Killing Them Softly - Andrew Dominik
"Wenn du eine Botschaft hast, schick' ein Telegramm" (Sam Goldwyn)
Seit dem es ein politisches Kino in Amerika gibt hat jeder Präsident seine Seitenhiebe bekommen. Der eine mehr, der andere weniger derb bzw. offensichtlich. In den 1990er war es der furiose Schauspielerfilm „Glengarry Glen Ross“, der die anhaltende Rezession unter Ronald Reagan zeigte. Die Bush-Ära hat natürlich viel Raum für zynische, politische Filme gebracht. Vielleicht sollte man „Good Night, and Good Luck“, „Syriana“ und „Im Tal von Elah“ nennen. Frankheimer’s „The Manchurian Candidate“ (1962) und „All The President’s Men“ (1976) von Alan J. Pakula sprechen für sich. Setzen Sie die Liste beliebig fort, wenn Sie Lust haben. Vergessen Sie natürlich nicht die Kuba-Krise und Vietnam!
Was für die amerikanische Gesellschaft gut sein mag, ist für das Kino schlecht. Denn es waren die schlechten Präsidenten die den großen kritischen Film hervorgebracht haben. Nun könnte man annehmen das Barack Obama schlecht für das Kino ist. In der Clinton-Ära war es doch ähnlich!
Falsch gedacht! In Amerika sieht es derzeit offensichtlich übler aus als wir Europäer uns das so vorstellen. Sehen Sie sich einmal den brillanten Film „Killing Them Softly“ an! Ich habe lange nicht mehr ein so düsteres Bild von Amerika gesehen. Der Film spielt im sog. Wasteland von New Orleans. Hier regnet es offensichtlich immer noch nach dem Sturm. Aber auch wenn die Sonne scheint, brennen die Mülltonnen, liegen die leeren Fabriken wie Dinosaurier in der gelblichen Ödnis, wird rumliegender Müll zur spontanen Filmkulisse. Obama ist in diesem besonderen Ganovenstück ständig präsent. Entweder wir sehen ihn auf vorbeirauschenden Monitoren, hören ihn im Radio oder lesen zufällig Zeitungstitel.
Der Film basiert auf dem Roman „Cogan’s Trade“ (1974). Schauen Sie mal in die verstaubten Bücherclubausgabe ihrer Eltern oder Großeltern. Irgendwo in diesen Wohnzimmern stehen die Bücher des Schriftstellers George V. Higgins. Es ist einer dieser Schriftsteller, die wissen, wie auf der Straße gesprochen wird. Selbst Tarantino hat sich schon Dialoge von dem Mann geklaut. Gepaart mit der Neuzeit und der Kritik an dem Zustand von Amerika, hört sich das aus dem Mund des Hauptdarstellers Brat Pitt dann so an: „ "Dieser Kerl will mir weismachen, dass wir in einer Gemeinschaft leben? Dass ich nicht lache! Ich lebe in Amerika, und in Amerika bist du allein. Amerika ist kein Land, Amerika ist nur ein Business. Und jetzt, verdammt noch mal, bezahlst du mich!"
Natürlich spricht Pitt aka. Jackie Cogan nicht mit Obama! Er spricht mit seinem V-Mann zur Mafia, der ihm gerade, erklärt, dass man nicht bereit ist seinen erledigten „Job“ vollständig zu bezahlen. Wir sehen die zwei Männer in einer Bar. Im Fernsehen sehen wir Obama. Doch worum geht es eigentlich: (Zusammenfassung aus „Der Zeit“): Zwei träge Kleingangster (Scoot McNairy und Ben Mendelsohn), Drogen und Alkoholreste dünsten aus den teigigen Poren, überfallen eine Pokerrunde und machen sich mit dem Geld davon. Das darf nicht sein, nicht einmal im Niemandsland New Orleans, das sich vom Hurrikan Katrina noch lange nicht erholt hat. Also engagiert die Mafia einen Auftragskiller namens Jackie Cogan (Brad Pitt). Cogan ist ein Lederjacken-Styler und samtweicher Operator von höchster Professionalität, zumindest sieht er sich selbst gern so. Dennoch braucht er Hilfe und fordert diese auch an - aber die Verstärkung (James Gandolfini) erweist sich als nutzloser, sexbesessener Alkoholiker. Schließlich, nach langem Hin und Her, wird ein Schuldiger zur Strecke gebracht, um den es schade ist, und darüber hinaus ein Unschuldiger, der sein Schicksal ansonsten verdient hat. Ein weiterer Gangster entkommt dem Tod, weil er rechtzeitig in eine Falle der Polizei tappt. Und die Pokerrunden der Welt werden sich weiterdrehen, als ob nichts passiert wäre.
Dieser Film ist auf seine Weise spektakulär, weil er nicht sofort greifbar ist und ziemlich facettenreich ist. Wenn man so will gibt es drei Perspektiven für die Konzentration des Zuschauers: a. Der radikale Blick auf ein durch die Finanzkriese gebeuteltes Amerika b. Das klassische, von grandiosen Dialogen geprägte und von Tarantino motivierte Ganovenstück oder c. Der genretypische Gewaltfilm der tatsächlich schafft zumindest mit einer Sequenz in die Filmgeschichte einzugehen.Diese Sequenz ist leider genial, obwohl sie einen brutalen Drive-By-Shot-Mord zeigt. Lassen Sie sich überraschen.
Andrew Dominik reiht sich mit diesem eleganten und gleichzeitigen schmierigen Film direkt hinter „Drive“ von Nicolas Winding Refn http://www.lomax-deckard.de/article-drive-nicolas-winding-refn-114139138.html ein. Noch ein paar von diesen düsteren, stilistisch bemerkenswerten Filmen und dann können wir von einer neuen Ära sprechen.
Alan Lomax