THOR - Kenneth Branagh
Eigentlich hatte ich von Branagh etwas mehr erwartet, oder formulieren wir es anders: muss jeder Comic verfilmt werden? Wie dem geneigten Leser bekannt sein dürfte, sind Mr. Lomax und ich Comic Fans, seit eh und je, wenn ich diesen Umgangssprachlichen Klassiker einmal verwenden darf und wir betrachten die grassierende Comic-Verfilmungswelle nicht nur euphorisch, eher skeptisch, wenn auch die Vorfreude u.a. auf 'Captain America' und 'The Avengers' sehr gross ist. Stellt sich nur die Frage, ob Comics mit ihren fantastischen Welten und Charakteren filmisch immer umzusetzen sind? Auch wenn diese Form der "Literatur" optisch der Fantasie fast alles vorweg nimmt, bleibt "zwischen den Bildern" noch viel Spielraum für Interpretation, Gefühle und Erinnerungen.
Zum anderen: der Leser hat immer auch gewisse Vorstellungen davon, wie seine Helden auszusehen haben. Bestes Beispiel in der Vergangenheit: die zwar gelungene Verfilmung von 'Judge Dredd' von Danny Cannon (mit einem fantastischen Score von Alan Silvestri), aber unsäglich schlecht besetzt mit Sylvester Stallone. Ausserdem tut der Film-Dredd etwas, was der Comic-Dredd nie tut: seinen Helm abnehmen! Aber das interessiert eh nur Nerds.
Einen Helm hat Thor auch, aber die Übersetzung der Kostüme in den Film und das Set Design, so überbordend und fantasievoll es sein mag, funktionieren nicht. Alles wirkt wie gelackt, am Reissbrett entworfen und irgendwie steril. Die Welt dieses Superhelden ist andererseits auch so weit weg von menschlicher Vorstellungskraft, dass sie andererseits auch wieder fasziniert. Ein anderes "Manko" des Films ist, dass der "ungeübte" Zuschauer grosse Schwierigkeiten hat, sich in die Handlung hinein zu versetzen, wenn auch in einem sehr langen Prolog die Vorgeschichte erklärt wird. Das haben Nolan mit 'The Dark Knight' oder Donner mit 'Superman' erheblich besser gemacht.
Die Besetzung hingegen ist beeindruckend: Tony Hopkins, Natalie Portman, Stellan Skarsgard und Rene Russo, nebst Chris 'Sixpack' Hemsworth als Thor. Aber alle diese Mimen sind sträflich unterfordert und wirken wie bessere Statisten, wobei Tony Hopkins in seinem Kostüm äusserst trashig wirkt.
Dass Branagh das Thema gereizt hat, kennt man doch seine Vorliebe für Shakespeare, ist verständlich, aber Dramen wie 'Henry V.', 'Othello' und auch 'Hamlet' spielen nun mal in einer anderen Liga. War er also der richtige Regisseur für einen solchen Stoff? Nein. Die Studios haben versucht dem Stoff seriöses abzugewinnen und sind leider gescheitert.
Unterhaltsam ist der Film schon, bietet Schauwerte und langweilt nicht, ist aber sehr oft auch unfreiwillig komisch und dürfte vielleicht mit der Zeit an Qualität gewinnen.
Was Thor betrifft: ich konnte diesem langhaarigen Hünen eigentlich nie etwas abgewinnen, mir war er stets ein wenig zu prollig und stillos. Ganz ähnlich verhält es sich mit Flash Gordon, auch da war mir seine Welt zu sehr entfernt von menschlicher Vorstellungskraft.
Warum ich mir Thor angesehen habe?
Es gibt für alles einen Grund.
Grüsse aus Asgard,
Rick Deckard.