DUNKIRK
Am Ende bleibt Ratlosigkeit.
Nicht zuletzt, weil ein so renommierter Regisseur mit Namen Christopher Nolan hinter dem Projekt Dunkirk steht. Ich wähle absichtlich den Begriff Projekt und nicht Film, denn die bewegten Bilder hinterlassen am Ende nicht den Eindruck, dass man soeben einen Kinofilm gesehen hat.
Was wollten er und die Macher mit Dunkirk bezwecken, was nicht schon unzählige Male in der Kinohistorie im Genre Kriegsfilm nicht bereits gezeigt wurde: Das nackte Überleben, die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges, die Unmenschlichkeit? Lomax schrieb (in einer privaten Nachricht) neulich von einem "Experiment". Ich glaube dieser Begriff umschreibt den neuen Film des Briten am besten.
Aber gehören Experimente (die auf einer Hypothese aufbauen) nicht in die private Vorführkammer und nicht in das Kino? Erstaunlicherweise sehen das viele Kinozuschauer nicht so, denn gemessen an der Thematik und Machart, war der Film sehr erfolgreich an den Kassen, und, glaubt man den Zahlen, auf Platz 15 der erfolgreichsten Filme 2017! Das verwunderte mich. Interessant, wie sehr im Kino manchmal die Schere zwischen eigener Empfindung und der Sichtweise der Massen auseinander weicht.
Das erstaunt umso mehr, als dass der Film zwar nicht langweilt, aber es nicht schafft, über die bloße Unterhaltung hinaus zu kommen. Im Grunde "passiert" nichts in dem Film: Keine Emotionen, keine Helden, keine Verlierer, keine Gewinner, keine epische Geschichte, nichts, was zum Nachdenken anregt. Mir ist sehr wohl bewusst, dass Nolan genau darauf hinaus war, auf einen ungeschönten Realismus, weit weg von Hollywood Klischees, aber das funktioniert in meinen Augen nicht, gerade im Genre des Kriegsfilm. Wenn er mit Dunkirk neue Akzente setzen wollte, dann ist er in meinen Augen gescheitert.
Ausserdem wirkt Dunkirk trotz seiner narrativen Dreiteilung (Land, Wasser, Luft) holprig, unzusammenhängend und bisweilen merkwürdig geschnitten. Äusserst enervierend: Das Gedröhne von Hans Zimmer im Hintergrund, das auch noch an Bedeutung gewinnt, weil in dem Film kaum gesprochen wird. Das ganze hat ohnehin nichts mit Filmmusik gemein, sondern, wie immer bei Zimmer, mit Sounddesign. Betrachtet man das unter dem Aspekt des Designs, gelingt Zimmer dann sogar beachtliches. Was für ein Zwiespalt!
Kino ist nicht nur bloße Beobachtung sondern auch "involviert sein" in die Geschehnisse. Das hat Spielberg mit der virtuosen Anfangssequenz von Saving Private Ryan eindrucksvoll bewiesen. Auch der Terrence Malick Film The Thin Red Line ist ein weiteres Beispiel für die Beteiligung des Zuschauers an der Handlung und v.a. die grandiosen Serien The Pacific und Band Of Brothers.
Nolan scheitert mit seinem Kameramann an seiner eigenen Ästhetik, denn die künstlerisch fotografierten Bilder stehen immer wieder in krassem Widerspruch zu der Intention des Regisseurs. Entweder, oder. Beides geht nicht.
Am Ende bleibt ein mulmiges Gefühl in der Magengegend zurück. Hoffentlich hat Nolan, den ich ausserordentlich schätze, nicht bereits sein Pulver verschossen.
Rick Deckard