GEWALT – Paradies
„Violence is last refuge of the incompetent“ Isaac Asimov
Unsere musikalischen Annahmen sind nicht die Fenster der Welt. Schon lange nicht mehr. Egal, ob Print, Blog oder Radio. Von Zeit zu Zeit kommen Bands vorbei und wir reinigen das Glas, sonst kommt kein Licht rein. Deutschlands Musikjournalistinnen werden Gebäudereinigerinnen, reinigen alles, während wir romantischen Personen auf der letzten Bank des Überlandbusses sitzen, verträumt die Landschaft an uns vorbeiziehen lassen und Gedankenverloren Worte wie „Paradies“ und „Gewalt“ in das Kondenswasser der Fensterscheibe kritzeln.
Sänger, Autor und Antreiber Patrick Wagner nannte sich einmal größer als Gott. Jetzt ist er immer noch einfallsreich und gleichsam rational. Wäre er es nicht, würde seine Kunst leiden. „Es funktioniert“, alle machen mit. Zum Glück auch Helen Henfling an der Gitarre und am Bass Jasmin Rilke. Und das größte Gut ist dann der unstete Geist der Band. Die neue Platte PARADIES ist wieder großartig geworden und zum Glück ist es diesmal eine 33“ geworden. Eine gute Entscheidung! Das Singlekonzept war elegant, aber ein Album bleibt ein Album. Etwas Ganzes, etwas Bleibendes. Die Arrangements wurden überlegter. Die Texte: geschliffener. Alles tanzbarer. Weniger Noise, mehr Alarm irgendwie. Vielleicht auch etwas erträglicher für die Plebejer und für die große Bühne und Massen von lesenden Musikkennerinnen der großen Gazetten. GEWALT hat sich alles verdient und macht sowieso alles richtig. Eine weitere Besprechung und Synonymsuche im dritten Grad für längst verwendete Worte erspare ich mir an der Stelle und überlasse es dem Pressewerk.
Der Song „Stumpfer werden“ und die Textnachricht eines guten Freundes bringen mich zu einem anderen Thema: Weshalb gibt es keinen Niederschlag der Klimabewegung in der Popmusik? Vietnam, Black Power etc. alle hatte eine musikalische Entsprechung. Weshalb gibt es also kein „Klima-Soundtrack? Wo ist der Protestsong?
„Du bist hilflos und jeder Schritt tut Dir weh!“, klagt GEWALT. Wir sind dem Ende nahe! Beschreibend, nicht verurteilend, nicht beurteilend! Die Kamera draufgehalten auf diese würdelosen Sequenzen. Die Wunde aufgekratzt. Die Wut wahrgenommen, das Schöne nie vergessen. Nur wenn man das Leben liebt, kann man das verstehen. Kein Zwiespalt.
Früher als Protest auch etwas mit Popkultur zu tun hatte und Popkultur mit Subkultur, da musste niemandem dieser Zusammenhang erklärt werden. Heute hat die Musik -sozio-kulturell- noch weniger Bedeutung. Musiker wagen keine Haltung, wagen keine Ausbrüche. Und die, die meinen, dass sie Ausbrüche sind oder gar provokant sein wollen, sind einfach nur lächerlich, würdelos. Sie wurden es als der Mainstream sie alle aufnahm. Punk, Metall, progressiver Rock, Free-Jazz, Hip-Hop alles wurde gemischt, fusioniert. Botschaften gab es nicht mehr, nur Diversität, Korrektheit und der Wille nichts Falsches zu sagen. Gruppen wurden Haufen! GEWALT sind da! Sie führen einen Stellungskrieg. Und nenn‘ es wie Du es willst: Protest, Provokation, Schönheit, Relevanz, Hölle, Himmel, Schmerz, Wahrheit…ich zitiere uns lieber selbst:
(www.lomax-deckard.de; 15.08.2016) „…in unserem Rahmen werden wir diese Band featuren und supporten. In unserem Rahmen werden wir das tun, eben, weil wir an so was glauben und es uns wichtig ist“.
Manchmal kann ich Schmerz aushalten, doch manchmal sticht er zu: DER SCHMERZ (Manchmal wage ich mich unter Leute)
Alan Lomax
Clouds Hill / Warner
VÖ: 05.11.2021
Gewalt - Tonstudio Keusgen - Haldern Pop Festival 2016 - www.lomax-deckard.de
Photos by Alan Lomax Foundation Ab und zu muss man mal eine Band featuren. Und zwar immer dann, wenn die Zeit gekommen ist, dass eben diese eine Band, eine außerordentliche Bedeutung und ...
http://www.lomax-deckard.de/2016/08/gewalt-tonstudio-keusgen-haldern-pop-festival-2016.html