Zum Tod von Walter Becker – Vergessene Helden
"Wir Enthusiasten dieser Band, wissen, dass es keinen Ersatz geben wird und das es nun niemals mehr so werden wird, wie wir es uns erhofft haben. Die die wir davon träumten diese Band noch einmal live zu erleben."
Alan Lomax
Meine persönliche Verbindung zu der Band STEELY DAN, ist längst kein Geheimnis mehr und weitere Wörter, die alten Geschichten und Themenläden, wie Musiksozialisierung durch dieses Bandprojekt, könnten langsam anfangen zu langweilen.
Den Versuch die atemberaubende Musik von WALTER BECKER und DONALD FAGEN, mit all‘ diesen bemerkenswerten Musikern zu beschreiben, habe ich häufig unternommen und erzählte sie auf diesen Blogseiten.
Steely Dan - www.lomax-deckard.de
Bei diesem aktuellen Eintrag handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung von bereits veröffentlichten Steely Dan Einträgen der Vergangenheit. Seit meiner ersten Veröffentlichung eines Eintra...
http://www.lomax-deckard.de/article-steely-dan-113637938.html
Heute geht es mir vielleicht ehr um die musikalische Gesamterzählung dieser Band und um diese beiden rätselhaften Typen DONALD FAGEN und dem nun viel zu früh verstorbenen WALTER BECKER.
Und wie es immer so im Leben ist; …ist man von der Einen Person ehr fasziniert als von der Anderen. Natürlich ist es quatsch FAGEN und BECKER in einen Wettstreit zu stellen. Die schmutzige Wäsche zu reinigen, die in zig‘ Interviews und Biographien abgehandelt wurden. Und ähnlich wie bei vielen Songwriter-Duos der Musikgeschichte, haben sie sich wieder zusammengerauft, weil beide -sicherlich nicht ganz einfachen Persönlichkeiten- ohne einander nicht die Kunst schaffen, konnten, die sie miteinander von Beginn an so verbunden und getrieben hat.
Anfang der 1970ziger Jahre wurde und wird viel missverstanden. DO IT AGAIN z. B. kann nicht als Referenz von STEELY DAN genannt werden. Wahrscheinlich ist es das Album AJA, welches ein erstes Ausrufezeichen hinter dem Wort Genialität setzte. Danach Drogen, Exzesse und 3 Jahre Arbeit an acht Titeln die auf GAUCHO veröffentlicht wurden und die beiden schließlich trennte.
Als Intellektuelle Nerds hatten sich die beiden im New York der 1960ziger kennengelernt. Eine Seelenverwandtschaft erkannt. Zu kalt war die Stadt, zu wenig entspannt für zwei Menschen die die Kontemplation liebten. Los Angeles, die Sonne und die kalifornische Chillung lag nah.
Hits auf CANT BUY A THRILL, dann ein Folgealbum, welches Streit mit der Plattenfirma verursachte, weil es ihnen zu rätselhaft, parodistisch und zu unbeantwortet war. FAGEN drehte mehr und mehr durch, da er an seiner Wahnhaftigkeit (er wiederholte z. B. Schlagzeugsequenzen im Wochenbereich) fast scheiterte, bessere Musik zu machen als jeder andere und BECKER verlor sich im schönen Leben auf HAWAII produzierte Ambient und New-Age-Musik und nahm viel zu viel psychedelisches Zuckerwerk.
Die achtziger waren ehr ruhig. FAGEN punktete zwar mit seinem Solo-Meisterwerk THE NIGHFLY, um BECKER blieb es ruhig. Es muss eine seltsame Veränderung in dem Mann vorgegangen sein. „Stoiker“ nennt der ROLLING STONE Becker. Ganz gut die Beschreibung! Später und bis zuletzt, wirkte er ja auch äußerlich häufig sehr bürokratisch, spießgesellig. Kein Hang zur Selbstdarstellung. Keine besondere Kleidung oder Stil zu erkennen. FAGEN dabei schon immer mehr das Frontschwein, welches sich aber auch gerne hinter seinem Piano verschanzt.
