Kreidler / Bohren & Der Club Of Gore - Köln Philharmonie 09.05.2014

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  11. Mai 2014, 13:04  -  #Konzerte

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„Es ist uns gelungen, noch absichtslosere Musik zu machen als bisher.“ (aus einem Interview mit dem Kölner Stadt Anzeiger)

Oh je! Was für ein Satz um seine eigene Musik zu beschreiben! Christoph Clöser provoziert mit dieser Aussage und natürlich ist so ein Satz auch Programm, andererseits Ansage an alle Besserwisser, Musikkritiker, Blogschreiber und zum nachdenken geprägte Plattenkäufer einfach mal den Mund zu halten und zuzuhören!

„Nö, finde ich doof!“, antworte ich kleinlaut! Denn Musik ist für mich auch immer ein Transportmittel für Gedanken die sich aus Schönheit, Ärger, Kraft und Armut zusammensetzen. Hinzu kommt Handwerk, Persönlichkeit, Geschichte, Inhalt. Transzendentale Bewusstseinszustände werden häufig bei Publikum und Musiker angestrebt, sind aber selten realisierbar.

Die Musik der deutschen Band Bohren & Der Club Of Gore ist unerträglich langsam und schön. Nichts stört, gar nichts ist unnötig, die Form bestimmt die Regel: Achtsamkeit! Während des Konzertes herrscht totale Ruhe. Die Zuschauer sehen nur Konturen der vier Musiker. Jeweils ein kleiner Lichtspot hängt über jeden Musiker. Das war es! In der Mitte leuchtet noch das Bandlogo auf der Bassdrum (Foto), gelb und einprägsam! Zwischendurch denke ich, dass ich vor dem nächsten Konzert der Band einen Kurs für Atemübungen besuchen werde. Damit ich mit meiner normalen Methodik nicht meinen Nachbarn 20 Reihen hinter mir nerve. Von Bewegung, hin und her Rutschen oder Rascheln darf nicht gesprochen werden, was bleibt ist die Mediation und natürlich hat Clöser dann doch recht.

Unrecht wird dieser Ausnahme Musik allerdings gemacht, wenn man sie während eines Sesshin hört. Also dem gemeinsamen Meditieren über längere Perioden, bei dem nebenbei der Garten, der Abwasch oder die Reinigung erledigt wird. Was bleibt ist die alleinige Geistesgegenwart! Also, die selten Gelegenheit an einem wunderschönen Ort zu sein, an dem man in alle Himmelsrichtungen sehen kann und keine Zivilisation wahrnimmt. Nur Natur, die Erde! Alleine sein! Wohl dem der dann einen Kopfhörer und ein Abspielgerät hat, um diese wundersamen Klänge zu erleben, um in den kognitiven und emotionalen Prozess komplett einzutauchen. Was ich Suche ist den Sinn dieser Musik, auch wenn es ihn nicht gibt! Privilegiert ist dann die Frage nach dem eigenen Wohlbefinden. Man könnte sie auch in den einsamen Straßen eines Film Noir hören, als Soundtrack sozusagen! Aber irgendwie ist das zu einfach. Obwohl das verlorene Saxophone und die verschleppten Beats zum Verlieren einladen.

Auf VInyl macht Bohren & Der Club auf Gore dann leider wenig Sinn. Hier beißt sich analog mit Kratzen. Das darf nicht sein, obwohl diese Analogie auch gerne und bestimmt vorgegeben wird. Was macht überhaupt noch Sinn und gab es je was Schöneres? Ja, gab es! Gerne rufe ich innerlich diese Platten ab, die ich sofort nennen würde! Aber auch ein Wettbewerb ist doof! Irgendwie ist alles doof, was in Analogie zu Bohren steht. Und wahrscheinlich ist es dann auch diese Eigenständigkeit, die das alles speziell macht!

Nach dem Konzert bin ich gleichzeitig erschöpft, aber auch erleichtert das es vorbei ist. Ich habe deutliche Verdickungen im Bereich der Großhirnrinde und benötige dringend Alkohol. Denn ich wurde zwei Stunden an die Grenze des ertragbaren herangeführt. An die Grenze der ertragbaren Ruhe und Entspannung! An die totale Absichtslosigkeit! Gestört von ein paar sehr launigen Ansagen, die man in dieser Düsterheit gar nicht vermutet hätte. Sogar zu 2 Zugaben lassen sich die Mannen hinreissen, obwohl sie dafür ja eigentlich viel zu cool sind! Aber für den gelungen Erhalt des Gebäude 9, werden sogar coole Jungs uncool. Gut so!

Kürzlich habe ich 11 Lebensregeln von Bob Hoskins gelesen. Der Schauspieler starb letzte Woche und hinterließ seiner 17-jährigen Tochter diese Regeln! Eine ist: Nimm Dich nicht zu wichtig, das tun nur Idioten! Eben werden jetzt einige Leser sagen, warum schreibst Du dann diesen Mist hier Lomax? Gerne gebe ich die Frage an die Männer aus Mülheim und Köln weiter! Wenn alles so Absichtslos und Gleichgültig ist, warum? Waaaaarum? …dann dieser apokalyptische fatal Minimalismus. Sinngemäß müsste das Werk mit NICHTS fortgeschrieben werden. Totale Stille also! Auch muss ich permanent an Michael Gira (Swans) denken! Aber das wird eine andere Geschichte….

Kreidler hin hegen beeindrucken abermals als wohl beste elektronische meets analoge Band Deutschlands!,  Sie beeindrucken mit allem was ich an elektronischer Musik faszinierend finde: Ideenreichtum, (Pop)-Artige Melodien und mathematischer Verstand für die Struktur und natürlich der Hang zur nieder rheinischen Kultur, wenn ich das mal so kurz zusammenfassen darf, weil mit jetzt die Zeit fehlt umzubeschreiben, wie gut Kreidler bei langen Fahrten auf der A 57 Richtung Krefeld und Richtung Holland funktioniert, na ja und wie gut sie zu Düsseldorf passt. 

Grandios, dass diese Bands aus diesem regionalen Raum hier kommen. Ich finde das sollte man echt zu schätzen wissen!

 

Alan Lomax

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