Cheyenne - This Must Be The Place - Paolo Sorrentino
Ein europäischer Regisseur und ein Road Movie.
Kann das gut gehen?
Die Antwort ist ja und nein zugleich. Europäer, gerade die in Cannes und Venedig gefeierten, sind im Kino mit Vorsicht zu geniessen. Art House und Kunst Filme sind meist nie massentauglich, eher geschmiedet für ein ganz bestimmtes Publikum, in aller erster Linie für den Regisseur selbst.
Soviel zu den Klischees und zur Voreingenommenheit.
Warum sollten Filmemacher aus der alten Welt sich nicht dem Genre des Road Movie zuwenden? Cheyenne von Paolo Sorrentino ist ein langsamer, ein bedächtig erzählter Film, der viele Handlungsstränge aufgreift, diese aber leider nicht zu Ende erzählt sondern eher lose miteinander verbindet. Der Kitt dafür ist Sean Penn.
Penn spielt einen alternden, abgehalfterten Rock Star, der seinen Zenit in den 80'er Jahren erlebte und aufgrund eines tragischen Ereignisses seine Karriere vorzeitig beenden musste. Nun lebt er in Dublin in seiner prunkvollen Villa mit seiner Frau, gespielt von Frances McDormand, ernährt sich von Fast Food aus dem Supermarkt und der Alltag ist geprägt von Langeweile und leichter Depression.
In diesen ersten Szenen hatte ich den Eindruck Wes Anderson (auf dessen neuen Film ich mich sehr freue) stand Pate.
Eines Tages erreicht ihn ein Anruf aus New York, dass sein Vater, zu dem er seit Jahrzehnten keinen Kontakt hatte, gestorben sei. Er macht sich auf den Weg um diesem die letzte Ehre zu erweisen. Unverhofft findet er sich in einem Pickup wieder, den er nach Texas überführen soll. Skurril genug, aber es wird noch kurioser: er macht sich auf einen ehemaligen Nazi zu finden, der im KZ Auschwitz seinen Vater gepeinigt hatte.
Diese Konstellation ergibt die sonderbarsten Momente.
Der Regisseur legt hier bewusst diametral entgegen gesetzte Handlungsschwerpunkte zusammen und erhofft sich dadurch eine bestimmte Spannung, als auch die Tatsache, dass sich viele Sachverhalte von alleine erklären. Das gelingt ihm auch. Es gibt in Cheyenne zahlreiche sehr lustige aber auch äusserst berührende Szenen, von denen ich der Spannung halber keine verraten möchte, für die, die den Film noch sehen wollen.
Sean Penn spielt gewohnt großartig. Der Schmerz einer langen und intensiven Karriere als Musiker ist in jeder Szene spürbar. Alkohol und Drogen fordern ihren Tribut. Seine Figur ist unübersehbar, zumindest rein äußerlich, an Robert Smith von The Cure angelegt. Penn geht in der Rolle sowohl physisch als auch psychisch vollkommen auf und beweist, was es bedeutet ein guter, ein großer Schauspieler zu sein. Ganz besonders wird dies deutlich in der allerletzten Einstellung.
Technisch ist der Film auf hohem Niveau. Die Bilder des amerikanischen Westen wurden farbintensiv und in breitestem Cinemascope vom italienischen Kameramann Luca Bigazzi eingefangen. Gelegentlich ist der Film passend zur Musik geschnitten, was für einen besonderen Rhythmus sorgt.
Die Musik!
Sorrentino macht keinen Hehl daraus ein grosser Bewunderer von David Byrne und den Talking Heads zu sein, die ihn in seiner musikalischen Sozialisation prägten. Im Alter von 9 Jahren kam er über seinen Bruder mit der Rock Musik in Berührung und diese so frühe Zuwendung zur populären Musik ist den ganzen Film hindurch spürbar. Sie gipfelt in einem Konzertauftritt von Byrne in New York, der zudem eine kleine Rolle in dem Film übernahm.
Europäer und Road Movies sind keine Gegensätze per se. Die Filmemacher von diesem Kontinent haben eben ihre Vorstellung davon wie Kino auszusehen hat und für dieses stringente Vorgehen muss man Paolo Sorrentino loben. Einen solchen Mut haben nur noch wenige Künstler, den Mut einen Film langsam, ruhig und ohne Effekte zu erzählen. Ob man ihm inhaltlich folgen mag ist eine andere Sache, aber wie hiess es bereits damals bei Billy Wilder: "Nobody's perfect!"
Alan Lomax: sie werden den Film lieben, allein schon der Musik und einer ganz speziellen Szene wegen!
Aus Utah,
Rick Deckard
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