In den 1990zigern dann Annäherung. Aber auch merkwürdige Soloaktivitäten mit gegenseitiger Unterstützung: FAGANs KAMAKIRIAD ein schwieriges, fast lästiges Album, von BECKERS Soloaktivitäten mal ganz abgesehen. CIRCUS MONEY z. B.! Da sollte man lieber die Finger von lassen, wenn man sich nicht für die Bandhistorie oder schlechte Reggae-Schallplatten interessiert.
EVERYTHING MUST GO dann 2003 die letzte echte STEELY DAN Platte. Ein tolles Wunderwerk. Auf dem Zenit deren beider Kunst. Zwischendurch einige sehr interessante Filme (das Making Of zu AJA z. B.), wo man den Kern der Beziehung zwischen BECKER und FAGEN ertasten kann. Die beiden zusammen, wirken dabei, wie zwei völlig über allem stehende Musikkenner, denen überhaupt niemand etwas vormachen kann. Die Kommentare und Gesprächsinhalte der Beiden, in diesem Studiofilm, sind legendär und fast bis zur Absurdität getriebene Arroganz. (sehen Sie sich das unbedingt an! Unbedingt!)
Mir hat neben der musikalischen Perfektion von STEELY DAN immer der Habitus gefallen. Eben diese Arroganz aber auch insbesondere das Versteckte, das Böse, das Verzweifelte, das romantische, amerikanische und künstlerisch vielfältige, welches man entdecken muss. Qualitätszeit!
GAUCHO ist so ein schönes Beispiel. Diese Platte ist wohl die größte Pop referenzielle Drogenhommage aller Zeiten: Man könnte denken, dass es sich hier um Musik für den gesetzten Golfer und seiner neureichen Frau handelt, die mal wieder im Country Club einen drauf machen. Die Platte aber erzählt hintergründig von Dealern, Nutten, Drogen und Zuhältern. Ist verschachtelt, nie entschlüsselt worden...Lyrisch und poetisch! Pulitzer Preis, wäre es ein Buch! Bestimmt....
Viele die ich kenne, ist diese Musik oftmals zu sauber, zu rein, zu technisch. Man muss den Soul suchen, aber das ist Konzept, nicht der Jazz. Der ist nur ein Menschenfänger. Ich erklär das gerne später. FAGEN und BECKER schaffen nicht nur auf den erwähnten Alben, sondern auch auf THE ROYAL SCUM und PRETZEL LOGIC eine neue Ästhetik die dazwischen liegt und der man alles vorwerfen kann, nur nicht, dass sie eben nicht cool ist.
Denn Anteil von BECKER würde ich tatsächlich mit 50 zu 50 zu FAGEN Anteil beschreiben. Bei anderen Songwriter Duos ist das meist ein Missverhältnis. FAGEN hat Becker geliebt. In allen Biographien wird beschrieben, wie er BECKER immer wieder kontaktiert hat und ihm geschrieben hat. Meist Postkarten mit kurzen Sätzen. Er hat immer an der Freundschaft festgehalten und ist tatsächlich der gefühlsdusseligere in dieser Beziehung. Würde man vielleicht nicht sofort denken, wenn man Coolness vor den Ganzheitlichen Ansastz von Becker stellt, der ihm als Mensch, aber auch als Musiker ja oftmals attestiert wird.
Was ich niemals bei einer Band erlebt habe, ist die Veränderung der Wirkung der Songs, beim Hören in unterschiedlichen Situationen. Insbesondere bei Autofahrten beeindruckt mich dieses Phänomen noch immer. Oder wenn man sich alleine besäuft. Es ist oftmals ein Trip. Und da gibt es viele Songbeispiele über KING OF THE WORLD habe ich schon mal auf diesen Blogseiten eine Abhandlung geschrieben!
Doch diese Phänomen haben beide entwickelt, erfunden! Schwierig und eine wissenschaftliche Aufgabe den tatsächlichen Anteil von BECKER herauszufiltern. Was bleibt sind die zahllosen Livemitschnitte der Band und das einzigartige Erlebnis, dass einmal selbst erlebt zu haben.
Über Soloaktivitäten oder das Gitarrenspiel eines Musikers zu schreiben, kann schlecht ausgehen. Die textliche Frickelei endet dann in Wortspielen oder fachlichen Nerdzismen die keinen mehr interessiert. Dennoch ein Wort zu BECKERS Spiel und weil es mir eben immer wieder auffällt im Vergleich zu anderen Gitarristen.
