Homeland – Noch eine beste Serie der Welt!

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  1. März 2013, 13:35  -  #Fernsehen

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Wie war wohl die Wahrnehmung von Gefühlsduseligen, Subjektiven, Filmnerds in den frühen 1960er und zu Zeiten des „Golden Age“ in Hollywood? Waren Enthusiasten und Filmliebhaber wie ich ähnlich euphorisch unterwegs? Haben diese „Brüder im Geiste“ von damals auch ständig ihr Umfeld mit unreflektierten Verzückungen bombardiert und sind diese Gigs im Sinnestaumel, nach jeder Ausstrahlung bzw. Kinobesuch in der Gegend rum gelaufen? Natürlich sie hatten kein Internet, aber vielleicht war der emotionale Rausch ähnlich?

Wir werden es nie erfahren!

Serien gibt es am laufenden Band! Nach der anfänglichen, einfachen Selektion und geringen Wahlmöglichkeiten, werden wir nun fast wöchentlich mit neuen Produktionen überschüttet. Die Fachleute und die Presse sind sich fast immer einig, ein Zeichen für die Macht des Kommerzes. Und tatsächlich: Die Kunst, die Innovation und die Vision der Serienmacher werden eingeschränkter.  Die Bezahlsender und Studios in den USA sind vorsichtiger  geworden! In Europa ist der Zuschauer sowieso überfordert, weil man nur als eigenwilliger und ständiger Beobachter die Chance hat, den größten Teil zu sichten.

Skeptiker werden vorsichtiger, nicht jede Serie erhält eine Chance. Von politischen, mentalen und gesellschaftlichen Dynamiken und Unterschiede zwischen Europa und den Staaten mal abgesehen. Nicht jedes Thema, nicht jede Serie, erhält das richtige Marketing und die richtige Zielgruppenplanung. Somit sind viele große Serien von Anfang zum Scheitern verurteilt.

Man denke nur an die denkbar schlechte Platzierung von „Downtown Abbey“ auf dem Seniorensender ZDF, der einzigen Ausstrahlung von „Carnivale“ auf FOX vor 2 Jahren oder dem zerpflückten und nicht chronischen Sendeverlauft von z. B. „Breaking Bad“ auf arte oder „Mad Men“ auf ZDF neon. Und man denke natürlich an die ganzen typischen US-Serie die auf SAT1 oder Pro7 laufen und sofort als Genrenummern von „Kennern“ abgelehnt werden. Von völlig undankbaren Sendezeiten mal abgesehen. Denn nicht jeder Deutsche hat einen Recorder oder sieht sich Serien aus der Mediathek im Stream an!

Die Serie „Homeland“ hat genau dieses Verliererlos in Deutschland gezogen. Sat1 hat die Serie zwar einiger Massen gut promotet und vermarktet. Trotzdem landet die spannungsgeladene Ausnahmesendung auf einem Sendeplatz nach 23:00 Uhr am Sonntagabend!

Dabei ist insbesondere der künstlerische und der moralische Wert von „Homeland“ mehr als Mainstreamtauglich und könnte tatsächlich etwas anrichten. Anrichten? Ein Umdenken bei uneinsichtigen und dogmatischen Menschen zum Beispiel!

Worum geht es?  Die CIA-Agentin Carrie Mathison(Claire Danes) erhält während ihres Einsatzes im Irak einen heißen Tipp: Ein amerikanischer Soldat soll während seiner Kriegsgefangenschaft in das terroristische Lager übergelaufen sein. Ein paar Monate später wird der seit 2003 im Irak vermisste und totgeglaubte G.I. Nicholas Brody (Damian Lewis) fast zufällig von amerikanischen Streitkräften befreit und kann in die USA zurückkehren. Während das ganze Land ihn als Held feiert, bleibt Carrie misstrauisch. Sie vermutet, der traumatisierte Familienvater ein "Schläfer" ist. Da ihr niemand glaubt, beginnt die ambitionierte Agentin auf eigene Faust zu ermitteln.

