einen Sambucca mit Kaffeebohnen, den ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr getrunken hatte und liess die letzten Tage Revue passieren. Aus einem wurden merkwürdigerweise fünf. 

Beseelt durch einen der schönsten Abende seit langem ging ich nach draussen, schloss für einen Moment die Augen und nahm mit allen Sinnen diese unvergleichliche Atmosphäre auf ... .

Bis nächstes Jahr Berlin!

Rick Deckard

Bild: Copyright stoffundstil.de

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