Natürlich meint man erstmal, dass das alles sehr improvisiert, jazzlastig ist. Später stellt man fest, dass diese Gitarre Geschichten erzählt. Becker spielt gerne sich wiederholende Pattern, die flimmern und sehr sauber sind. Würde man diese alleine auf einem Tonkanal hören, wären es wahrscheinlich scheinbar wahllose Klänge, die auch nicht mit den anderen Texturen der Songs harmonieren. Manchmal ist es sogar so, dass Melodien entstehen, von denen das Ohr und das Gehirn gar nichts mehr versteht, eine Metaebene. Dabei wird trotzdem Spannung aufgebaut und natürlich wird das alles wahnsinnig virtuos entwickelt. Für die Dramaturgie der STEELY DAN Songs, ist dieses Spiel auf jeden Fall einzigartig und kontextuell von größter Bedeutung.
Ob WALTER BECKER nun ein großer Gitarrist war, mag ich nicht zu sagen. Auch schwierig, weil er eben sehr verhalten und versteckt gelebt hat und es wenig Anhaltspunkte gibt, die Person BECKER zu entdecken.
In Erinnerung wird er der Musikgeschichte, eben als WALTER BECKER von STEELY DAN bleiben. Wir Enthusiasten dieser Band, wissen, dass es keinen Ersatz geben wird und das es nun niemals mehr so werden wird, wie wir es uns erhofft haben. Die die wir davon träumten diese Band noch einmal live zu erleben. Ein sehr großer Verlust, weil nun nur noch die Erinnerung bleibt, aber zum Glück DONALD FAGEN, der hoffentlich nicht resigniert, sondern den Fans gibt, was sie von ihm wollen. Außergewöhnlichste Musik!
In den sozialen Medien erleben wir einen tief verstörten und scheinbar sehr traurigen Donald Fagen der in den vergangen Tagen die folgenden zwei Texte veröffentlicht hat. Es ist Zeit wiedermal die mal die einzigartige Musik von STEELY DAN zu hören und sie wieder völlig neu zu entdecken. Jetzt das Fagen alleine ist und sich abermals eine neue Tür in den hohen Turm der beiden Genies öffnet...
Alan Lomax
For Walter
(posted by Donald and Libby Fagen)
DEAD OF WINTER
a song by mark oliver everett
(1998)
standing in the dark outside the house
breathing in the cold and sterile air
well i was thinking how it must feel
to see that little light
and watch it as it disappears
and fades into
and fades into the night
so i know you're going pretty soon
radiation sore throat got your tongue
magic markers tattoo you
and show it where to aim
and strangers break their promises
you won't feel any
you won't feel any pain
and the streets are jammed with cars
rockin' their horns
to race to the wire
of the unfinished line
thought that i'd forget all about the past
but it doesn't let me run too fast
and i just wanna stand outside
and know that this is right
and this is true
and i will not
fade into
fade into the night
standing here in the dark
Walter Becker was my friend, my writing partner and my bandmate since we met as students at Bard College in 1967. We started writing nutty little tunes on an upright piano in a small sitting room in the lobby of Ward Manor, a mouldering old mansion on the Hudson River that the college used as a dorm.
We liked a lot of the same things: jazz (from the twenties through the mid-sixties), W.C. Fields, the Marx Brothers, science fiction, Nabokov, Kurt Vonnegut, Thomas Berger, and Robert Altman films come to mind. Also soul music and Chicago blues.
Walter had a very rough childhood - I’ll spare you the details. Luckily, he was smart as a whip, an excellent guitarist and a great songwriter. He was cynical about human nature, including his own, and hysterically funny. Like a lot of kids from fractured families, he had the knack of creative mimicry, reading people’s hidden psychology and transforming what he saw into bubbly, incisive art. He used to write letters (never meant to be sent) in my wife Libby’s singular voice that made the three of us collapse with laughter.
His habits got the best of him by the end of the seventies, and we lost touch for a while. In the eighties, when I was putting together the NY Rock and Soul Review with Libby, we hooked up again, revived the Steely Dan concept and developed another terrific band.
I intend to keep the music we created together alive as long as I can, both with the Steely Dan band. We’ll miss him forever.
Donald Fagen
September 3 2017