Tony Scott - Wir werden ihn vermissen
Alan Lomax und ich lieben das Kino und wir lieben und haben Tony Scott geliebt, vielleicht wie keinen anderen Regisseur. Das liegt daran, dass Scott sich wenig um Vorgaben, die Filmhistorie oder die Journaille geschert hat. Er hat die Art Filme gedreht, für das das Kino eigentlich geschaffen wurde: Unterhaltung. Mainstream, aber doch stets einen Hauch daran vorbei. Das war seine Kunst. Das ist sein Vermächtnis.
Ich erinnere mich sehr gut daran, dass Lomax und ich gerade in den 90'er Jahren eifrig über diesen Regisseur debattierten und stets endeten unsere gemeinsamen Unterhaltungen in Bezug auf diesen Menschen humorvoll.
Die Selbstverständlichkeit mit der er seine Filme drehte waren meines Erachtens beispiellos. Dafür spricht seine gesamte Filmographie. Das erste Mal kam ich mit Tony Scott in Berührung, als ich seinen Film aus dem Jahr 1983 sah: "Begierde". Dieser Film beeindruckte mich aus dem Grund, da er Stil hatte, optisch mehr als inhaltlich. Aber genau dieser Widerspruch hielt sich in den folgenden Jahren und eben dieser Umstand liess Tony Scott meines (unseres) Erachtens zu einem grossen Regisseur werden. Jeder andere, wirklich jeder, wäre an dieser Art von Filmen gescheitert, nicht aber Scott. Er drehte Filme für alle Menschen, nicht allein für das Feuilleton, nicht für die verschrobenen Intellektuellen, erst recht nicht für die Berlinale oder Cannes.
Ich muss aber ehrlicherweise gestehen, dass ich nach "Begierde" die folgenden vier Filme "Top Gun", "Beverly Hills Cop II", "Revenge" und "Days Of Thunder" im Kino mied. "Top Gun" gehört zu den Filmen, die ich noch nie gesehen habe. Das hängt jedoch mit schlechten Erinnerungen an die Schulzeit zusammen und nicht an Scott. "Revenge" und "Days Of Thunder" habe ich später auf Video bzw. DVD gesehen und was soll ich sagen: gute Unterhaltung.
Dann kamen die 90'er Jahre und mit Ihnen das Jahrzehnt, in dem meines Erachtens Scott seine besten Filme drehte:
Last Boy Scout
True Romance
Crimson Tide
The Fan.
Der Erste ist ein erstklassiger Action Thriller mit hohem Unterhaltungswert und mit allen Stilismen, die den Regisseur berühmt machten: Der Schnitt, die Action, die Farbfotografie (mit Filtern), Hochglanzbilder. Hier aber extrem stimmig. Bruce Willis in einer seiner besten Rollen neben "Die Hard".
Der Zweite gehört zu der Kategorie im Kino, die in den letzten Jahren ad ultimo pervertiert und maßlos inflationär missbraucht wurde: Kult. DAS ist z.B. ein Kultfilm. Ich erinnere mich, wie ich aus dem Kino kam und das Adrenalin bis in die Haarspitzen drang. Der Fight von Gary Oldman als Möchtegern Rastafari mit Christian Slater ist eine der am effektivsten gedrehten Sequenzen im Film. Aber eine Szene machte den Regisseur und diesen Film unsterblich: Der Dialog zwischen Christopher Walken und Dennis Hopper mit der musikalischen Untermalung aus der Oper Lakmé von Delibes - eine der intensivsten und emotionalsten Szenen der Filmgeschichte. Kino der absoluten Extraklasse, geschrieben von keinem anderen, als dem damals hoch talentierten Quentin Tarantino.
Der Dritte ist ein Film, zu dem ich sehr spät kam aber begann ihn zu mögen- Ein Film aus dem U-Boot Genre mit Denzel Washington und Gene Hackmann in den Hauptrollen. Zwar viel Hurra-Patriotismus, Schall und Rauch, aber nochmals: sehr effektiv inszeniert.
Der Vierte zeigt Robert De Niro im Jahr 1996 als psychopathischen "Fan". Man muss diesen Film sehen, denn er ist schauspielerisch beeindruckend und vielleicht das einzige "Charakterdrama", welches Scott jemals drehte.
Nach den hervorragenden Unterhaltungsfilmen "Enemy Of The State" und "Spy Game" kam dann der Film, den Tony Scott in unser beider Olymp endgültig aufsteigen liess: "Man On Fire". Von der Presse verschmäht und verrissen, aber mal ganz ehrlich: Was verstehen schon 95 % der sog. Film-Journalisten vom Kino? Ich erinnere mich sehr genau, wie mir Mr. Lomax am Tag, nach dem er den Film gesehen hatte, schrieb:
"Deckard, den musst Du sehen ... das ist Avantgarde! Tony Scott ist der Grösste!"
Das ist er.
Er hat uns viele schöne Kinomomente in unserem Leben beschert. Thank you Mr. Scott!
Wir werden ihn vermissen.
R.I.P.
Alan Lomax & Rick Deckard