The Best Exotic Marigold Hotel - Was für ein schöner Film!
Dass es solches Kino noch gibt! Kurz nach dem Film bin ich ein wenig konsterniert, so beeindruckend waren Bilder, Dialoge und v.a. Inhalt.
Regisseur John Madden entführt den Zuschauer auf eine exotische und lebendige Reise in das ferne Indien, nach Jaipur, in ein Hotel, in dem die Schicksale unterschiedlicher Menschen zusammentreffen. Diese Menschen sind an ihrem Lebensabend angekommen und in vielen (wahrhaftigen und zutiefst menschlichen) Dialogen erfährt der Betrachter über ihre Vergangenheit, ihre Träume und Wünsche.
Die Vorlage für den Film lieferte Deborah Moggach mit ihrem Roman 'These Foolish Things'.
Dass es dem Regisseur gelingt bei sieben verschiedenen Charakteren eine erzählerisch überzeugende Handlung aufzubauen und aufrecht zu erhalten, liegt zum einen an dem fantastischen Drehbuch von Ol Parker und dem grandiosen Ensemble, allen voran Judi Dench, Tom Wilkinson und Bill Nighy, nicht zu vergessen Maggie Smith. Die Schauspieler liefern vorzügliche Leistungen und bekunden in ihrer Interpretation der einzelnen Rollen ein tiefes Verständnis von Menschlichkeit. Keines der Einzelschicksale wirkt in irgendeiner Form konstruiert, was auch zur Glaubwürdigkeit der Handlung beiträgt.
Bei aller Komplexität der Ereignisse ist der Film zu keiner Minute kompliziert, sondern fliesst fast 2 Stunden zielgerichtet und harmonisch dem Ende entgegen. Dabei kann er eine perfekte dramaturgische Balance zwischen Tragik und Komödie aufrecht erhalten, die einen zugleich weinen und lachen lässt.
Ein grosses Lob gebührt John Madden, denn er umschifft elegant alle filmischen Klischees, die unweigerlich auftauchen, wenn Orient auf Okzident trifft. Hier wird Indien so gezeigt wie es ist, ein Land in einem noch immer währenden Übergang von tradierten Wert- und Moralvorstellungen zur "Moderne". Das spiegelt sich in einer Nebenhandlung, in der der junge Hotelmanager um die Hand seiner Liebsten buhlt und sich dabei den konservativen Argumenten seiner Mutter stellen muss.
Wenn es sich auch um einen Hollywoodfilm handelt, Indien kommt im Kino endlich einmal so zur Abbildung (selbstverständlich im Kontext des Filmes zu verstehen), wie es ist und die Bewertungen der Europäer geben schlicht das wieder, was im Allgemeinen an Stereotypien in den Köpfen umherschwirrt.
Diese Platitüden werden einander (filmisch-dramaturgisch) sehr geschickt in Form zweier Charaktere gegenübergestellt. Da wäre zum einen die verbitterte Muriel, gespielt von Maggie Smith, die zwecks Einsatzes eines künstlichen Hüftgelenkes in das ferne Land reist und der High Court Richter Graham, verkörpert von Tom Wilkinson, der bereits einmal in diesem Land gelebt hat und mit Ruhe und Weisheit den Anfeindungen begegnet. Sowieso Tom Wilkinson: dieser Mime ist in jedem Film ein Genuss, ein Schauspieler mit hoher Überzeugungskraft!
Kino muss als solches immer Kompromisse eingehen, sonst würde es nicht funktionieren. Und wie wir wissen handelt das Kino von Träumen, von daher darf man ein wenig Zuckerguss und Romantik hier und dort nicht kritisieren, sonder einfach nur geniessen, warum sonst sehen wir uns bewegte Bilder an?!
Dass dieser Genuss auch optisch und akustisch funktioniert liegt an zwei Menschen: dem Kameramann Ben Davis und dem Musiker Thomas Newman. Der Engländer Davis liefert faszinierend schöne und hell erleuchtete Bilder aus dem fernen Land, schafft in den intimeren Szenen aber auch Momente voller Eindringlichkeit und Nähe. Er fängt die leuchtenden Farben mit sehr natürlich wirkendem Licht ein, was dem Film ein gewisses Maß an dokumentarischem Charakter verleiht. Ob in der Enge von Zimmern oder in der Weite der indischen Landschaften, seine Kamera hilft dem Zuschauer sich in Ruhe zurecht zu finden.
Sehr beeindruckt hat mich die Musik, der Soundtrack von Thomas Newman. Der Komponist, bekannt für seine ökonomischen und minimalistischen Klangskulpturen, schafft es mustergültig die Bilder mit Musik zu unterlegen und so die Handlung zu unterstützen, seien es Pop Songs, Sounds oder Klänge mit Lokalkolorit. Er verwebt sehr geschickt westliche und östliche musikalische Ideen miteinander und schafft so eine sehr behagliche Atmosphäre.
The Best Exotic Marigold Hotel ist ein wunderschöner Film, der blendend unterhält, mit vielen grossen Schauspielern und einer bewegenden Handlung zu überzeugen weiss und große Hoffnung schürt, dass es weiterhin Regisseure wie Madden geben wird, die wissen wozu das Kino in der Lage ist.
Ein absolut sehenswerter Film!
Aus Jaipur,
Rick Deckard