Was ist also die Faszination? Um es in einem Satz zusammenfassen: Wem kann man trauen? Es ist diesmal nicht unbedingt die Story, die diese Serie zur Ausnahme macht. Denn die ist austauschbar und übertragbar. Homeland setzt Maßstäbe bei der Zeichnung der im Prinzip gebrochenen Hauptfiguren Carrie Mathison (Claire Danes) und Nicholas Brody (Damian Lewis).

Wahrscheinlich kann man auch ganze Bücher über die Möglichkeit von „TV Formaten“ und dem Thema „Krieg gegen den Terror“ bzw. Krieg generell schreiben. Meine Faszination geht aber eben vom Perspektivenwechsel und den Wechselwirkungen der beiden Hauptpersonen aus.

Die bis zu Ihrer Performance in „Homeland“ immer etwas spröde wirkende Claire Danes, spielt die manisch-depressive CIA-Agentin als Drogenabhängige Psychotin als einmalige, noch niemals zuvor gesehen Charakterleistung. Damian Lewis ist wirklich undurchschaubar. Da wir ihn bereits als amerikanischen Kriegshelden Richard Winters in der Mini-Serie „Band of Brothers“ kennengelernt haben, möchten wir Zuschauer natürlich ungern glauben, dass er als echte Person, Tatsachen verschwimmen manchmal im Land der Träume, ein Schläfer ist. Diese Spannung und dieser Krieg hält die Serie am Leben.

Man muss ja nicht immer gleich von der „besten Serie“ sprechen. Sondern vielleicht einfach mal von Qualität! Und Homeland ist permanente Qualität. RP-Online hat es somit völlig richtig und zitierfähig zusammengefasst:

„In den USA sind sich die Kritiker einig: "Homeland" sei die beste Serie der 2010-er Jahre, ein würdiger Nachfolger von "The Sopranos", "The Wire" und "Breaking Bad". Bei der Golden-Globe-Verleihung 2013 gewann das Agenten-Drama triumphal in den Kategorien Beste Serie, Beste Serienhauptdarstellerin und Bester Serienhauptdarsteller. "Homeland" steht für eine TV-Qualität, die bei deutschen Produktionen derzeit nicht vorstellbar ist. Und das, obwohl ARD und ZDF mit dem Hinweis auf Qualität und kulturellen Auftrag jedes Jahr mehr als acht Milliarden Euro ausgeben. Wie banal, wie eindimensional wirkt ein deutscher TV-Krimi im Vergleich zu den großen Serien des US-Fernsehens. "Tatort" und "Homeland" – das ist wie Regionalliga und Champions League im Fußball.

Warum ist das so? Zuallererst ist die Antwort beim mutlosen Kleingeist der deutschen Programm-Macher zu suchen. Ein weiterer Grund liegt in der Besonderheit der US-Fernsehlandschaft. Neben den landesweit ausgestrahlten Sendern wie ABC, NBC oder FOX gibt es viele kleinere Pay-TV-Sender, die sich durch komplexe Serienformate ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet haben. Vorreiter war HBO mit den 1999 gestarteten "The Sopranos". Die Serie über das Leben eines Mafiabosses in New Jersey beschränkte sich nicht auf die typische Gangsterstory, sondern rückte die Beziehungen der Mafia-Familie in den Mittelpunkt. Wer sowohl "Sopranos" als auch "Homeland" kennt, erkennt die Muster des modernen Erzählfernsehens.

Und so hat sich in den USA ein TV-Publikum gebildet, dass Ansprüche an Qualität und Vielschichtigkeit stellt. In Deutschland muss dieses Publikum allzu oft noch auf DVDs ausweichen.“

Glaubst Du, dass Du nach alldem noch ein Recht auf Privatsphäre hast?

Alan Lomax

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