Fraktus Köln Gebäude 9 09. November 2012 – Ein Interview mit Alan Lomax
Sagen Sie mal Herr Lomax, kennen Sie eigentlich Ferdi Binger, Mathias Halfpape oder 14 EURO?
Klar, seit Jahrzehnten liebe ich alles was die Herren Schamoni, Strunk und Palminger veranstalten und veröffentlichen. Häufiger hatte ich bereits versucht etwas zu den verschieden Projekten zu schreiben. Übrig blieb immer nur ein Bericht. Denn es ist unmöglich diese besondere Art von Humor zu transportieren, wenn man nicht Ansatzweise selbst in das Universum abgetaucht ist.
Schon wieder, Lomax? Erst kürzlich scheitertest Du an Donald Fagen. Bei dem hast Du auch behauptet, dass nur Du ihn verstehst.
Ach, quatsch! Es geht doch gar nicht um mich! Es geht einerseits um die Herausforderung die Einzigartig dieser gesamten Kunst der drei Hamburger zu beschreiben, andererseits um das vorprogrammierte scheitern. Denn wer kann den schon noch all‘ die unterschiedlichen Humorebenen und Erzähldimensionen zusammenbringen!
Bezogen auf den Film?
Jein! Denn natürlich ist die Idee eines fiktionalen Dokumentarfilms einfach, wie auch ergiebig. Denn dieses Cinéma vérité, also die Interaktion zwischen Filmemacher und Gefilmten und die Selbstreflexivität, kann nur funktionieren, wenn man eine ausgiebige subkulturelle auf den Mainstreambezogene Geschichte hat. Palminger, Schamoni und Strunk agieren seit Jahren in dieser Zwischenwelt.
Das Erreichen der Wahrheit mit gleichzeitigen Konzerten und kommenden Einfluss auf den Mainstream, wird eine neue Dimension für Deutschlands Pop-Kultur darstellen.
Ich verstehe nur Bahnhof?
Versuchen wir es mit den Worten von Dirk Schubert (Stern-Interview): "Wir sind alle ein wenig melancholisch veranlagt", sagt Schamoni. "Bei mir ist die eine Hälfte Zweifel, die andere Hälfte Angst und der Rest ist Tischmüll" oder mit einem Beispiel aus TV Total: Dort war das humoristische Trio am vergangenen Dienstag. Palminger alias Bernd Wand erzählt von den Instrumenten die er erfunden hat. Unter anderem erwähnt er den Roedelius. Weiter: …ein analoger Blasebalg. Wer kennt also von den TV Total Zuschauern Hans-Joachim Roedelius? Dem tatsächlichen Erfinder der elektronischen Musik. Etwas später erwähnt Strunk gegenüber Raab, dass er Zeit seines Lebens verarscht wurde. Da er weitestgehend die wichtigsten Songs des Techno (bitte so aussprechen, beim Lesen) erfunden hat. Realität, Fiktionen verschwimmen dann als er unter anderem den echten Strunkschen Hit „Computerfreak“ nennt.
Wer soll das alles verstehen und kann so was tatsächlich zum Kult werden?
Oh je, Kult ist das schlimmste Wort! Denn das ist diese ganze Fraktussache von Anfang nicht gewesen. Denn ohne den Mainstream funktioniert die ganze Komik nicht. Und wenn Fraktus zu echten Superstarts werden, steigt auch der humoristische Erfolg und der parodistische Inhalt, zeitgleich verlieren sich die drei Herren aber im sog. Kult und machen sich für den sog. Underground unglaubwürdig. Was für eine einzigartige Schizophrene Situation. Alleine dieser Schritt ist genial oder um mit den Worten des östr. Satiriker Karl Kraus zu sprechen: „Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen die Zwerge lange Schatten.“
Kann man denn so ein Konzert von Fraktus, musikalisch überhaupt ertragen?
Im Prinzip ja. Insbesondere dann, wenn man sich ein wenig mit den billigen Produktionstechniken von „normaler“ elektronischer Musik auskennt. Aber auch das war schon immer ein streitbarer Punkt. Wer will schon z. B. die alten sehr einfach gemachten Depeche Mode Platten in Frage stellen? …macht sich aber z. B. nicht gleichzeitig über Scooter lustig! Wer will schon in der Tiefe den Unterschied erklären. Handwerklich geht das nicht. Funktionieren wird es nur mit etwas popkulturellen Wissen und Fähigkeiten zeitliche Bezüge von Veröffentlichungen herzuleiten. Schließen wir diese Komplexität mit der Tatsache, dass Fraktus einem ganz schön schnell klar machen, dass die Achtziger Jahre ein schlechter Witz, mit einigen grandiosen musikalischen Höhepunkten gewesen ist. Und das man selbst nicht immer alles so ernst nehmen darf. Muss es aber sein, lassen wir demnächst sogar Kraftwerk- und Can-Witze zu, wenn wir im Januar in Düsseldorf gewesen sind. Der Grad dieser Komik ist schmal, aber auch nicht wichtig. Zumindest nicht so wichtig, wie wir meinen. Und das lehrt uns der ganze Schildbürgerstreich hier.
Für die Nachwelt! Wie lief der Abend im Gebäude 9 ab! Mal fraktisch gesehen….
In Köln tobt der Wahnsinn. Eskimorolle rückwärts: Die ganze Stadt ist unterwegs. Die Kundgebung Arsch huh 2012 findest statt. Kölner Bands treten vor hunderttausend Menschen und gegen soziale und rechts Politische Missstände auf. Das Gebäude 9 ist ausverkauft. Das Konzert beginnt gegen Mitternacht. Eine Reihe elektronischer Geräte, dann ein synthetisches Intro, die Drei kommen in beleuchteten Raumanzügen auf die Bühne. Nebel etwas Laser, eine einfache, gute Lichtshow. Jeder spielt seine Rolle. Lustige Ansagen, witzige Interaktion, perfektes parodistisches Entertainment. Palminger zieht die nicht ernste Ernsthaftigkeit durch. Schamoni muss zwischendurch immer wieder selbst lachen, Strunk gibt das verkannte Genie. 60 Minuten werden meine Lachmuskeln aufs äußerste belastet. Keine Minute Langeweile. Alles funktioniert, wie erwartet. Fraktus 2 wird ins Leben gerufen und der Smashhit A.D.A.M (AllDieArmenMenschen) wird gleich zweimal gespielt. Weitere Songhöhepunkte: Die grottenschlechte Interpretation von Computerfreak und das humoristisch lange vorbereiteten Cover „We Like To Party (The Vengabus) von den Vengaboys.
Wie geht’s weiter?
Die Diversifikationsmöglichkeiten sind vielfältig. Das Nachfolgeprojekt Fraktus 2 steht ja bereits und Bernd Wand mit seinen Eltern würde ich mir sofort ansehen, ebenso gerne Dirk Schubert unplugged oder Torsten Bage mit den Ibiza Allstars. Danke für soviel super großartige Unterhaltung...
Das Gespräch mit Alan Lomax, führte Alan Lomax!